6B_660/2010 und 6B_661/2010: mehrfache Tierquälerei

In dem Urteil 6B_660/2010 und 6B_661/2010 vom 8. Feb­ru­ar 2011 find­et sich ein­er der weni­gen bun­des­gerichtlichen Entschei­de zu den Straf­bes­tim­mungen im Tier­schutzge­setz (TSchG). Die zwei miteinan­der ver­heirateten Beschw­erde­führer waren von der Vorin­stanz wegen mehrfach­er Tierquälerei durch Ver­nach­läs­si­gung ihrer 60 Katzen und mehrfach­er Übertre­tung des Tier­schutzge­set­zes gemäss Art. 26 Abs. 1 lit. a und 28 Abs. 1 lit. a und b TSchG schuldig gesprochen wor­den, weil sie die geset­zlichen Anforderun­gen an die Grösse von Gehe­gen, die Beleuch­tung, das Raumk­li­ma, die angemessene Reini­gung und der Anzahl von Kotschalen nicht einge­hal­ten hat­ten.

Der Ehe­mann brachte vor, “er habe mit der Pflege der Katzen nichts zu tun gehabt”, son­dern nur gele­gentliche Hil­feleis­tun­gen erbracht, die nicht mit der Hal­tung und Betreu­ung der Tiere zusam­men­hin­gen. Er könne daher man­gels Garan­ten­stel­lung kein Täter des Unter­las­sungs­de­lik­tes nach Art. 26 Abs. 1 lit. a TSchG (Tierquälerei) sein. Danach ist u.a. straf­bar, wer ein Tier ver­nach­läs­sigt. Der Begriff des Ver­nach­läs­si­gens wird wed­er in der Botschaft über ein Tier­schutzge­setz noch in der Botschaft zur Revi­sion des Tier­schutzge­set­zes definiert. Er ergibt sich indi­rekt aus Art. 6 Abs. 1 TSchG. Diese Norm verpflichtet jeden, der ein Tier hält oder betreut, es angemessen zu nähren, zu pfle­gen und ihm die für ihr Woh­lerge­hen notwendi­ge Beschäf­ti­gung und Bewe­gungs­frei­heit sowie soweit nötig Unterkun­ft zu gewähren.

Nach dem Bun­des­gericht bildet der Begriff des Betreuers einen Auf­fang­tatbe­stand für jene Fälle, in denen eine Per­son zwar nicht Hal­ter ist, aber den­noch eine solche tat­säch­liche Ein­wirkungsmöglichkeit auf das Tier hat, so dass ihr zwangsläu­fig die Funk­tio­nen für die angemessene Sorge des Tieres nach Art. 6 Abs. 1 TSchG zukom­men (E. 1.2.2). Es sieht in dem Beschw­erde­führer einen Betreuer in diesem Sinne und führt aus:

1.2.3 Die in der Tier­schutzverord­nung konkretisierten Pflicht­en, welche ins­beson­dere hin­sichtlich der (Kranken)pflege in den Grundzü­gen bere­its in Art. 6 Abs. 1 TSchG enthal­ten sind, tre­f­fen auch den Betreuer eines Tieres. Nicht entschei­dend ist, dass Art. 5 Abs. 2 TSchV als Ver­ant­wortlichen für die Krankenpflege bloss den Hal­ter nen­nt. Der Kreis der­jeni­gen, welche für das Woh­lerge­hen eines Tieres zu sor­gen haben, ist unter Berück­sich­ti­gung von Art. 6 Abs. 1 TSchG weit auszule­gen und erstreckt sich auch auf den Betreuer.

5.2 […] Das Gesetz for­muliert den Täterkreis offen (“wer”). Als Täter fällt ins­beson­dere der in Art. 6 Abs. 1 TSchG genan­nte Betreuer in Betra­cht, der die in der Tier­schutzverord­nung konkretisierten Vorschriften der Tier­hal­tung (etwa betr­e­f­fend Ernährung, Pflege, Beschäf­ti­gung, Bewe­gungs­frei­heit und Unterkun­ft der Tiere) zu beacht­en hat. Ent­ge­gen der Auf­fas­sung des Beschw­erde­führers obliegt die Pflicht, den Tieren eine angemessene Unterkun­ft zur Ver­fü­gung zu stellen und sie bei Krankheit zu pfle­gen, nicht bloss dem Hal­ter. Auch der Betreuer trägt nach dem Wort­laut des Tier­schutzge­set­zes die Ver­ant­wor­tung für die notwendi­ge Unterkun­ft (vgl. Art. 6 Abs. 1 TSchG).

Auch die weit­eren Rügen der bei­den Beschw­erde­führer wer­den vom Bun­des­gericht ver­wor­fen. So drin­gen sie mit ihren Argu­menten gegen die vorin­stan­zliche Ausle­gung der zahlre­ichen mis­sachteten Vorschriften in der TSchV und den zuge­höri­gen Anhän­gen betr­e­f­fend die Min­destanforderun­gen an die Tier­hal­tung nicht durch.