Nachträgliche Verwahrung: Umsetzungsprobleme in der Praxis

Nadine Jür­gensen berichtet in einem Beitrag vom 17. Juni 2011 in der NZZ-Online über Schwierigkeit­en, der sich die Prax­is bei der Umset­zung der nachträglichen Ver­wahrung (Art. 64 ff. StGB) gegenüber sieht.

Ein wichtiges Vol­lzugsprob­lem sei zu lösen, denn es beste­he eine «schmerzhafte Lücke im StGB», die es zu füllen gelte: Eine kleine Gruppe gemeinge­fährlich­er Straftäter müsste trotz hohem Rück­fall­risiko nach dem Ende ihrer Frei­heitsstrafe wieder freige­lassen wer­den – auch wenn die Gefahr beste­he, dass es zu neuen Opfern komme. 


Die Autorin weist darauf hin, dass die nachträgliche Ver­wahrung nur unter bes­timmten Umstän­den möglich ist: Die Voraus­set­zun­gen für eine Ver­wahrung müssen während des Vol­lzugs der Frei­heitsstrafe auf­grund neuer Tat­sachen oder Beweis­mit­tel gegeben sein und im Zeit­punkt der Verurteilung bere­its bestanden haben, ohne dass dies dem Gericht zum Zeit­punkt des Urteils bekan­nt gewe­sen wäre.

Die Regelung zielt also auf die sel­te­nen Fälle ab, in denen die Ver­wahrung beim Urteil unterblieben ist und sich der Verurteilte im Strafvol­lzug als hochge­fährlich erweist. Es geht um die Kor­rek­tur von früheren schw­eren Fehlern, die im Zeit­punkt des Urteils in der Sache began­gen wor­den sind.

Es stelle sich die Frage, so Nadine Jür­gensen, ob sich die nachträgliche Ver­wahrung in der Prax­is als zahn­los­er Papier­tiger erweist. Unter Ver­weis auf ein vor dem Bun­des­gericht anhängiges Ver­fahren eines Zürcher Straftäters hält sie fest:

Dies ist dann der Fall, wenn ein Gericht bei der Verurteilung eines Täters dessen Gefährlichkeit bere­its erkan­nt hat – und trotz­dem keine Ver­wahrung anord­nete, wie es im vor­liegen­den Fall geschah. Die nachträgliche Ver­wahrung, eigentlich ein Spezial­fall der Revi­sion, kann hier nicht greifen, weil die Voraus­set­zun­gen der Ver­wahrung bere­its damals gegeben gewe­sen wären. Der Grund­satz «ne bis in idem» – dass nicht zweimal in der gle­ichen Sache geurteilt wer­den darf – gilt für jeden – auch für sehr gefährliche Täter. Es ist nicht davon auszuge­hen, dass das Bun­des­gericht in dieser Frage, die auch Aspek­te der Europäis­chen Men­schen­recht­skon­ven­tion berührt, von sein­er Prax­is abwe­ichen wird. Das Urteil wird jedoch ein wichtiges Präjudiz für ähn­lich gelagerte Fälle sein.