4A_178/2011: Nespresso vs. Denner — Auslegung der Tatsache eines Beweisantrags zuungunsten von Nestlé unhaltbar (amtl. Publ.)

Die schriftliche Begrün­dung des zur amtlichen Pub­lika­tion vorge­se­henen Urteils des BGer 4A_178/2011 in Sachen Nespres­so (Nestlé vs. Den­ner) liegt vor. Wie bere­its berichtet kassiert das BGer das Urteil des HGer SG wegen ein­er Ver­let­zung des rechtlichen Gehörs. Der Han­dels­gericht­spräsi­dent SG hat­te Den­ner AG (und Alice Alli­son AG) super­pro­vi­sorisch ver­boten, ihre Kaf­feekapseln zu vertreiben und zu bewer­ben. Dieses super­pro­vi­sorische Ver­trieb­sver­bot wurde am 4. März 2011 aufge­hoben. Dage­gen war Nestlé ans BGer gelangt. 

Das BGer verneint zunächst eine willkür­liche Anwen­dung von MSchG 2 b:

Die Beschw­erde­führerin­nen [sc. Nestlé] zeigen keinen marken­rechtlichen Grund­satz auf, aus dem sich zweifels­frei und ohne Weit­eres ergeben würde, dass die tech­nis­che Notwendigkeit nach Art. 2 lit. b MSchG im konkreten Fall in Bezug auf “Kaf­fee”, “por­tion­ierten Kaf­fee”, “Kapselkaf­fee”, jedoch keines­falls “Kaf­feekapseln, die in Nespres­so-Maschi­nen ver­wen­det wer­den kön­nen” zu beurteilen wäre. Zwar ist den Beschw­erde­führerin­nen zuzugeste­hen, dass es das Bun­des­gericht bish­er grund­sät­zlich abgelehnt hat, die tech­nis­che Notwendigkeit allein im Hin­blick auf die Kom­pat­i­bil­ität mit einem vorbeste­hen­den Sys­tem zu beja­hen […]. Willkür liegt jedoch nicht bere­its dann vor, wenn eine andere Lösung eben­falls vertret­bar erscheint oder gar vorzuziehen wäre.”

Jedoch wurde der Anspruch auf rechtlich­es Gehör dop­pelt verletzt:

  • Ein­er­seits hat­te die Vorin­stanz akten­widrig angenom­men, Nestlé habe sich nicht zur Frage der Wider­stands­fähigkeit der Kapseln geäussert. 
  • Ander­er­seits hat­te die Vorin­stanz eine Beweisof­ferte von Nestlé zur Frage, ob Kapseln auch bei ander­er Gestal­tung in Nespres­so-Maschi­nen passen, gegen Nes­lé aus­gelegt; damit sei erstellt, dass Nes­lé selb­st davon aus­ging, diese Frage sei unklar. Das ist nicht vertret­bar. Das Recht, Beweisanträge zu stellen, fol­gt aus dem Anspruch auf rechtlich­es Gehör, und es wäre unsorgfältig, tat­säch­liche Behaup­tun­gen nicht auch mit Beweisof­fer­ten zu verbinden. Es ist offen­sichtlich unhalt­bar und ver­let­zt den Gehör­sanspruch, wenn die Vorin­stanz die Tat­sache, dass Nestlé zur strit­ti­gen Frage der Alter­na­tiv­for­men eine Kurz­ex­per­tise beantragt hat, zu Ungun­sten von Nes­lé auslegt und dann direkt auf die bestrit­te­nen Parteibehaup­tun­gen von Den­ner abstellt.