5A_664/2010: Aktivlegitimation für Klage auf Grundbuchberichtigung (amtl. Publ.)

Ein Kläger (und Beschw­erdegeg­n­er) hat­te einen hälfti­gen Miteigen­tum­san­teil an einem Grund­stück gekauft, woraufhin die Recht­snach­fol­ger der Miteigen­tümerin der anderen Hälfte das geset­zliche Vorkauf­s­recht aus­geübt haben und auf Anmel­dung der Verkäufer hin im Grund­buch als Eigen­tümer einge­tra­gen wor­den sind. Der Kläger hat nicht die Verkäufer eingeklagt, die es vielmehr ihm über­lassen haben, die im Zusam­men­hang mit ein­er allen­falls ungülti­gen Ausübung des Vorkauf­s­rechts ent­stande­nen Ansprüche gel­tend zu machen. Er hat stattdessen direkt Klage gegen die im Grund­buch neu als Eigen­tümer der Miteigen­tumshälfte einge­tra­ge­nen Beklagten (und Beschw­erde­führer) erhoben. Er wirft ihnen eine – aus ver­schiede­nen Grün­den – ungültige Ausübung des Vorkauf­s­rechts vor. Stre­it­ig war, ob und gegebe­nen­falls wie diese ange­bliche Ungültigkeit durch den Kläger gel­tend gemacht wer­den kann. Das BGer hat die Beschw­erde mit Urteil vom 1. Juni 2011 (5A_664/2010), das für die amtliche Samm­lung vorge­se­hen ist, teil­weise gutgeheissen.

Zur rechtlichen Aus­gangslage führt das BGer an:

2.2. [….] Die rechts­gültige Ausübung des geset­zlichen Vorkauf­s­rechts im Miteigen­tumsver­hält­nis gibt dem Vorkaufs­berechtigten einen Anspruch auf Über­tra­gung des Eigen­tums an der Sache, die der Vorkaufs­be­lastete einem Nicht­miteigen­tümer hat verkaufen wollen, lässt deren ver­tragliche Beziehung aber unange­tastet (vgl. BGE 134 III 597 E. 3.4.1 S. 604). Der Käufer ver­liert zwar seinen Anspruch auf Eigen­tumsver­schaf­fung gemäss Kaufver­trag, doch kann ihm der Vorkaufs­be­lastete nach Art. 97 ff. OR schaden­er­satzpflichtig wer­den […], wenn er zum Beispiel den Vorkaufs­berechtigten zur Ein­tra­gung im Grund­buch anmeldet, obschon er um die Män­gel der Ausübung des geset­zlichen Vorkauf­s­rechts weiss oder zumin­d­est wis­sen müsste (vgl. Urteil 5C.197/1992 vom 18. März 1993 E. 2b/bb). Die Ansprüche des Käufers richt­en sich somit gegen den Verkäufer als Ver­tragspart­ner. Inwiefern und welche Ansprüche dem Käufer gegen den Vorkaufs­berechtigten zuste­hen, der sein Recht aus­geübt hat und im Grund­buch als Eigen­tümer des Miteigen­tum­san­teils einge­tra­gen wor­den ist, erscheint in Recht­sprechung und Lehre als wenig gek­lärt (vgl. BGE 110 II 447 E. 1 S. 449 f. […]).

Zunächst wurde die Aktivle­git­i­ma­tion zur Grund­buch­berich­ti­gungsklage gemäss Art. 975 ZGB durch die Vorin­stanz richtiger­weise verneint. Aktivle­git­imiert ist, wer durch den Ein­trag in seinen dinglichen Recht­en ver­let­zt ist; der bloss oblig­a­torisch Berechtigte ist hinge­gen nicht legit­imiert (E. 3.1). Der Käufer kann fol­glich nicht auf dem Weg der Grund­buch­berich­ti­gungsklage gel­tend machen, ein Vorkauf­s­recht sei ungültig aus­geübt wor­den und deshalb die Ein­tra­gung des Vorkaufs­berechtigten im Grund­buch zu Unrecht erfol­gt. Im vor­liegen­den Fall war zu klären, ob der Kläger mit Zus­tim­mung der Verkäufer in seinem eige­nen Namen die Grund­buch­berich­ti­gungsklage erheben kann:

3.2 […] Die Befug­nis, den Prozess in eigen­em Namen als Partei anstelle des materiell Berechtigten zu führen (sog. gewil­lkürte Prozess­stand­schaft), kann rechts­geschäftlich nicht über­tra­gen wer­den. Das schweiz­erische Recht ken­nt keine auf die Prozess­führungs­befug­nis oder ein Klagerecht beschränk­te Abtre­tung, son­dern nur die Abtre­tung des materiell-rechtlichen Anspruchs, mit der die Berech­ti­gung überge­ht, den Anspruch vor Gericht in eigen­em Namen gel­tend zu machen (vgl. BGE 78 II 265 E. 3a S. 274/275 […]). Einen Anspruch auf Grund­buch­berich­ti­gung ohne das damit untrennbar ver­bun­dene dingliche Recht haben die Verkäufer dem Kläger […] deshalb nicht abtreten kön­nen […].
3.3 [Bei] Art. 14 Abs. 1 EGG [ist der] Käufer aus­nahm­sweise als legit­imiert anzuse­hen, im Prä­ten­den­ten­stre­it mit der Zus­tim­mung des Verkäufers die Grund­buch­berich­ti­gungsklage zu erheben […]. Es han­delt sich um einen Son­der­fall aus dem bäuer­lichen Vorkauf­s­recht mit seinen beson­deren Ver­fahrensvorschriften, der auf das gewöhn­liche Vorkauf­s­recht deshalb nicht über­tra­gen wer­den kann […].

Daraufhin hat die Vorin­stanz die Aktivle­git­i­ma­tion zu ein­er sog. Grund­buch­berich­ti­gungsklage sui gener­is bzw. ein­er der Grund­buch­berich­ti­gungsklage im Sinne von Art. 975 ZGB analo­gen Klage (all­ge­meine Fest­stel­lungsklage) zu Recht bejaht. Die Fest­stel­lungsklage bet­rifft hier die Ausübung des Vorkauf­s­rechts durch die beklagten Vorkaufs­berechtigten gegenüber den nicht prozess­beteiligten Verkäufern, d.h. ein Rechtsver­hält­nis, das nicht zwis­chen dem Kläger und den Beklagten beste­ht, son­dern zwis­chen der Beklagten­partei und einem ausser­halb des Prozess­es ste­hen­den Drit­ten, der von der Recht­skraft des Fest­stel­lung­surteils somit nicht erfasst wird (E. 4.2). Ein schutzwürdi­ges Inter­esse an ein­er Fest­stel­lung beste­ht grund­sät­zlich nur, soweit die Recht­skraft des Urteils reicht:

4.2 […] Nach der Recht­sprechung des Bun­des­gerichts ist ein Fest­stel­lungsin­ter­esse hin­sichtlich der Rechts­beziehung Drit­ter deshalb auch nur aus­nahm­sweise dann gegeben, wenn Bestand und Inhalt der Rechts­beziehung unter den Parteien vom Beste­hen eines bes­timmten Rechtsver­hält­niss­es zwis­chen Drit­ten bzw. zwis­chen ein­er der Prozess­parteien und Drit­ten abhängt (BGE 93 II 11 E. 2c S. 16 […]). Das schutzwürdi­ge Inter­esse fehlt, wenn die ver­langte Fest­stel­lung gegenüber der betrof­fe­nen Per­son nicht verbindlich wäre, d.h. das angestrebte Fest­stel­lung­surteil den Drit­ten nicht zu binden ver­mag (BGE 93 II 11 E. 2c S. 17 […]).
4.3 Das Bun­des­gericht bejaht das Fest­stel­lungsin­ter­esse, wenn es um die Frage geht, ob sich der Käufer eines Grund­stücks durch ein aus­geübtes Vorkauf­s­recht zurück­set­zen lassen muss (BGE 109 II 51 E. 2 S. 53). […] Auf Grund der Vere­in­barung […] zwis­chen dem Kläger und den Verkäufern ist indessen davon auszuge­hen, dass die gerichtliche Fest­stel­lung, das Vorkauf­s­recht sei nicht innert Frist rechtswirk­sam aus­geübt wor­den, den Verkäufern ent­ge­genge­hal­ten wer­den kann. Gestützt darauf ist der Kläger befugt, im Namen der nicht prozess­beteiligten Verkäufer das Fest­stel­lung­surteil gegen die Beklagten beim Grund­buch zur Ein­tra­gung anzumelden […]. Die Änderung der Ein­tra­gung im Grund­buch kann somit auf blosse Fest­stel­lung hin, dass die Beklagten ihr Vorkauf­s­recht nicht rechtswirk­sam aus­geübt und fol­glich das Eigen­tum am fraglichen Miteigen­tum­san­teil nicht erwor­ben haben, als zweifels­frei gesichert gel­ten ([…] BGE 97 II 371 E. 2 S. 375 f. […]).

Schliesslich sah die Vorin­stanz auch die Aktivle­git­i­ma­tion zur Klage auf Anweisung an das Grund­buch, ihn sel­ber oder eventuell die Verkäufer als Eigen­tümer des Miteigen­tum­san­teils einzu­tra­gen. Nach Auf­fas­sung des BGer bedeutet das ein rechts­fehler­haftes Vorge­hen, weil zwis­chen der Grund­buch­berich­ti­gungsklage im Sinne von Art. 975 ZGB und der all­ge­meinen Fest­stel­lungsklage kein Unter­schied mehr gemacht werde (5./5.4):

5.2 […] Das beantragte Fest­stel­lung­surteil hat zum Inhalt, dass die Beklagten das Vorkauf­s­recht gegenüber den Verkäufern nicht rechts­gültig aus­geübt haben und dass die Verkäufer deshalb die wirk­lichen Eigen­tümer des Miteigen­tum­san­teils sind. Nicht durch das Fest­stel­lung­surteil bes­timmt wer­den hinge­gen die Rechte des Klägers gegenüber den Verkäufern, die sich allein aus dem Kaufver­trag ergeben. Daraus fol­gt, (1.) dass das Fest­stel­lung­surteil den obsiegen­den Kläger — im Gegen­satz zum Urteil über die Grund­buch­berich­ti­gungsklage im Sinne von Art. 975 ZGB (E. 5.1) — nicht als wahren Berechtigten ausweist, der gemäss Art. 963 Abs. 2 ZGB die Ein­tra­gung im Grund­buch anmelden kann, und (2.) dass nur die Verkäufer als wirk­liche Eigen­tümer des Miteigen­tum­san­teils die Ein­tra­gung im Grund­buch ver­lan­gen kön­nen. Die Verkäufer haben zunächst gestützt auf das Fest­stel­lung­surteil die Beklagten als Eigen­tümer des Miteigen­tum­san­teils im Grund­buch löschen und sich sel­ber wieder als Eigen­tümer ein­tra­gen zu lassen, bevor sie die Eigen­tum­süber­tra­gung gemäss dem Kaufver­trag an den Kläger beim Grund­buch anmelden kön­nen […]. Der Kläger ist somit nicht legit­imiert, im Fest­stel­lung­sprozess die Anweisung an das Grund­buchamt zu beantra­gen, sich sel­ber als Eigen­tümer des Miteigen­tum­san­teils im Grund­buch einzu­tra­gen. Die Grund­buchan­mel­dung muss von den Verkäufern ausgehen.
5.3 […] Denn zum Erwerb des Grun­deigen­tums bedarf es der Ein­tra­gung im Grund­buch (Art. 656 Abs. 1 ZGB), und im Bere­ich dieses absoluten Ein­tra­gung­sprinzips hat die Grund­buchan­mel­dung nicht bloss die Bedeu­tung eines formellen Antrags an den Grund­buchver­wal­ter, die Änderung ein­er Ein­tra­gung vorzunehmen. Sie stellt vielmehr die materielle Ver­fü­gung über das Eigen­tum dar, die notwendi­ger­weise vom dinglich Berechtigten auszuge­hen hat (vgl. BGE 109 II 99 E. 3 S. 10 1 […]). Der Eigen­tümer kann einem Drit­ten zwar die Voll­macht erteilen, die Eigen­tum­süber­tra­gung zur Ein­tra­gung im Grund­buch anzumelden (vgl. BGE 121 III 97 E. 4a S. 104). Da die Grund­buchan­mel­dung aber zugle­ich die materielle Ver­fü­gung über das dingliche Recht bedeutet, kann der Eigen­tümer einem Drit­ten nicht rechts­geschäftlich die Befug­nis ein­räu­men, in eigen­em Namen an sein­er Stelle über sein im Grund­buch einge­tra­genes Recht zu ver­fü­gen […].

Im Ergeb­nis beschränkt sich in casu die Aktivle­git­i­ma­tion auf die all­ge­meine Fest­stel­lungsklage mit dem Begehren, es sei festzustellen, dass die Beklagten ihr geset­zlich­es Vorkauf­s­recht am Miteigen­tum­san­teil des Grund­stücks nicht inner­halb der geset­zlichen Frist rechtswirk­sam aus­geübt haben (E.6).