4A_141/2011: BGer zementiert zwingende Natur von OR 404 I

Hin­ter­grund des vor­liegen­den Urteils war ein Entscheid des OGer LU, das die zwin­gende Natur von OR 404 I bei Auf­tragsver­hält­nis­sen ent­ge­gen der bun­des­gerichtlichen Recht­sprechung verneint hat­te, wenn die Parteien nicht in einem absoluten Ver­trauensver­hält­nis ste­hen (sog. “atyp­is­che” Aufträge; im konkreten Fall ein Unter­richtsver­trag). Das BGer verneint hier eine Rechts­frage grund­sät­zlich­er Bedeu­tung; es will auch in Zukun­ft an der zwin­gen­den Natur von OR 404 fes­thal­ten.

Das Urteil des OGer LU laut BGer:

Ein jed­erzeit­iges Auflö­sungsrecht wider­spreche den Ver­tragsvorstel­lun­gen der Parteien und sei auch aus wirtschaftlich­er Sicht frag­würdig. […] Beim ent­geltlichen Auf­trag gelte es aber die Kon­ti­nu­itätsin­ter­essen der Parteien zu berück­sichti­gen. Eine aus­ländis­che Stu­dentin könne und müsse objek­tiv betra­chtet nicht das Risiko auf sich nehmen, mit­ten in der Aus­bil­dung von der Schule ohne Angabe von Grün­den auf die Strasse gestellt zu wer­den. Eben­sowenig sei es für die Schule sin­nvoll, wenn eine Stu­dentin den Ver­trag während der Aus­bil­dung jed­erzeit und für die Schule fol­gen­los been­den kön­nte. Bei­de Seit­en hät­ten sich mit dem Ver­tragsab­schluss auf eine bes­timmte Dauer ein­gerichtet, was auf jeden Fall dem zwin­gen­den Charak­ter des Art. 404 Abs. 1 OR ent­ge­gen stehe. […]” 

Der Kom­men­tar des BGer:

Das Bun­des­gericht hat­te vor erst zwei Jahren im Urteil 4A_437/2008 […] zu prüfen, ob die Frage nach der zwin­gen­den Natur des jed­erzeit­i­gen Beendi­gungsrechts gemäss Art. 404 Abs. 1 OR eine Rechts­frage von grund­sät­zlich­er Bedeu­tung […] darstellt. Es […] kam zum Schluss, dass sich eine erneute Über­prü­fung der seit Jahrzehn­ten kon­stan­ten Prax­is nicht auf­dränge […]. Die Frage nach der Recht­snatur von Art. 404 Abs. 1 OR sei seit dem Grund­satzentscheid BGE 115 II 464 mehrfach aufge­wor­fen und eine erneute Über­prü­fung in Ken­nt­nis der abwe­ichen­den Lehrmei­n­un­gen stets als ent­behrlich betra­chtet wor­den. Das Bun­des­gericht habe bish­er an sein­er Prax­is fest­ge­hal­ten und ins­beson­dere erwogen, dass diese Prax­is zwar kri­tisiert werde, sich die Kri­tik­er aber keineswegs darüber einig seien, wie eine geän­derte Prax­is ausse­hen müsste (Urteil 4A_437/2008 […]).

Diese Erwä­gun­gen tre­f­fen nach wie vor zu. Das Bun­des­gericht hat die Frage nach der Recht­snatur von Art. 404 Abs. 1 OR beant­wortet und ein Bedürf­nis zur Über­prü­fung der klaren und kon­stan­ten Recht­sprechung zur zwin­gen­den Natur von Art. 404 OR beste­ht auch dann nicht, wenn diese von kan­tonalen Gericht­en im Einzelfall nicht befol­gt wer­den sollte. […].”