1B_273/2011: Entlassung aus der U‑Haft; Antrag auf aufschiebende Wirkung (amtl. Publ.)

Erneut beschäftigt sich das Bun­des­gericht in dem (für die amtliche Samm­lung vorge­se­henen) Urteil 1B_273/2011 vom 31. August 2011 mit der vorzeit­i­gen Ent­las­sung aus der Unter­suchung­shaft (siehe auch Urteile 1B_232/2011 vom 12. Juli 2011, 1B_258/2011 vom 24. Mai 2011 und 1B_64/2011 vom 17. Feb­ru­ar 2011). Es heisst die Beschw­erde ein­er Staat­san­waltschaft gut und kommt zu dem Schluss, dass die von ein­er Staat­san­waltschaft ein­gere­ichte Beschw­er­den gegen eine Haf­tent­las­sung eine auf­schiebende Wirkung hat.

Das Prob­lem liegt darin begrün­det, dass die neue StPO den Staat­san­waltschaften kein Recht ein­räumt, gegen Entschei­de über die Aufhe­bung der Unter­suchung­shaft vorzuge­hen. Erfol­gt eine Freilas­sung, obwohl ein Haft­grund beste­ht, hat die zuständi­ge Staat­san­waltschaft aber sehr wohl ein Inter­esse daran, die Ent­las­sung zumin­d­est vorüberge­hend abzuwenden.

Das Bun­des­gericht stimmt der beschw­erde­führen­den Staat­san­waltschaft grund­sät­zlich zu, dass es der Beschw­erde­in­stanz möglich sein muss, eine auf­schiebende Wirkung zu erteilen, weil andern­falls das Strafver­fahren andern­falls verzögert oder ver­hin­dert wer­den könne:

2.5 Eine von der Staat­san­waltschaft unmit­tel­bar nach Ken­nt­nis des Haf­tent­las­sungsentschei­ds, aber vor der tat­säch­lichen Ent­las­sung des Beschuldigten ein­gere­ichte Beschw­erde hat somit zur Folge, dass die Unter­suchung­shaft vor­läu­fig weit­erbeste­ht, bis die zuständi­ge Ver­fahrensleitung der Beschw­erde­in­stanz (super­pro­vi­sorisch) über weit­ere Mass­nah­men im Sinne von Art. 388 StPO entschei­den kann. Es han­delt sich dabei in der Regel um eine Ver­längerung der Haft um einige Stun­den, was im Inter­esse der Erre­ichung des Unter­suchungszwecks bei beste­hen­den Haft­grün­den und zur Gewährleis­tung eines wirk­samen Beschw­erderechts der Staat­san­waltschaft mit Art. 226 Abs. 5 StPO vere­in­bar erscheint. Da dieser Auf­schub der Freilas­sung zur Gewährleis­tung des vom Gesetz voraus­ge­set­zten wirk­samen Beschw­erderechts der Staat­san­waltschaft unab­d­ing­bar ist, ste­ht ihm auch Art. 387 StPO nicht ent­ge­gen. In diesem Sinne ist die genan­nte auf­schiebende Wirkung Teil des Beschw­erderechts der Staat­san­waltschaft. Sie ist zeitlich eng begren­zt bis die Ver­fahrensleitung der Beschw­erde­in­stanz in der Lage ist, über Mass­nah­men nach Art. 388 StPO zu entscheiden.

Wie der Ablauf eines solchen Beschw­erde­v­er­fahrens zur Gewährleis­tung des Beschw­erderechts der Staat­san­waltschaft zu erfol­gen hat, beschreibt das Bun­des­gericht folgendermassen:

2.4 […] Vor dem Hin­ter­grund des Anspruchs des Angeschuldigten auf unverzügliche Freilas­sung gemäss Art. 226 Abs. 5 StPO muss die Staat­san­waltschaft ihre Beschw­erde bei der Beschw­erde­in­stanz unmit­tel­bar nach Ken­nt­nis des Haf­tent­las­sungsentschei­ds ein­re­ichen und die notwendi­gen und unauf­schieb­baren ver­fahrenslei­t­en­den und vor­sor­glichen Mass­nah­men beantra­gen (Art. 388 StPO […]). Das Beschw­erderecht der Staat­san­waltschaft bein­hal­tet, dass die Unter­suchung­shaft nach dem Freilas­sungsentscheid des Zwangs­mass­nah­men­gerichts bis zur sofor­ti­gen Beschw­erdeer­he­bung durch die Staat­san­waltschaft bei der Beschw­erde­in­stanz fortbeste­ht. Nur auf diese Weise kann das in Art. 81 BGG i.V.m. Art. 111 BGG und Art. 222 StPO ver­ankerte Beschw­erderecht der Staat­san­waltschaft wirk­sam aus­geübt wer­den. Nach dem Ein­gang der Beschw­erde hat die zuständi­ge Ver­fahrensleitung der Beschw­erde­in­stanz die erforder­lichen Anord­nun­gen im Sinne von Art. 388 StPO zu erlassen. Solche Anord­nun­gen müssen aus Grün­den der Dringlichkeit meist ohne Anhörung der betrof­fe­nen Per­son als super­pro­vi­sorische Ver­fü­gung erge­hen. Sie sind anschliessend nach Gewährung des rechtlichen Gehörs zu bestäti­gen oder zu ändern […].

Siehe auch unseren Beitrag zu 1B_232/2011.