1B_440/2011: Verlängerung der Untersuchungshaft bei Ausführungsgefahr (amtl. Publ.)

Im Urteil 1B_440/2011 vom 23. Sep­tem­ber 2011 beschäftigt sich das Bun­des­gericht mit der Ver­längerung der Unter­suchung­shaft wegen Aus­führungs­ge­fahr gemäss Art. 221 Abs. 2 StPO. Der Beschw­erde­führer hat gegen die Ver­längerung sein­er Unter­suchung­shaft erfol­g­los gel­tend gemacht, es fehle an der Ausführungsgefahr.

Nach Art. 221 Abs. 2 StPO ist eine Unter­suchungs- und Sicher­heit­shaft zuläs­sig, wenn ern­sthaft zu befürcht­en ist, eine Per­son werde ihre Dro­hung, ein schw­eres Ver­brechen auszuführen, wahrmachen.

Zur Begrün­dung dieses Haft­grunds, wom­it eine Per­son an der Bege­hung straf­bar­er Hand­lun­gen gehin­dert wer­den soll, heisst es im Urteil:

2.2 […] Die rein hypo­thetis­che Möglichkeit der Verübung von Delik­ten sowie die Wahrschein­lichkeit, dass nur ger­ingfügige Straftat­en verübt wer­den, reichen allerd­ings nicht aus, um eine Präven­tivhaft zu begrün­den. Bei der Annahme, dass die beschuldigte Per­son eine schwere Straftat bege­hen kön­nte, ist nach der Recht­sprechung Zurück­hal­tung geboten. Erforder­lich ist eine sehr ungün­stige Rück­fall­prog­nose. Nicht Voraus­set­zung ist hinge­gen, dass die verdächtige Per­son bere­its konkrete Anstal­ten getrof­fen hat, um die befürchtete Tat zu vol­len­den. Vielmehr genügt es, wenn die Wahrschein­lichkeit ein­er Aus­führung auf­grund ein­er Gesamt­be­w­er­tung der per­sön­lichen Ver­hält­nisse sowie der Umstände als sehr hoch erscheint.

Bei schw­eren Ver­brechen treten weit­ere Umstände hinzu, die zu berück­sichti­gen sind:

2.2 […] Beson­ders bei dro­hen­den schw­eren Gewaltver­brechen ist dabei auch dem psy­chis­chen Zus­tand der verdächti­gen Per­son bzw. ihrer Unberechen­barkeit oder Aggres­siv­ität Rech­nung zu tra­gen. Daran ist grund­sät­zlich auch nach Inkraft­treten der Schweiz­erischen Straf­prozes­sor­d­nung festzuhal­ten, wobei nun­mehr Art. 221 Abs. 2 StPO aus­drück­lich ver­langt, dass die Ver­wirk­lichung eines “schw­eren Ver­brechens” dro­hen muss (BGE 137 IV 122 E. 5.2 S. 129 f. mit Hinweisen). 

Vor­liegend bestand der Ver­dacht ein­er ver­sucht­en vorsät­zlichen Tötung, wo die Haftvo­raus­set­zun­gen nicht son­der­lich streng sind:

2.2 […] Bei ein­er zu befürch­t­en­den vorsät­zlichen Tötung darf an die Annahme der Aus­führungs­ge­fahr kein allzu hoher Massstab angelegt wer­den. Anders zu entschei­den hiesse, das poten­zielle Opfer einem nicht ver­ant­wort­baren Risiko auszuset­zen (BGE 123 I 268 E. 2e S. 271).