4A_103/2011: Reichweite einer Schiedsabrede

Im Entscheid 4A_103/2011 vom 20. Sep­tem­ber 2011 befasste sich das Bun­des­gericht mit der Frage, ob das Tri­bunal Arbi­tral du Sport (“TAS”) zu Recht fol­gerte, dass die in einem Lizen­zver­trag enthal­tene Schied­sklausel auch Kaufverträge zwis­chen den Parteien umfassen würde.

Ein Boxver­band und ein Sportar­tikel­her­steller schlossen Ende 2005 einen Lizen­zver­trag ab, der fol­gende Schied­sklausel enthielt:

Should a dis­agree­ment over the inter­pre­ta­tion of any terms of this Agree­ment arise, the Par­ties agree to sub­mit the dis­pute to the Court of Arbi­tra­tion for Sport, Lau­sanne, Switzer­land, whose deci­sion shall be final and bind­ing on both Par­ties. While the pend­ing ques­tion is being arbi­trat­ed, the remain­der of this Agree­ment shall remain in effect.

Nach Kündi­gung des Lizen­zver­trages durch den Boxver­band leit­ete der Sportar­tikel­her­steller ein Schiedsver­fahren beim TAS ein. Der Sportar­tikel­her­steller machte dabei ausste­hende Kauf­preiszahlun­gen gel­tend. Der Boxver­band bestritt die Zuständigkeit des Schieds­gerichts mit dem Argu­ment, dass die Wen­dung “dis­agree­ment over the inter­pre­ta­tion of any terms of this Agree­ment” sich nur auf den Lizen­zver­trag und nicht auf Kaufverträge zwis­chen den Parteien beziehen würde. Das TAS fol­gte diesem Argu­ment nicht, son­dern legte die Schied­sklausel dahinge­hend aus, dass sie Stre­it­igkeit­en umfassen würde, die in Verbindung ste­hen wür­den zum Lizen­zver­trag (“any dis­pute relat­ed to the Licens­ing Agreement”).

Das Bun­des­gericht erk­lärte ein­lei­t­end, dass eine Schiedsabrede nicht leichthin angenom­men wer­den darf, sofern diese bestrit­ten wird. Ist die Schiedsabrede aber erstellt, sei deren Anwen­dungs­bere­ich bre­it auszule­gen (E.3.2.1):

La jurispru­dence pré­conise de ne pas admet­tre trop facile­ment qu’une con­ven­tion d’ar­bi­trage a été con­clue, si ce point est con­testé. Cepen­dant, une fois le principe de l’ar­bi­trage acquis, elle fait preuve de sou­p­lesse quant aux modal­ités de la procé­dure arbi­trale et à l’é­ten­due du lit­ige cou­vert par la con­ven­tion d’ar­bi­trage. Cette inter­pré­ta­tion large, con­forme aux principes d’u­til­ité et d’é­conomie de la procé­dure, ne saurait toute­fois impli­quer une pré­somp­tion en faveur de la com­pé­tence des arbi­tres (arrêt 4A_ 562/2009 du 27 jan­vi­er 2010 con­sid. 2.1 et les références).

Das Bun­des­gericht wandte sich daraufhin der Ausle­gung der Schied­sklausel durch das TAS zu (“any dis­pute relat­ed to the Licens­ing Agree­ment”) und erläuterte deren weit­en Anwen­dungs­bere­ich (E.3.2.2):

En soi, une telle for­mu­la­tion n’a rien de lim­i­tatif et inclut, notam­ment, les lit­iges ayant trait à l’ex­is­tence, à la valid­ité et à l’ex­tinc­tion des rap­ports con­tractuels issus de la con­ven­tion où fig­ure la clause com­pro­mis­soire ain­si libel­lée (arrêt 4A_210/2008, sus­men­tion­né, con­sid. 3.2 et l’ar­rêt cité), voire des ques­tions n’ayant qu’un rap­port indi­rect avec le dif­férend soumis à l’ar­bi­trage (arrêt 4A_220/2007 du 21 sep­tem­bre 2007 con­sid. 6.2). Plus générale­ment, il est admis que la portée d’une con­ven­tion d’ar­bi­trage de ce genre, insérée dans un con­trat, puisse s’é­ten­dre aux con­trats acces­soires ou annex­es (KAUFMANN-KOHLER/RIGOZZI, op. cit., n° 257 p. 138 in medio), à moins que ceux-ci ne con­ti­en­nent une clause de réso­lu­tion des lit­iges spé­ci­fique de con­tenu dif­férent (arrêt 4A_452/2007 du 29 févri­er 2008 con­sid. 2.5 et les auteurs cités).

Das Bun­des­gericht bemerk­te, dass der blosse Wort­laut der Schied­sklausel nahele­gen würde, dass nur der Lizen­zver­trag der Schiedsabrede unter­ste­hen solle. Eine solche Ausle­gung sei aber angesichts der konkreten Umstände zu eng. Die konkreten Umstände erblick­te das Bun­des­gericht mitunter darin, dass gemäss den Statuten des Boxver­bands das TAS für die Beurteilung von Stre­it­igkeit­en zuständig sein soll. Auch wenn die Statuten keine Anwen­dung find­en wür­den auf den vor­liegen­den Stre­it, so erscheine die Hal­tung des Boxver­ban­des doch als wider­sprüch­lich. Es sei auch kein objek­tiv­er Grund ersichtlich, weshalb der Stre­it vor einem staatlichen Gericht aus­ger­tra­gen wer­den soll und nicht vor dem TAS. Schliesslich bemerk­te das Bun­des­gericht, dass die Parteien eine über einen reinen Lizen­zver­trag hin­aus­ge­hende Abrede getrof­fen hät­ten, die in einem engen Zusam­men­hang stand mit den nach­fol­gen­den Kaufverträgen.

Auf­grund dieser Über­legun­gen stützte das Bun­des­gericht die Ausle­gung der Schiedsabrede durch das TAS und bestätigte dessen Zuständigkeit.