5A_37/2011: Eigen- und Errungenschaftsgut; güterrechtliche Zuordnung und Beweislast

Die Zuweisung von Ver­mö­genswerten zum Eigengut oder Errun­gen­schaftsgut im Rah­men der güter­rechtlichen Auseinan­der­set­zung ist Gegen­stand eines Urteils vom 1. Sep­tem­ber 2011 (5A_37/2011). Der Beschw­erde­führer stellte erfol­gre­ich den Antrag, die güter­rechtliche Forderung der Ehe­frau zu reduzieren, weil gewisse Ver­mö­genswerte seinem Eigengut zuzurech­nen sind und nicht, wie die Vorin­stanz annahm, sein­er Errun­gen­schaft. Das Bun­des­gericht heisst die Beschw­erde gut und set­zt den Betrag herab.

Der Beschw­erde­führer machte gel­tend, er habe bes­timmte Fond­san­teile mit Eigengutsmit­teln erwor­ben, weshalb diese Ver­mö­genswerte nicht in die güter­rechtliche Berech­nung ein­fliessen dürften. Das vorin­stan­zliche Urteil, das die Fond­san­teile berück­sichtigt hat­te, habe Art. 200 Abs. 3 ZGB ver­let­zt. Die Vorschrift stellt die geset­zliche Ver­mu­tung auf, dass alles Ver­mö­gen eines Ehe­gat­ten bis zum Beweis des Gegen­teils als Errun­gen­schaft gilt. Als Ver­mö­gen im Sinne dieser Bes­tim­mung gel­ten nicht nur dingliche Rechte, son­dern namentlich auch Forderun­gen und andere oblig­a­torische Rechte.

Art. 200 Abs. 3 ZGB regelt somit die Beweis­last bezüglich der güter­rechtlichen Qual­i­fika­tion eines bes­timmten Vermögenswertes:

3.2.1 […] Die Beweis­las­tregel kommt dann zur Anwen­dung, wenn zwar die Berech­ti­gung des Ehe­gat­ten an einem Ver­mö­gens­ge­gen­stand fest­ste­ht, jedoch stre­it­ig und unbe­wiesen ist, welch­er der bei­den Güter­massen der fragliche Ver­mö­genswert zuge­ord­net wer­den muss […]. Von der güter­rechtlichen Zuord­nung eines bes­timmten Ver­mö­gens­ge­gen­standes zu unter­schei­den ist die völ­lig anders gelagerte Frage, wer die Beweis­last dafür trägt, dass Mit­tel der einen Ver­mö­gens­masse zur Tilgung von Schulden bzw. zum Erwerb von Ver­mö­gens­ge­gen­stän­den der andern beige­tra­gen haben, so dass der­jeni­gen Güter­masse, die für die andere aufgekom­men ist, eine entsprechende Ersatz­forderung zuste­ht, die entwed­er auf den Nom­i­nal­w­ert beschränkt ist (Art. 209 Abs. 1 ZGB) oder darüber hin­aus auch Anteil am Mehr- oder Min­der­w­ert des fraglichen Ver­mö­gens­ge­gen­standes hat (Art. 209 Abs. 3 ZGB). […] Vielmehr gilt dies­bezüglich die all­ge­meine Beweis­regel von Art. 8 ZGB (vgl. BGE 131 III 559 E. 4.3 S. 565 mit Hin­weisen). Dieser Vorschrift zufolge hat der­jenige das Vorhan­den­sein ein­er behaupteten Tat­sache zu beweisen, der aus ihr Rechte ableitet.

Im Zusam­men­hang mit ein­er güter­rechtlichen Auseinan­der­set­zung ist zu beacht­en, dass Ehe­gat­ten die finanziellen Belange ihrer Gemein­schaft erfahrungs­gemäss nicht im Hin­blick auf eine kün­ftige güter­rechtliche Auseinan­der­set­zung organ­isieren. Es erscheint daher nicht ungewöhn­lich, wenn ein Ehe­gat­te ein Bankkon­to, das auf seinen eige­nen Namen lautet, sowohl mit Eigenguts- als auch mit Errun­gen­schaftsmit­teln speist. Entsprechend schwierig kann sich bei solchen Ver­hält­nis­sen der Nach­weis ein­er Ersatz­forderung der einen Güter­masse gegenüber der anderen gestal­ten. Denn oft­mals ste­ht nicht von vorn­here­in fest, ob der betr­e­f­fende Ehe­gat­te für den Erwerb eines bes­timmten Ver­mö­gens­ge­gen­standes oder für die Tilgung ein­er bes­timmten Schuld Mit­tel aus sein­er Errun­gen­schaft oder aus seinem Eigengut ver­wen­det hat. 

Trotz solch­er Ungewis­sheit­en kann ein Ehe­gat­te mit Blick auf die Berech­nung des Vorschlags nicht frei bes­tim­men, welch­er Güter­masse er eine bes­timmte Verpflich­tung belas­ten will:

3.2.1 […] Vielmehr sind nach der bun­des­gerichtlichen Recht­sprechung der Aufwand für den Unter­halt der Fam­i­lie, ein­schliesslich der Altersvor­sorge, sowie die Aus­la­gen zur Erzielung des Erwerb­seinkom­mens und die darauf las­ten­den Steuern von der Errun­gen­schaft zu tra­gen (BGE 135 III 337 E. 2 S. 341). Daraus fol­gt die natür­liche Ver­mu­tung, dass die Ehe­gat­ten zur Deck­ung der laufend­en Bedürfnisse der ehe­lichen Gemein­schaft nicht die Sub­stanz ihres Eigenguts angreifen, das ihnen im Zeit­punkt der Eheschlies­sung schon gehörte oder später durch Erb­schaft oder son­st wie unent­geltlich zuge­fall­en ist. Solche Eigengutsmit­tel bleiben nach dem gewöhn­lichen Lauf der Dinge und der all­ge­meinen Lebenser­fahrung grund­sät­zlich unange­tastet bzw. wer­den in erster Lin­ie für ausseror­dentliche Investi­tio­nen einge­set­zt. Freilich dient eine solche natür­liche Ver­mu­tung lediglich der Beweiser­le­ichterung. Sie hat keine Umkehr der Beweis­last zur Folge (BGE 123 III 241 E. 3a S. 243).

Allerd­ings regeln wed­er Art. 200 Abs. 3 ZGB noch Art. 209 Abs. 2 ZGB direkt die Frage, welch­er Masse eine getil­gte Schuld im Zweifel belastet wer­den muss, wenn ungewiss ist, ob zu ihrer Tilgung Mit­tel der Errun­gen­schaft oder des Eigenguts ver­wen­det wur­den, zum Beispiel weil der Ehe­gat­te den fraglichen Betrag aus einem Bankkon­to beglichen hat, das sowohl mit Eigengut als auch mit Errun­gen­schaft gespiesen wurde.

Hin­sichtlich der Frage, ob nun eine Zahlung im Einzelfall dem Eigengut oder dem Errungschaftsgut belastet wurde, ver­weist das Bun­des­gericht auf die Literatur:

3.3.1 […] Mit Bezug auf diese Stre­it­lage spricht sich die Lehre in Anlehnung an Art. 209 Abs. 2 ZGB für die Ver­mu­tung aus, dass eine Schuld als durch diejenige Güter­masse beglichen zu gel­ten habe, der sie auch zuge­ord­net wer­den müsste, wenn sie noch nicht getil­gt wor­den wäre. Daher recht­fer­tige es sich, Aus­la­gen, die für den Unter­halt der Fam­i­lie getätigt wur­den, der Errun­gen­schaft zu belas­ten, sofern nicht nachgewiesen ist, dass der Ehe­gat­te die Schuld aus dem Eigengut bezahlen wollte […]. Diese Lehrmei­n­ung har­moniert mit der zitierten Recht­sprechung und der natür­lichen Ver­mu­tung, wonach die Ehe­gat­ten ihr Eigengut nicht zur Deck­ung ihrer laufend­en Bedürfnisse ver­wen­den, son­dern unange­tastet lassen, länger­fristig investieren oder für ausseror­dentliche Aus­gaben beiseitelegen.