4A_563/2011: arbeitsrechtliche Aufhebungsvereinbarung vorliegend nicht gültig, da nicht eindeutig genug

Das BGer fasst die gel­tende Recht­sprechung zu den Anforderun­gen an den wirk­samen Abschluss von Aufhe­bungsvere­in­barun­gen zwis­chen Arbeit­ge­ber und Arbeit­nehmer zusam­men (es han­delt sich durchge­hend um Stan­dard­for­mulierun­gen, die prak­tisch gle­ich­lau­t­end namentlich im Urteil 4C.230/2005 ver­wen­det wurden):

Die ein­vernehm­liche Beendi­gung eines Arbeitsver­hält­niss­es bedarf kein­er beson­deren Form (Art. 115 OR). Sie kann grund­sät­zlich auch kon­klu­dent geschehen. Bei der Annahme kon­klu­dent geschlossen­er Aufhe­bungsverträge ist jedoch Zurück­hal­tung geboten (Urteile 4C.230/2005 vom 1. Sep­tem­ber 2005 E. 2 und 4C.27/2002 vom 19. April 2002 E. 2, in: SJ 2003 I S. 220, je mit Hin­weisen). Ein Aufhe­bungsver­trag hat für den Arbeit­nehmer ein­schnei­dende Fol­gen. Er lässt den Kündi­gungss­chutz ent­fall­en (vgl. Art. 336 ff. OR) und verkürzt den Anspruch auf Arbeit­slosen­geld (siehe Art. 30 Abs. 1 lit. a AVIG; Urteil 4C.230/2005 vom 1. Sep­tem­ber 2005 E. 2 mit weit­eren Hin­weisen). Liegt der ein­vernehm­lich fest­gelegte Endter­min vor dem Ende der Kündi­gungs­frist, so geht der Arbeit­nehmer mit dem Abschluss eines Aufhe­bungsver­trags zudem eines Teils seines Lohnanspruchs ver­lustig. Es wider­spricht der Lebenser­fahrung, dass der Arbeit­nehmer auf der­ar­tige Vorteile ohne Gegen­leis­tung verzichtet. Der Aufhe­bungsver­trag bedarf daher ein­er Recht­fer­ti­gung durch die Inter­essen des Arbeit­nehmers (Urteil 4C.230/2005 vom 1. Sep­tem­ber 2005 E. 2 mit weit­eren Hin­weisen). Es ist fol­glich stets zu prüfen, was der mut­massliche Verzicht des Arbeit­ge­bers für den Arbeit­nehmer tat­säch­lich bedeutet (Urteil 4C.37/2005 vom 17. Juni 2005 E. 2.2). Im Einzelfall hat eine Inter­essen­ab­wä­gung zu erfol­gen, wobei zu beurteilen ist, ob die bei­d­seit­i­gen Ansprüche, auf die verzichtet wird, von unge­fähr gle­ichem Wert sind (Urteil 4C.27/2002 vom 19. April 2002 E. 3, in: SJ 2003 I S. 220). Die Ver­mu­tung, dass der Arbeit­nehmer zu ein­er ein­vernehm­lichen Auflö­sung des Arbeitsver­hält­niss­es Hand bieten will, ist mithin nicht leichthin anzunehmen. Der Arbeit­ge­ber darf vielmehr den Schluss auf einen der­ar­ti­gen Ver­tragswillen des Arbeit­nehmers nach Treu und Glauben nur ziehen, wenn er sich aus dessen Ver­hal­ten unmissver­ständlich und zweifels­frei ergibt (BGE 102 Ia 417 E. 3c S. 417 f.; Urteil 4P.77/2005 vom 27. April 2005 E. 2.2 mit zahlre­ichen Hin­weisen). Ist ein übere­in­stim­mender Wille, das Arbeitsver­hält­nis zu been­den, erstellt, ist für die Gültigkeit ein­er solchen Vere­in­barung, soweit sie einen Verzicht auf Ansprüche aus zwin­gen­dem Recht bedeutet, zusät­zlich voraus­ge­set­zt, dass es sich beim Aufhe­bungsver­trag um einen echt­en Ver­gle­ich han­delt, bei welchem bei­de Parteien Konzes­sio­nen machen (BGE 118 II 58 E. 2b S. 61 mit Hin­weisen; Urteil 4A_103/2010 vom 16. März 2010 E. 2.2). Ein kon­klu­dent zum Aus­druck gebracht­es Ein­ver­ständ­nis des Arbeit­nehmers mit ein­er vom Arbeit­ge­ber aus­ge­sproch­enen Kündi­gung reicht nicht aus, denn der Aufhe­bungsver­trag geht über eine Auflö­sung durch Kündi­gung weit hin­aus (Urteil 4C.230/2005 vom 1. Sep­tem­ber 2005 E. 2 mit weit­eren Hin­weisen). Erst recht lässt sich aus dem Umstand allein, dass der Arbeit­nehmer auf die Kündi­gung des Arbeit­ge­bers nicht reagiert, keine Zus­tim­mung zu einem Aufhe­bungsver­trag ableit­en. Ein ein­seit­iges Dik­tat ohne sofor­ti­gen Wider­spruch stellt keine Eini­gung dar. Ist eine Arbeit­ge­berkündi­gung unwirk­sam und hat ihr der gekündigte Arbeit­nehmer nach Emp­fang nicht sogle­ich wider­sprochen, so kommt ihre Umdeu­tung in einen Antrag auf Abschluss eines Aufhe­bungsver­trags nur in den Aus­nah­me­fällen in Betra­cht, in denen für den Arbeit­nehmer auf Grund der Umstände ein­deutig erkennbar ist, dass der kündi­gende Arbeit­ge­ber bei Ken­nt­nis der Unwirk­samkeit sein­er Erk­lärung einen Aufhe­bungsver­trag gewollt hätte; zudem muss der Arbeit­ge­ber auf Grund des Ver­hal­tens des Arbeit­nehmers zweifels­frei darauf schliessen kön­nen, dass auch dieser sich aus dem Arbeitsver­hält­nis lösen will (Urteile 4C.230/2005 vom 1. Sep­tem­ber 2005 E. 2 mit weit­eren Hin­weisen und 4P.77/2005 vom 27. April 2005 E. 2.2).

Im konkreten Fall war erstellt, dass

  • die Arbeit­nehmerin “mit mas­siv­en Vorhal­tun­gen seit­ens ihrer Arbeit­ge­berin” kon­fron­tiert war und nur deshalb in eine sofor­tige Auflö­sung des Anstel­lungsver­hält­niss­es eingewil­ligt hatte;
  • die Arbeit­nehmerin sich der Fol­gen ihres Han­delns (v.a. des Ver­lustes des Kündi­gungss­chutzes und des Lohnanspruchs und der Verkürzung eines allfäl­li­gen Anspruchs auf Arbeit­slosentschädi­gung) nicht in allen Teilen bewusst gewe­sen war;
  • die Arbeit­nehmerin im Moment der Anschuldigun­gen über­fordert war und (nur) deshalb mit dem Vorge­hen ein­ver­standen war, das für sie keine Vorteile barg); 
  • dass dies der Arbeit­ge­berin hätte bewusst sein müssen; 
  • dass die Arbeit­ge­berin der Arbeit­nehmerin — wenn schon — eine genü­gende Über­legungs­frist zur Ver­fü­gung hätte stellen müssen;
  • dass die Arbeit­nehmerin nach Abschluss der Vere­in­barung zwar während sechs Wochen nicht wider­sprochen und nicht zur Arbeit erschienen war und dass die Arbeit­ge­berin von diesem pas­siv­en Ver­hal­ten abge­se­hen keine Hin­weise auf das Ein­ver­ständ­nis der Arbeit­nehmerin mit der Aufhe­bung hat­te, und dass sich die Arbeit­nehmerin deshalb pas­siv ver­hal­ten hat­te, weil sie davon aus­ge­gan­gen war, eine dro­hende frist­lose Ent­las­sung lediglich mit ein­er Ein­ver­ständ­nis­erk­lärung ihrer­seits abwen­den zu können.

Vor diesem Hin­ter­grund durfte (das BGer sagt sog­ar, trotz der stre­itwertbe­d­ingt auf Willkür beschränk­ten Kog­ni­tion: musste) das OGer LU willkür­frei schliessen, dass die im konkreten Fall geschlossene Aufhe­bungsvere­in­barung nicht gültig war.