Das Sekretariat der Wettbewerbskommission (Sekretariat) hat sich unlängst in einer Beratung nach Art. 23 Abs. 2 KG zum Thema der Importbehinderung durch eine Differenzierung von Einstandspreisen geäussert.
Der Beratung liegt folgender Sachverhalt zu Grunde:
Ein im EU-Raum ansässiges Grosshandelsunternehmen kauft bei den Herstellern bestimme Waren auf eigene Rechnung, um sie an seine Kunden in den verschiedenen EU-Ländern, aber auch in der Schweiz zu verkaufen. Die Kunden des Grosshandelsunternehmens sind Einzelhändler sowie andere Grosshandelsunternehmen, die ihrerseits wiederum Einzelhändler beliefern. Vor dem Hintergrund der Frankenstärke und einem generell höheren Preisniveau für die in Betracht stehenden Waren in der Schweiz hat das Grosshandelsunternehmen vermehrt Anfragen von Gross- und Einzelhändlern aus der Schweiz erhalten, da die Bezugsbedingungen für den Schweizer Gross- oder Einzelhandel bei einem Direktbezug von gewissen Herstellern schlechter sind als bei einem indirekten Bezug über das Grosshandelunternehmen.
Angesichts dessen haben bestimmte Hersteller vom Grosshandelsunternehmen “mit Nachdruck” verlangt, dass das Grosshandelsunternehmen
- auf Basis einer systematische Rabattdifferenzierung (mit Bezug auf das in der Schweiz höhere Preisniveau und empfohlene Endverkaufspreise der Hersteller) einen höheren Einstandspreis für Waren bezahlt, welche im Einzelhandel der Schweiz angeboten werden sollen, und
- die Hersteller jeweils “zu Abrechnungszwecken” darüber informiert, ob die bezogene Handelware in die Schweiz weiterverkauft wird.
Das Sekretariat beurteilte diese Forderungen wie folgt:
Zunächst liege keine direkte Behinderung von Parallelexporten in die Schweiz vor, die Rabattdifferenzierung führe aber zu einem indirekten Gebietsschutz im Sinne von Art. 5 Abs. 4 KG und sei grundsätzlich sanktionierbar:
Bei Umsetzung der genannten Forderungen hat das Grosshandelsunternehmen zwar immer noch die Möglichkeit, Händler in der Schweiz zu beliefern. Eine direkte Behinderung von Parallelexporten in die Schweiz findet somit nicht statt. Allerdings macht die beschriebene Rabattpolitik den Parallelhandel des Grosshandelsunternehmens unattraktiv und behindert damit auf indirektem Weg Passivverkäufe in die Schweiz. Laut Ziff. 10 Abs. 2 der Bekanntmachung der Wettbewerbskommission vom 28. Juni 2010 über die wettbewerbsrechtliche Behandlung vertikaler Abreden (Vertikalbekanntmachung, VertBek) umfasst Art. 5 Abs. 4 KG auch Abreden, welche indirekt zu einem absoluten Gebietsschutz führen. Somit wird der Tatbestand von Art. 5 Abs. 4 KG durch die Forderungen der Hersteller erfüllt, sofern das Grosshandelsunternehmen diese akzeptiert. In der Folge wären sowohl die fraglichen Hersteller wie auch das Grosshandelsunternehmen einer möglichen Sanktionierung nach Art. 49a Abs. 1 KG ausgesetzt.
Sodann begründe die Informationspflicht für sich alleine betrachtet zwar noch keine Abrede im Sinne von Art. 5 Abs. 4 KG. Eine solche Verpflichtung könne einem Hersteller aber die Durchsetzung eines absoluten Gebietsschutzes erleichtern:
Im Entscheid Gaba (RPW 2010/1, 80 Rz 130) führte die Wettbewerbskommission (WEKO) in einem ähnlichen Zusammenhang aus, dass die Pflicht, den Hersteller bei Exporten in ein bestimmtes Gebiet zu informieren, dem Hersteller die Möglichkeit gibt, auf die Exporte Einfluss zu nehmen und dadurch ein faktisches Verbot des Passivverkaufs durchzusetzen. Mit anderen Worten erachtete die WEKO eine solche Informationspflicht als grundsätzlich geeignet, Parallelimporte zu behindern, wobei die Informationspflicht für sich allein genommen noch keine Abrede im Sinne von Art. 5 Abs. 4 KG begründen kann. Hierzu bedarf es weiterer Hinweise für einen absoluten Gebietsschutz.
Sodann stellte sich das Sekretariat unter Verweis auf die jüngste Praxis der WEKO insbesondere in Sachen Nikon (N 487 ff.) und BMW (N 288 ff.) auf den Standpunkt, dass die geplante Preisdifferenzierung zu tendenziell höheren Preisen oder geringeren Preisreduktionen in der Schweiz führen könnte. Falls es sich bei den fraglichen Herstellern um Hersteller bekannter Markenprodukte mit nicht zu vernachlässigenden Marktanteilen handle, könne dies bei einer Umsetzung durchaus zu einer erheblichen Wettbewerbsbeschränkung führen.
Zusammenfassend heilt das Sekretariat fest, dass es die zu beurteilenden Forderungen der Hersteller als wettbewerbsrechtlich problematisch und potenziell sanktionsbedroht erachtet. Im Weiteren erwog das Sekretariat, dass der zu beurteilende Sachverhalt allenfalls auch unter dem Gesichtspunkt einer Preisabsprache nach den Art. 5 Abs. 4 sowie Art. 5 Abs. 3 KG hätte betrachtet werden können. Da eine vertikale Gebietsabschottung aber näher liege, würden diese Möglichkeiten nicht weiter erörtert.
Weitere Informationen: Beratung Importbehinderung (PDF).