Der Text der Medienmitteilung des Bundesgerichts zu diesem Urteil:
Persönlichkeitsverletzung durch Rassismusvorwurf
Wer sich ohne weitere Wertung gegen die Verbreitung des Islam in der Schweiz
äussert, ist kein Rassist. Das Bundesgericht urteilt daher, dass ein Politiker, der
wegen einer Äusserung dieses Inhalts des “verbalen Rassismus” bezichtigt
wurde, in seiner zivilrechtlich geschützten Persönlichkeit widerrechtlich verletzt
worden ist.An der Kundgebung für die Volksinitiative “Gegen den Bau von Minaretten” vom
5. November 2009 in Frauenfeld hielt Benjamin Kasper, Präsident der JSVP Thurgau,
eine Rede. Er führte unter anderem aus, “dass es an der Zeit ist, der Ausbreitung des
Islams Einhalt zu gebieten.” Die Schweizer Leitkultur, welcher das Christentum
zugrunde liegt, dürfe sich nicht von anderen Kulturen verdrängen lassen. Ein symbolisches
Zeichen wie das Minarettverbot sei daher ein Ausdruck für den Erhalt der
eigenen Identität.
Die GRA Stiftung gegen Rassismus und Antisemitismus verfasste auf ihrer im Internet
frei zugänglichen Website einen Bericht über die Veranstaltung. Die Rede von Benjamin
Kasper veröffentlichte sie unter der Rubrik und mit dem Kommentar “Verbaler
Rassismus”.
Auf Zivilklage von Benjamin Kasper hin entschied das Obergericht des Kantons
Thurgau, dass Benjamin Kasper durch die Bezeichnung des Textes als “verbaler
Rassismus” widerrechtlich in seiner Persönlichkeit verletzt wurde.
Die GRA Stiftung gegen Rassismus und Antisemitismus hat gegen die Verurteilung
wegen Persönlichkeitsverletzung eine Beschwerde in Zivilsachen beim Bundesgericht
eingereicht. Dieses weist die Beschwerde in seinem Urteil vom 29. August 2012 ab.
Denn das blosse Aufzeigen einer Verschiedenheit zwischen zwei Individuen oder
Gruppen stellt noch keinen Rassismus dar. Rassismus beginnt dort, wo der Unterschied
gleichzeitig eine Abwertung der Opfer bedeutet und das Hervorheben von Unterschieden letztlich nur ein Mittel ist, die Opfer negativ darzustellen und deren Würde zu
missachten. In seiner Rede hat Benjamin Kasper das Eigene (“Christentum”) dem
Fremden (“Islam”) gegenübergestellt, von diesem abgegrenzt und das Eigene als
schutz- und verteidigungswürdig bezeichnet. Daraus ergibt sich weder eine pauschale
Herabsetzung der Angehörigen des Islam noch eine grundsätzliche Geringschätzung
von Muslimen. Mit der Kommentierung der Äusserungen als “Verbaler Rassismus” hat
die GRA Stiftung gegen Rassismus und Antisemitismus die zivilrechtlich geschützte
Ehre von Benjamin Kasper widerrechtlich verletzt.