6B_130/2012: E‑Mails (mit oder ohne elektronische Signatur) sind Urkunden, und deren inhaltliche Abänderung ist Urkundenfälschung (amtl. Publ.)

E‑Mails stellen Urkun­den im Sinne von Art. 110 Abs. 4 StGB dar – und zwar unab­hängig davon, ob sie mit ein­er elek­tro­n­is­chen Sig­natur verse­hen sind oder nicht. Mit diesem Urteil für die amtliche Samm­lung (6B_130/2012) bestätigt das Bun­des­gericht den Entscheid der Vorin­stanz, die im Gegen­satz zur ersten Instanz eine Urkun­den­fälschung nach Art. 251 StGB darin erblickt hat­te, dass der Beschw­erde­führer mehrfach an ihn gerichtete E‑Mails von Drittper­so­n­en inhaltlich abgeän­dert und diese zu Beweiszweck­en an ver­schiedene Geschädigte weit­ergeleit­et hat­te, um von ihnen Dar­lehen zu erhalten.

Gemäss Art. 110 Abs. 4 StGB sind Urkun­den u.a. Schriften, die bes­timmt und geeignet sind, eine Tat­sache von rechtlich­er Bedeu­tung zu beweisen. Die Aufze­ich­nun­gen auf Bild- oder Daten­trägern ste­hen der Schrif­turkunde gle­ich, sofern sie dem­sel­ben Zweck dienen. Bei einem E‑Mail han­delt es sich um eine elek­tro­n­isch gespe­icherte Infor­ma­tion, welche als solche in codiert­er Form vor­liegt und nicht direkt les­bar ist.

Anerkan­nt ist, dass E‑Mails jeden­falls dann Urkun­den darstellen, wenn sie beim Empfänger aus­ge­druckt wer­den, d.h. wenn die Dat­en sicht­bar gemacht wer­den, sofern der Aussteller erkennbar ist. Gedruck­te Emails wer­den somit vom Tatbe­stand der Urkun­den­fälschung erfasst. Wie das Bun­des­gericht nun in sein­er aktuellen Recht­sprechung fes­thält, gilt dies auch für Emails, die noch nicht gedruckt wor­den sind und die keine Sig­natur enthalten.

5.4 […] Wie die Vorin­stanz zutr­e­f­fend annimmt, kommt aber auch dem noch nicht aus­ge­druck­ten E‑Mail grund­sät­zlich der Charak­ter ein­er (Computer-)Urkunde zu. Dabei erfüllt die Ver­fälschung eines E‑Mails ohne weit­eres den Tatbe­stand der Urkun­den­fälschung, soweit dieses nach der Manip­u­la­tion weit­er­versendet wird und seinen Adres­sat­en erre­icht. Der Täter set­zt dadurch einen Prozess in Gang, der die Spe­icherung der Datenurkunde zur Folge hat […]. Die Erkennbarkeit des Ausstellers ergibt sich hier in der Regel, wenn nicht schon aus der Absender­adresse […], jeden­falls aus dem Inhalt des E‑Mails. Dieses wird dem Empfänger auf seinem E‑Mail-Account zugestellt und gespe­ichert, auf welchen nur mit­tels Pass­wort zuge­grif­f­en wer­den kann. Hier­aus fol­gen Beständigkeit und Bewe­is­funk­tion der Erk­lärung. Bewei­seig­nung und ‑bes­tim­mung ergeben sich darüber hin­aus auch aus dem Umstand, dass E‑Mails im reg­ulären Geschäftsverkehr weit ver­bre­it­et sind […]. Die Auf­fas­sung, wonach nur eine elek­tro­n­is­che Sig­natur die Authen­tiz­ität des Absenders zu bestäti­gen ver­möge, beruht auf einem Missver­ständ­nis des Kri­teri­ums der Bewei­seig­nung, welche nicht mit Beweiskraft oder Beweis­di­en­lichkeit gle­ichge­set­zt wer­den darf […].