6B_491/2012: Einziehung und Ersatzforderung trotz Vergleich (amtl. Publ.)

Das Bun­des­gericht äussert sich im Urteil 6B_491/2012 vom 18. April 2013 (amtl. Publ.) zur Einziehung von Ver­mö­genswerten und zur staatlichen Ersatz­forderung für den Fall, dass der Geschädigte im Rah­men eines vor einem Gericht abgeschlosse­nen Ver­gle­ichs auf Schaden­er­satz bzw. Resti­tu­tion verzichtet.

Die Einziehung des durch die Straftat erlangten Ver­mö­genswerts kommt nur in Betra­cht, sofern er nicht dem Ver­let­zten zur Wieder­her­stel­lung des recht­mäs­si­gen Zus­tandes aus­ge­händigt wird:

5.3 […] Die Aushändi­gung an den Ver­let­zten gemäss Art. 70 Abs. 1 StGB hat somit Vor­rang vor der Einziehung (BGE 129 IV 322 E. 2.2.4).

Verzichtet der Geschädigte im Rah­men eines Ver­gle­ichs gän­zlich oder teil­weise auf Schaden­er­satz bzw. Resti­tu­tion, bleibt die schädi­gende Hand­lung gle­ich­wohl eine Straftat und ist der dadurch erlangte Ver­mö­genswert einzuziehen:

5.3 […] Ein Ver­gle­ich ste­ht der Einziehung somit nicht ent­ge­gen [Ver­weis auf a.A. in der Lehre]. Dabei ist es uner­he­blich, in welchem Ver­hält­nis die Ver­gle­ichssumme zum Schaden respek­tive zum Ver­mö­gensvorteil steht.

Das Bun­des­gericht begrün­det seine Ansicht damit, dass die Auss­chlussklausel im Sinne von Art. 70 Abs. 1 StGB nicht als ein Priv­i­leg des Täters ver­standen wer­den darf:

5.3 […] Der Schutzz­weck von Art. 70 Abs. 1 in fine StGB, wonach der durch die straf­bare Hand­lung erlangte Ver­mö­genswert dem Geschädigten in einem ein­fachen Ver­fahren aus­ge­händigt wird, der Täter aber nicht zweimal zahlen soll, kann den Abschöp­fungszweck von Art. 70 Abs. 1 StGB, wonach sich straf­bares Ver­hal­ten nicht lohnen darf, nicht aushe­beln. Der Geschädigte kann zwar darüber entschei­den, was er vom Täter oder vom Drit­ten, der von der Tat prof­i­tierte, her­ausver­lan­gen will. Er kann aber nicht darüber entschei­den, was der Täter oder der Dritte durch die Tat erlangt hat und behal­ten darf.

Zudem ist der durch ein Antrags­de­likt erlangte Ver­mö­genswert auch einzuziehen, wenn ein gültiger Strafantrag fehlt, weshalb eine Einziehung trotz Ver­gle­ich erfol­gen kann:

5.3. […] Durch den Ver­gle­ich wird zwar zwis­chen den Parteien der recht­mäs­sige Zus­tand wieder­hergestellt. Dies bedeutet aber nur, dass eine Aushändi­gung des durch die Straftat erlangten Ver­mö­genswerts an den Ver­let­zten im Sinne von Art. 70 Abs. 1 in fine StGB zur Wieder­her­stel­lung des recht­mäs­si­gen Zus­tandes nicht mehr zu erfol­gen hat. Daraus fol­gt nicht, dass die Einziehung auss­er Betra­cht fällt. Vielmehr muss der durch die Straftat erlangte Ver­mö­genswert einge­zo­gen wer­den, sofern und soweit er aus irgendwelchen Grün­den nicht gemäss Art. 70 Abs. 1 in fine StGB dem Ver­let­zten zur Wieder­her­stel­lung des recht­mäs­si­gen Zus­tandes aus­ge­händigt wird.

Einzuziehen ist aber, so das Bun­des­gericht, nur der durch die straf­bare Hand­lung erlangte Ver­mö­genswert unter Abzug bere­its erfol­gter Rückzahlungen:

5.3. […] Bei der Bes­tim­mung der Einziehungssumme respek­tive der staatlichen Ersatz­forderung ist allerd­ings zur Ver­mei­dung ein­er Dop­pel­be­las­tung des Einziehungs­be­trof­fe­nen (siehe dazu BGE 117 IV 107 E. 2a) die Summe abzuziehen, welche der Einziehungs­be­trof­fene in Erfül­lung des Ver­gle­ichs bezahlt hat.