Die Vermieterin hatte ein älteres Formular verwendet. In einem solchen Fall sind die Folgen, wie das BGer bereits früher festgehalten hat (BGE 137 III 547), nach dem Schutzzweck des Formularzwangs zu bestimmen. Das BGer hält in diesem Zusammenhang zunächst fest, dass das Verbot des überspitzten Formulismus im Mietrecht nicht anders anzuwenden ist als in anderen Gebieten. Sodann schreibt OR 266l keine Angaben über das Schlichtungverfahren nach neuer ZPO vor, so dass zwischenzeitliche Inkraftttreten der ZPO nicht zwingend die Verwendung des neuen Formulars verlangt.
Strittig war sodann, ob die Mieterin die Kündigung rechtzeitig angefochten hatte (OR 273). Die Vorinstanz war für die Zustellung der Kündigung von der “uneingeschränkten Empfangstheorie” ausgegangen (dazu BGE 137 III 208), wonach ein Einschreiben grundsätzlich als zugestellt gilt, wenn es der Adressat mit der im Briefkasten vorgefundenen
Abholungseinladung erstmals bei der
Poststelle abholen kann, d.h. i.d.R. am Tag nach dem Zugang der Abholungseinladung. Die uneingeschränkte Empfangstheorie kommt grds. zur Anwendung, wenn die Mitteilung eine materiell-rechtliche Frist auslöst:
[Le Tribunal Fédéral] a confirmé que, lorsqu’un délai de droit matériel court à partir de la communication d’une manifestation de volonté, il faut appliquer la théorie de la réception absolue
Nach der “eingeschränkten Empfangstheorie” gilt ein Einschreiben dagegen als erst dann als zustellt, wenn es der Adressat tatsächlich in Empfang nimmt oder, wenn er es nicht abholt, mit dem Ablauf der siebentägigen Abholfrist. Die eingeschränkte Empfangstheorie gilt im Mietrecht nur für die folgenden Erklärungen:
- Mitteilung einer Erhöhung des Mietzinses (OR 269d)
- Ansetzen einer Zahlungsfrist bei Zahlungsrückstand (OR 257d I)
In der Lehre wird verschiedentlich gefordert, die eingeschränkte Empfangstheorie auch auf die Mitteilung der Kündigung anzuwenden.
Das BGer bestätigt jedoch den Entscheid der Vorinstanz und hält ausdrücklich fest, dass für den Empfang der Kündigung und die Auslösung der Frist von OR 273 I die uneingeschränkte Empfangstheorie gilt:
Contrairement à ce que croit la recourante, le délai d’ouverture d’action de l’art. 273 al. 1 CO est bien, par nature, un délai de droit matériel fédéral, et non un délai procédural. Il est donc soumis à la théorie de la réception absolue. La recourante se réfère certes à plusieurs auteurs qui préconisent l’application de la théorie de la réception relative à d’autres cas encore, mais elle n’en tire aucune argumentation qui viendrait remettre en cause les motifs exposés par le Tribunal fédéral dans l’ATF 137 III 208. Il ne se justifie donc pas de soumettre la jurisprudence à un nouvel examen.