1C_893/2013, 1C_895/2013: Die geplante Revision des kommunalen Richtplans und des Nutzungsplans der Gemeinde Roggwil ist nicht mit den Anliegen des Natur- und Heimatschutzes zu vereinbaren

Im Urteil vom 1. Okto­ber 2014 beschäftigt sich das BGer mit der Zonen- und Richt­planän­derung “Rog­g­wiler­wiese” der poli­tis­chen Gemeinde Rog­g­wil im Kan­ton Thur­gau. Im Jahr 2010 beschloss die Gemein­de­v­er­samm­lung von Rog­g­wil eine Total­re­vi­sion ihrer Ort­s­pla­nung. Zum einen sollte der kom­mu­nale Richt­plan rev­i­diert wer­den (strate­gis­che Arbeit­szone, Lin­ien­führung ein­er neuen Verbindungsstrasse). Zum anderen sollte der Zonen­plan geän­dert wer­den (Zuweisung ein­er Parzelle zur Gewer­be­zone anstatt wie bish­er der Land­wirtschaft­szone). Gestützt auf ein Gutacht­en der Eid­genös­sis­chen Natur- und Heimatschutzkom­mis­sion zur Beein­träch­ti­gung des Bun­desin­ven­tars der schützenswerten Orts­bilder der Schweiz (ISOS) ver­weigerte das Departe­ment für Bau und Umwelt des Kan­tons Thur­gau (DBU) die Zonen- und Richt­planän­derung. Gegen diesen Entscheid gelangte die Gemeinde Rog­g­wil an das Ver­wal­tungs­gericht des Kan­tons Thur­gau, welch­es die Beschw­erde teil­weise abweist. Das BGer weist die dage­gen erhobene Beschw­erde eben­falls ab.

In Zen­trum des Entschei­ds ste­ht die Frage, ob das DBU der Gemeinde Rog­g­wil zu Recht unter­sagt hat, im Zonen­plan einen Teil ein­er Parzelle der Gewer­be­zone zuzuweisen und im kom­mu­nalen Richt­plan eine strate­gis­che Arbeit­szone vorzuse­hen. Gemäss BGer nenne Art. 15 RPG ver­schiedene Bedin­gun­gen, die erfüllt sein müssen, damit Land neu ein­er Bau­zone zugewiesen wer­den dürfe. Im Übri­gen gebe es auch ver­schiedene Gründe, die dafür sprächen, dass Land für eine Über­bau­ung ungeeignet sei. Dazu seinen unter anderem die Anliegen des Natur- und Heimatschutzes zu zählen. Sodann äussert sich das BGer zum ISOS:

Land kann für eine Über­bau­ung namentlich ungeeignet sein, wenn das betr­e­f­fende Gebi­et Auf­nahme in ein Inven­tar nach Art. 5 NHG gefun­den hat. Dazu gehört auch das ISOS […]. Durch die Auf­nahme eines Objek­tes von nationaler Bedeu­tung in das ISOS wird dar­ge­tan, dass es in beson­derem Masse die ungeschmälerte Erhal­tung, jeden­falls unter Ein­bezug von Wieder­her­stel­lungs- oder angemesse­nen Ersatz­mass­nah­men die grösst­mögliche Scho­nung ver­di­ent (Art. 6 Abs. 1 NHG). Ein Abwe­ichen von der ungeschmälerten Erhal­tung im Sinne der Inventare darf bei Erfül­lung ein­er Bun­de­sauf­gabe nur in Erwä­gung gezo­gen wer­den, wenn ihr bes­timmte gle­ich- oder höher­w­er­tige Inter­essen von eben­falls nationaler Bedeu­tung ent­ge­gen­ste­hen (Art. 6 Abs. 2 NHG). Auch bei der Erfül­lung von kan­tonalen (und kom­mu­nalen) Auf­gaben sind Bun­desin­ventare wie das ISOS von Bedeu­tung. Ihrer Natur nach kom­men sie Sach­plä­nen und Konzepten im Sinne von Art. 13 RPG gle­ich, die von den kan­tonalen (und kom­mu­nalen) Behör­den bei der Richt- und Nutzungs­pla­nung zu berück­sichti­gen sind. Die Pflicht zur Beach­tung find­et zum einen ihren Nieder­schlag in der Anwen­dung der die Schutzan­liegen umset­zen­den (Nutzungs-) Pla­nung. Zum anderen darin, dass im Einzelfall erforder­liche Inter­essen­ab­wä­gun­gen im Lichte der Natur- und Heimatschutzan­liegen vorgenom­men wer­den […] (E. 5.1).

Die ENHK führte in ihrem Gutacht­en aus, dass die geplante strate­gis­che Arbeit­szone zusam­men mit der geplanten Erweiterung der Gewer­be­zone prak­tisch die ganze Rog­g­wiler­wiese zur Über­bau­ung freigeben würde. Auch wenn Baut­en nur unter stren­gen Vorschriften errichtet wer­den kön­nten, würde die Rog­g­wiler­wiese ihre Bedeu­tung als Freiraum vor den bei­den im ISOS inven­tarisierten Her­ren­sitzen “Gross­er und Klein­er Hah­nen­berg” ver­lieren. Aus diesen Grün­den sei die geplante Ein­zo­nung als schwere Beein­träch­ti­gung des Orts­bildes von nationaler Bedeu­tung zu beurteilen und abzulehnen.


Das BGer kommt deshalb zum Schluss, dass die Vorin­stanz in Übere­in­stim­mung mit dem Gutacht­en der ENHK zu Recht angenom­men habe, dass die Anliegen des Natur- und Heimatschutzes an ein­er Frei­hal­tung des unüber­baut­en Gebi­ets der Rog­g­wiler­wiese schw­er­er wiegen wür­den als die ent­ge­gen­ste­hen­den Inter­essen an ein­er Zuweisung von Parzellen zu ein­er strate­gis­chen Arbeit­szone (kom­mu­naler Richt­plan) bzw. von Parzellen zur Gewer­be­zone (Nutzungs­plan).