Im Urteil vom 1. Oktober 2014 beschäftigt sich das BGer mit der Zonen- und Richtplanänderung “Roggwilerwiese” der politischen Gemeinde Roggwil im Kanton Thurgau. Im Jahr 2010 beschloss die Gemeindeversammlung von Roggwil eine Totalrevision ihrer Ortsplanung. Zum einen sollte der kommunale Richtplan revidiert werden (strategische Arbeitszone, Linienführung einer neuen Verbindungsstrasse). Zum anderen sollte der Zonenplan geändert werden (Zuweisung einer Parzelle zur Gewerbezone anstatt wie bisher der Landwirtschaftszone). Gestützt auf ein Gutachten der Eidgenössischen Natur- und Heimatschutzkommission zur Beeinträchtigung des Bundesinventars der schützenswerten Ortsbilder der Schweiz (ISOS) verweigerte das Departement für Bau und Umwelt des Kantons Thurgau (DBU) die Zonen- und Richtplanänderung. Gegen diesen Entscheid gelangte die Gemeinde Roggwil an das Verwaltungsgericht des Kantons Thurgau, welches die Beschwerde teilweise abweist. Das BGer weist die dagegen erhobene Beschwerde ebenfalls ab.
In Zentrum des Entscheids steht die Frage, ob das DBU der Gemeinde Roggwil zu Recht untersagt hat, im Zonenplan einen Teil einer Parzelle der Gewerbezone zuzuweisen und im kommunalen Richtplan eine strategische Arbeitszone vorzusehen. Gemäss BGer nenne Art. 15 RPG verschiedene Bedingungen, die erfüllt sein müssen, damit Land neu einer Bauzone zugewiesen werden dürfe. Im Übrigen gebe es auch verschiedene Gründe, die dafür sprächen, dass Land für eine Überbauung ungeeignet sei. Dazu seinen unter anderem die Anliegen des Natur- und Heimatschutzes zu zählen. Sodann äussert sich das BGer zum ISOS:
Land kann für eine Überbauung namentlich ungeeignet sein, wenn das betreffende Gebiet Aufnahme in ein Inventar nach Art. 5 NHG gefunden hat. Dazu gehört auch das ISOS […]. Durch die Aufnahme eines Objektes von nationaler Bedeutung in das ISOS wird dargetan, dass es in besonderem Masse die ungeschmälerte Erhaltung, jedenfalls unter Einbezug von Wiederherstellungs- oder angemessenen Ersatzmassnahmen die grösstmögliche Schonung verdient (Art. 6 Abs. 1 NHG). Ein Abweichen von der ungeschmälerten Erhaltung im Sinne der Inventare darf bei Erfüllung einer Bundesaufgabe nur in Erwägung gezogen werden, wenn ihr bestimmte gleich- oder höherwertige Interessen von ebenfalls nationaler Bedeutung entgegenstehen (Art. 6 Abs. 2 NHG). Auch bei der Erfüllung von kantonalen (und kommunalen) Aufgaben sind Bundesinventare wie das ISOS von Bedeutung. Ihrer Natur nach kommen sie Sachplänen und Konzepten im Sinne von Art. 13 RPG gleich, die von den kantonalen (und kommunalen) Behörden bei der Richt- und Nutzungsplanung zu berücksichtigen sind. Die Pflicht zur Beachtung findet zum einen ihren Niederschlag in der Anwendung der die Schutzanliegen umsetzenden (Nutzungs-) Planung. Zum anderen darin, dass im Einzelfall erforderliche Interessenabwägungen im Lichte der Natur- und Heimatschutzanliegen vorgenommen werden […] (E. 5.1).
Die ENHK führte in ihrem Gutachten aus, dass die geplante strategische Arbeitszone zusammen mit der geplanten Erweiterung der Gewerbezone praktisch die ganze Roggwilerwiese zur Überbauung freigeben würde. Auch wenn Bauten nur unter strengen Vorschriften errichtet werden könnten, würde die Roggwilerwiese ihre Bedeutung als Freiraum vor den beiden im ISOS inventarisierten Herrensitzen “Grosser und Kleiner Hahnenberg” verlieren. Aus diesen Gründen sei die geplante Einzonung als schwere Beeinträchtigung des Ortsbildes von nationaler Bedeutung zu beurteilen und abzulehnen.
Das BGer kommt deshalb zum Schluss, dass die Vorinstanz in Übereinstimmung mit dem Gutachten der ENHK zu Recht angenommen habe, dass die Anliegen des Natur- und Heimatschutzes an einer Freihaltung des unüberbauten Gebiets der Roggwilerwiese schwerer wiegen würden als die entgegenstehenden Interessen an einer Zuweisung von Parzellen zu einer strategischen Arbeitszone (kommunaler Richtplan) bzw. von Parzellen zur Gewerbezone (Nutzungsplan).