4A_351/2014: Grundsatz der Tarifeinheit; prägende Betriebstätigkeit

Ein Arbeit­nehmer machte eine Forderung gestützt auf den all­ge­mein­verbindlichen Gesam­tar­beitsver­trag des Aus­baugewerbes der Westschweiz gel­tend. Der beklagte Arbeit­ge­ber bestritt die Anwend­barkeit des Gesam­tar­beitsver­trages auf das Arbeitsver­hält­nis zwis­chen den Parteien. Das Arbeits­gericht und das Kan­ton­s­gericht Freiburg wiesen die Klage des Arbeit­nehmers jedoch ab. Das Bun­des­gericht wies die gegen den kan­ton­s­gerichtlichen Entscheid gerichtete Beschw­erde ab, soweit darauf einzutreten war (Urteil 4A_351/2014 vom 9. Sep­tem­ber 2014).

Der Arbeit­nehmer hat­te verge­blich gel­tend gemacht, für die Anwend­barkeit des GAV sei nicht danach zu unter­schei­den, ob Par­kette haupt­säch­lich oder nur neben­bei ver­legt wer­den. Gemäss Wort­laut sei der GAV auf sämtliche Arbeit­ge­ber anwend­bar, die Par­kette ver­legen wür­den. Da der Arbeit­nehmer als Nebenbeschäf­ti­gung auch Par­ket­tbö­den ver­lege, sei der GAV anwend­bar (E. 4.2).

Die fragliche Klausel im GAV lautete wie fol­gt (E. 5.1):

“Der vor­liegende Gesam­tar­beitsver­trag gilt für
sämtliche Arbeit­ge­ber, Betriebe und Betrieb­steile, die hauptsächlich
oder neben­bei fol­gende Arbeit­en ver­richt­en oder ver­richt­en lassen:
a)       Schreinerei, Möbelschreinerei und Zim­merei, eingeschlossen:
       — (…)
       — Her­stel­lung, Repa­ra­tion und/oder Restau­ra­tion von Möbeln;
       — Par­kettver­legung (Holz­bo­den­le­gen), als Nebentätigkeit;
       — (…)
(…)
c)       weit­ere Arbeit­en des Ausbaugewerbes:
 
       — Boden­beläge und Parkettverlegung
(…) ”

Das Bun­des­gericht erwog, bei einem Branchen- bzw. Indus­triev­er­trag wür­den die Arbeit­nehmer dem GAV unter­ste­hen, die in einem bes­timmten Wirtschaft­szweig tätig sind. Die Frage, welchem Wirtschaft­szweig ein Unternehmen zuzurech­nen sei, beant­worte sich nach der Art der Tätigkeit, die einem Betrieb oder einem selb­ständi­gen Betrieb­steil das Gepräge gebe. Nach dem Grund­satz der Tar­ifein­heit gelte der GAV jew­eils für den ganzen Betrieb, auch für berufs­fremde Arbeit­nehmer (vgl. zum Ganzen E. 5.3).

Im konkreten Fall bot der Arbeit­ge­ber unter ein­er Einzelfir­ma ver­schiedene Pro­duk­te im Bere­ich Innen­deko­ra­tion an, wovon die Boden­legerar­beit­en bzw. die Par­kettver­legung 35 % des gesamten Tätigkeits­bere­ichs aus­machte. Die übri­gen Arbeit­en im Bere­ich Innen­deko­ra­tion (Verkauf von Vorhän­gen, Bettwaren und der­gle­ichen sowie die Verarbeitung/Produktion von Vorhän­gen, Pol­sterun­gen und Liefer­ung dieser Pro­duk­te) gaben dem unecht­en Mis­ch­be­trieb das Gepräge. Der Par­kettver­legung kam nur eine unter­ge­ord­nete Bedeu­tung zu (vgl. zum Ganzen E. 5.5). Nach dem Grund­satz der Tar­ifein­heit fiel deshalb der Betrieb nicht in den Anwen­dungs­bere­ich von Art. 2 Abs. 1 Bst. c GAV. Das “branchen­fremde” Ver­legen von Par­ket­tbö­den war für die prä­gende Betrieb­stätigkeit bedeu­tungs­los (E. 5.6).