4A_65/2014: Anspruch auf mündliche Hauptverhandlung im vereinfachten Verfahren (amtl. Publ.)

Der Beschw­erde­führer schloss mit der Ver­sicherung B. AG zwei Taggeld­ver­sicherun­gen nach VVG für Unfall und Arbeit­sun­fähigkeit ab. Als die Ver­sicherung Abklärun­gen zu einem Schadensereig­nis traf, stellte sie fest, dass ihr in den Ver­sicherungsanträ­gen Gefahrstat­sachen ver­schwiegen wor­den waren. Sie erk­lärte darauf den Rück­tritt von bei­den Ver­sicherungsverträ­gen und forderte die bere­its erbracht­en Leis­tun­gen zurück.

Nach jahre­lan­gen Ver­suchen, die Ver­sicherung zu ein­er Zahlung zu bewe­gen, gelangte der Beschw­erde­führer, vertreten durch einen juris­tis­chen Laien, an das Ver­sicherungs­gericht des Kan­tons St. Gallen. Der Präsi­dent des Ver­sicherungs­gerichts wies die Klage wegen Ver­jährung der gestell­ten Forderun­gen ab. Dage­gen legte der Beschw­erde­führer mit mehreren Eingaben Beschw­erde in Zivil­sachen ein und ersuchte um Gewährung der unent­geltlichen Recht­spflege. Diese wurde ihm gewährt und eine Recht­san­wältin ver­fasste eine neue Beschwerdeschrift.

Das Bun­des­gericht hiess die Beschw­erde gut, da die Vorin­stanz den Anspruch des Beschw­erde­führers auf Abhal­tung ein­er mündlichen Ver­hand­lung ver­let­zt hat­te (Urteil 4A_65/2014 vom 1. Sep­tem­ber 2014, E. 3.3). Der Beschw­erde­führer rügte erfol­gre­ich, die Vorin­stanz habe im vere­in­facht­en Ver­fahren den Gehör­sanspruch ver­let­zt, indem sie nach Ein­re­ichung sein­er begrün­de­ten Klageschrift und Ein­gang der Klageant­wort in einem Schreiben mit­geteilt hat­te, es werde auf die Durch­führung eines zweit­en Schriften­wech­sels im Sinne von Art. 246 Abs. 2 ZPO verzicht­en und stattdessen direkt zur Beurteilung der Klage überge­hen. Eine mündliche Hauptver­hand­lung führte die Vorin­stanz nicht durch (E. 2).

Das Bun­des­gericht erwog im Wesentlichen, das Gericht dürfe im vere­in­facht­en Ver­fahren nicht von sich aus von der Abhal­tung ein­er Hauptver­hand­lung abse­hen. Gemäss Bun­des­gericht ist es grund­sät­zlich unzuläs­sig, einen Sachentscheid ohne Durch­führung ein­er Hauptver­hand­lung zu fällen, ohne dass die Parteien auf eine solche verzichtet haben. Falls ein Verzicht auf eine mündliche Hauptver­hand­lung über­haupt zuläs­sig sei, so dürfe ein solch­er nicht leichthin angenom­men wer­den. Die Vorin­stanz hat­te aber nur erk­lärt, sie lasse die Klageant­wort zur Ken­nt­nis­nahme zukom­men und halte es “aus jet­ziger Sicht nicht erforder­lich”, dass ein Schriften­wech­sel nach Art. 246 Abs. 2 ZPO durchge­führt werde. Damit hat­te die Vorin­stanz nicht über den grund­sät­zlichen Anspruch auf eine mündliche Ver­hand­lung informiert und den Beschw­erde­führer nicht aufge­fordert, er solle erk­lären, ob er auf eine Hauptver­hand­lung verzichte, andern­falls auf­grund der Akten entsch­ieden werde. Das Schweigen des Beschw­erde­führers kon­nte deshalb nicht als Verzicht­serk­lärung gedeutet wer­den (vgl. zum Ganzen E. 3.2).