8C_804/2013: Die Verweigerung der Entgegennahme einer Verfügung hat gestützt auf den Grundsatz von Treu und Glauben als erfolgte Zustellung zu gelten

Im Entscheid 8C_804/2014 beschäftigt sich das BGer mit den Modal­itäten der Zustel­lung ein­er Kündi­gungsver­fü­gung. A. (Beschw­erde­führerin) war Angestellte des Eid­genös­sis­chen Departe­ments für Vertei­di­gung, Bevölkerungss­chutz und Sport (VBS, Beschw­erdegeg­n­er). Nach krankheits­be­d­ingten Arbeit­sun­fähigkeit­en und nach mehreren erfol­glosen Bemühun­gen um eine andere Beschäf­ti­gung seit­ens des Arbeit­ge­bers zeigte dieser die Auflö­sung des Arbeitsver­hält­niss­es an, informierte A. via ihren Rechtsvertreter und gewährte ihr das rechtliche Gehör. Der Rechtsvertreter wies das VBS darauf hin, dass seine Kan­zlei nicht Adres­satin oder Zustel­lungsadresse für eine Ver­fü­gung betr­e­f­fend Auflö­sung des Arbeitsver­hält­niss­es sei. Mit Ver­fü­gung vom 27. Novem­ber 2012 wurde das Arbeitsver­hält­nis mit A. per 31. März 2013 aufgelöst. Auf die dage­gen erhobene Beschw­erde trat das VBS wegen Fristver­säum­niss­es nicht ein. Sowohl das Bun­desver­wal­tungs­gericht als auch das BGer stützen den Entscheid des VBS

Zunächst äussert sich das BGer zur Eröff­nung von Verfügungen:

Die Eröff­nung ein­er Ver­fü­gung ist — wie die Vorin­stanz dargelegt hat — eine emp­fangs­bedürftige, nicht aber eine annah­mebedürftige ein­seit­ige Recht­shand­lung; sie ent­fal­tet daher ihre Rechtswirkun­gen vom Zeit­punkt der ord­nungs­gemässen Zustel­lung an; ob die betrof­fene Per­son vom Ver­fü­gungsin­halt Ken­nt­nis nimmt oder nicht, hat keinen Ein­fluss. Mass­gebend ist, wann die Ver­fü­gung in den Macht­bere­ich der betr­e­f­fend­en Per­son gelangt, so dass sie diese zur Ken­nt­nis nehmen kann. Nicht erforder­lich ist die tat­säch­liche Emp­fangs- oder Ken­nt­nis­nahme […] (E. 2.3).

In der Regel wer­den Ver­fü­gun­gen durch postal­is­che Zustel­lung eröffnet, wobei eine ein­fache, nicht eingeschriebene Sendung dann als zugestellt gilt, wenn sie im Briefkas­ten oder Post­fach des Adres­sat­en ein­gelegt wird und damit in dessen Ver­fü­gungs­bere­ich gelangt ist […] (E. 2.4).

Sodann führt das BGer auf, welche Zustel­lun­gen bzw. Zustel­lungsver­suche bere­its erfol­gt sind:

  • Am Tag des Erlass­es der Ver­fü­gung wurde diese dem Rechtsvertreter der Beschw­erde­führerin per E‑Mail und Fax zugestellt.
  • Je ein Exem­plar der Ver­fü­gung wurde an die Beschw­erde­führerin und an den Rechtsvertreter per Post als Ein­schreiben mit Rückschein zugestellt (der Rechtsvertreter holte die Sendung am 3. Dezem­ber 2012 ab und die Beschw­erde­führerin am 4. Dezem­ber 3023).
  • Am 28. Novem­ber 2012 bracht­en zwei Mitar­bei­t­ende des Rechts­di­en­stes der Gruppe Vertei­di­gung sowie eine Mitar­bei­t­erin des Per­son­al­rechts­di­en­stes des Führungsstabs der Armee die Ver­fü­gung dem Rechtsvertreter per­sön­lich vor­bei, wobei dieser die Annahme ver­weigerte, da er nicht Ver­fü­gungsadres­sat sei.
  • Am 29. Novem­ber 2012 begaben sich ein Mitar­beit­er des Rechts­di­en­stes und zwei Mil­itär­polizis­ten zur Wohnadresse der Beschw­erde­führerin, um ihr die Ver­fü­gung und eine Begleit­no­tiz zu über­re­ichen. Da auf mehrma­liges Klin­geln an der Haustür keine Reak­tion erfol­gte, wurde das Schreiben in den Briefkas­ten von A. geworfen.

Schliesslich klärt das BGer die Frage, wann die 30-tägige Beschw­erde­frist i.S.v. Art. 50 Abs. 1 VwVG zu laufen begann. Die Beschw­erde­führerin bringt vor, dass die postal­is­che Sendung die Beschw­erde­frist aus­gelöst habe. Da eine ein­mal aus­gelöste Zustel­lung nicht gle­ichzeit­ig durch andere Eröff­nungswege konkur­ri­ert wer­den könne, habe sie nicht damit rech­nen müssen, dass das Ver­trauen mit ein­er Ablage der­sel­ben Ver­fü­gung in den Briefkas­ten getäuscht werde. Das BGer lässt diese Frage aber offen, da bere­its der am 28. Novem­ber 2012 an den Rechtsvertreter erfolge Zustel­lungsver­such als rechts­gültig und fris­taus­lösend zu gel­ten habe.

Die Zustel­lung ein­er Ver­fü­gung hat, sobald ein Vertre­tungsver­hält­nis gegeben ist, grund­sät­zlich an den Rechtsvertreter zu erfol­gen. Wohl kann eine Vertre­tungsvoll­macht — wie das Bun­desver­wal­tungs­gericht zu Recht fes­thält — beschränkt wer­den, doch kon­nte eine allfäl­lige Beschränkung der Voll­macht vor­liegend unter Berück­sich­ti­gung sämtlich­er Umstände einzig die Vere­it­elung der Zustel­lung der Kündi­gungsver­fü­gung zum Zweck haben (E. 5.3).

Ein solch­es Ver­hal­ten sei offen­sichtlich rechtsmiss­bräuch­lich und ver­di­ene keinen Rechtss­chutz. Die Ver­weigerung der Ent­ge­gen­nahme habe daher gestützt auf den Grund­satz von Treu und Glauben als erfol­gte Zustel­lung zu gelten.