EGMR 60101/09: Einstellungsverfügungen wegen Verjährungen dürfen in der Begründung keine Schuldigerklärung in der Sache enthalten

Dominique Strebel komm­ten­tiert auf seinem Blog das Urteil 60101/09 vom 28. Okto­ber 2014 (Pel­tereau-Vil­leneuve c. Suisse) des Europäis­chen Gericht­shofs für Men­schen­rechte (EGMR).

Mit dem Entscheid wird der Gen­er­al­staat­san­walt des Kan­tons Genf gerügt. Dieser hat­te ein Strafver­fahren wegen Ver­jährung eingestellt, aber den Beschuldigten in sein­er Begrün­dung trotz­dem in der Sache für schuldig erk­lärt. Es ging um einen katholis­chen Priester, dem sex­uelle Hand­lun­gen mit Abhängi­gen vorge­wor­fen wor­den waren.

Nach Ein­schätzung des EGMR ver­stösst der Wort­laut der ange­focht­e­nen Ein­stel­lungsver­fü­gung und die sich anschliessend darauf abstützen­den Gericht­sentschei­de gegen die Unschuldsver­mu­tung (Art. 6 Abs. 2 EMRK). Deshalb verurteilte der EGMR die Schweiz und spricht dem Beschw­erde­führer eine Entschädi­gung in Höhe von 12.000 Euro als Genug­tu­ung und von 15.000 Euro für Ver­fahren­skosten zu.

Das Faz­it von Strebel:

Dieser Entscheid ist juris­tisch zu begrüssen, hat aber Kon­se­quen­zen für Rechercheure in der Schweiz: Ein­stel­lungsver­fü­gun­gen wer­den in Zukun­ft wohl entschei­dende Infor­ma­tio­nen zu Strafer­mit­tlun­gen nicht mehr enthal­ten. Wichtige inves­tiga­tive Artikel wie zum Beispiel der Artikel im Biel­er Tag­blatt über den promi­nen­ten Geschäfts­mann und Lokalpoli­tik­er Theo Griner kön­nen in Zukun­ft nicht mehr geschrieben werden.