4A_190/2014: Schiedsgericht verstiess gegen das Willkürverbot, indem es eine Vertragskündigung aufgrund einer vorgängigen Vertragsverletzung als rechtsmissbräuchlich erachtete

Mit Entscheid 4A_190/2014 vom 19. Novem­ber 2014 hob das Bun­des­gericht einen Schiedsspruch wegen des Ver­stoss­es gegen das Willkürver­bot auf (Art. 393 lit. e ZPO).

Im Feb­ru­ar 2004 schlossen die Parteien A und B ein “Assign­ment Agree­ment” und ein “Agency Agree­ment” ab, die bei­de die Liefer­ung von Kupfer über die Partei C zum Gegen­stand hat­ten. Zwei Wochen später ver­längerte B ihre direk­ten Liefer­verträge mit C. Im Juni 2004 sprach B die Kündi­gung der Verträge mit A innert der ver­traglich vorge­se­henen Kündi­gungs­frist von 60 Tagen aus. Im April 2011 leit­ete A ein Schiedsver­fahren gegen B ein und klagte auf Zahlung von über USD 100 Mil­lio­nen.  Mit Schiedsspruch vom 19. Feb­ru­ar 2014 verurteilte das Schieds­gericht B zur Zahlung von Assign­ment und Agency Fees für die Monate März 2004 bis Dezem­ber 2008.

Das Schieds­gericht war der Auf­fas­sung, dass B mit der Ver­längerung der direk­ten Liefer­verträge mit C ihre Verträge mit A ver­let­zt habe. Darüber­hin­aus habe das ein­seit­ige Han­deln von B Sinn und Zweck der Verträge mit A in treuwidriger Weise vere­it­elt. Aus diesem Grund sei die Kündi­gung vom Juni 2004 nach dem Grund­satz von Treu und Glauben in ihrer Wirkung gehemmt (“estopped”) gewe­sen. Statt des 60-tägi­gen Kündi­gungsrechts griff das Schieds­gericht auf die Kündi­gungsregel des Ver­trags zurück, der durch das “Assign­ment Agree­ment” und “Agency Agree­ment” abgelöst wor­den sei. Der aufge­hobene Ver­trag sah eine feste Ver­trags­dauer von fünf Jahren vor.

Das Bun­des­gericht urteilte, dass diese Begrün­dung vor dem Ver­bot der willkür­lichen Recht­san­wen­dung nicht stand­hal­ten würde. Dem Schiedsspruch könne nicht ent­nom­men wer­den, inwiefern die Ausübung des Kündi­gungsrechts auf­grund des vorgängi­gen Ver­tragsver­stoss­es in eine der anerkan­nten Fall­grup­pen rechtsmiss­bräuch­lichen Ver­hal­tens fall­en solle. Es sei denn auch nicht ersichtlich, inwiefern eine Vertragsverletzung
zur Kon­se­quenz haben soll, dass der Ver­let­zer den ver­let­zten Vertrag
nicht mehr kündi­gen dürfe; dies selb­st dann, wenn mit der
Ver­tragsver­let­zung der Sinn und Zweck des Ver­trags in treuwidriger
Weise vere­it­elt wor­den sein sollte.
Ent­ge­gen der Auf­fas­sung von A liege in einer
Ver­tragsver­let­zung und ein­er anschliessenden Kündi­gung des Vertrages
gemäss den ver­traglich vorge­se­henen Bedin­gun­gen kein widersprüchliches
Ver­hal­ten; es erscheine im Gegen­teil vielmehr ger­ade als konsistent,
wenn eine Partei den Ver­trag, an den sie sich nicht hal­ten wolle,
ord­nungs­gemäss kündi­gen würde.

Das Bun­des­gericht erk­lärte weit­er, dass auch nicht nachvol­lziehbar sei, inwiefern die
Ver­tragsver­let­zung von B dazu Anlass geben soll, einen aufge­hobe­nen Ver­trag teil­weise wieder aufleben zu lassen, indem die dor­tige feste Ver­trags­dauer von 5 Jahren zur Anwendung
gelan­gen soll. Einige pauschale Hin­weise auf Treu und Glauben, wie sie
das Schieds­gericht anführe, ver­mö­gen die beliebige Her­anziehung einer
ver­trags­frem­den Regelung jeden­falls nicht zu recht­fer­ti­gen. B sei damit beizupflicht­en, dass
der ange­focht­ene Schiedsspruch sowohl in der Begrün­dung als auch im
Ergeb­nis willkür­lich sei.

Das Bun­des­gericht fol­gerte daraus, dass der ange­focht­ene Schiedsspruch gegen das Willkürver­bot (Art. 393 lit. e ZPO) ver­stossen würde. Die Beschw­erde von B wurde damit gut­ge­heis­sen und der ange­focht­ene Schiedsspruch aufge­hoben (Art. 395 Abs. 2 ZPO).