6B_718/2014: (Un-)Rechtmässigkeit von generell angeordneten Zwangsmassnahmen; keine DNA-Profile “auf Vorrat” (amtl. Publ.)

Die formelle und materielle Recht­mäs­sigkeit von Zwangs­mass­nah­men (erken­nungs­di­en­stliche Erfas­sung und Erstel­lung eines DNA-Pro­fils) ist Gegen­stand eines für die amtliche Samm­lung vorge­se­henen Urteils des Bun­des­gerichts.

Die Beschw­erde­führerin deponierte zusam­men mit drei weit­eren Per­so­n­en während ein­er Ver­anstal­tung an der Uni­ver­sität Bern Mist auf Tis­chen im Vor­tragsraum. Alle vier ver­weigerten in der polizeilichen Befra­gung die Aus­sage und stimmten ein­er erken­nungs­di­en­stlichen Behand­lung nicht zu. Der zuständi­ge Staat­san­walt ord­nete tele­fonisch die erken­nungs­di­en­stliche Erfas­sung an. Zudem ver­an­lasste die Kan­ton­spolizei die Ent­nahme ein­er DNA-Probe und die Erstel­lung von DNA-Pro­filen. Später bestätigte die Staat­san­waltschaft schriftlich die erken­nungs­di­en­stliche Erfassung.

Das Bun­des­gericht hält fest, dass sowohl die erken­nungs­di­en­stliche Erfas­sung als auch die Erstel­lung des DNA-Pro­fils im Hin­blick auf die Sachbeschädi­gung in zeitlich­er Hin­sicht nicht dringlich und auch nicht erforder­lich war. Die Zwangs­mass­nah­men lassen sich auch nicht mit anderen, möglicher­weise began­genen oder noch zu bege­hen­den Straftat­en begrün­den. Insoweit fehlt es hier bere­its an konkreten Anhalt­spunk­ten, die einen hin­re­ichen­den Tatver­dacht im Sinne von Art. 197 Abs. 1 lit. b StPO begrün­den könnten.

Fern­er rügt das Bun­des­gericht, dass die Erstel­lung des DNA-Pro­fils nicht durch die Polizei ange­ord­net wer­den durfte. Die zu Grunde liegende Weisung der Gen­er­al­staat­san­waltschaft, “bei nicht inva­siv­en Probeent­nah­men generell die Analyse der DNA-Proben zwecks Erstel­lung eines DNA-Pro­fils” vorzunehmen, ist in mehrerer Hin­sicht bun­desrechtswidrig. Denn Art. 255 StPO ermöglicht nicht bei jedem hin­re­ichen­den Tatver­dacht die rou­tinemäs­sige (inva­sive) Ent­nahme von DNA-Proben, geschweige denn deren generelle Analyse. Erforder­lich ist eine Prü­fung des jew­eili­gen Einzelfalls. Der Geset­zge­ber hat zudem eine Dif­feren­zierung von DNA-Ent­nahme und DNA-Pro­fil-Erstel­lung vorge­se­hen und die entsprechen­den Anord­nungskom­pe­ten­zen unter­schiedlich geregelt.

Schliesslich durfte die erken­nungs­di­en­stliche Erfas­sung man­gels Dringlichkeit nicht mündlich ange­ord­net wer­den (vgl. Art. 260 Abs. 3 StPO), wie das Bun­des­gericht weit­er fest­stellt. Abstrak­te Zweck­mäs­sigkeit­süber­legun­gen ver­mö­gen die für jeden Einzelfall zu prüfend­en geset­zlichen Voraus­set­zun­gen nicht zu erset­zen. Dass die sofor­tige Anord­nung und Durch­führung der Zwangs­mass­nah­men (auch) im Inter­esse der Beschw­erde­führerin gele­gen haben kön­nte, wie die Vorin­stanz sta­tu­iert, ist nicht nachvol­lziehbar, da sie diesen aus­drück­lich wider­sprochen hat und anschliessend mit allen möglichen Rechtsmit­teln dage­gen vorge­gan­gen ist.