9C_423/2014: Haftung des Arbeitgebers für entgangene Sozialversicherungsbeiträge; Verjährung (amtl. Publ.)

A. war Geschäfts­führer und einziges Mit­glied des Ver­wal­tungsrates der B. AG, über die am 29. Jan­u­ar 2007 der Konkurs eröffnet wurde. Das Konkursver­fahren wurde mit Ver­fü­gung vom 28. August 2012 für geschlossen erk­lärt und die Gesellschaft im Han­del­sreg­is­ter gelöscht. In der Folge verpflichtete die Aus­gle­ich­skasse des Kan­tons Aar­gau A. mit Ver­fü­gung vom 10. Feb­ru­ar 2013 zur Bezahlung von abgerun­det CHF 450’000 als Schaden­er­satz für ent­gan­gene Sozialver­sicherungs­beiträge gestützt auf Art. 52 AHVG und § 35 des aar­gauis­chen Geset­zes über Kinderzu­la­gen. Das Bun­des­gericht musste entschei­den, ob die Schaden­er­satz­forderung ver­jährt war (Urteil 9C_423/2014 vom 10. August 2015).

Nicht umstrit­ten war, dass die absolute Ver­jährungs­frist von fünf Jahren im Zeit­punkt des Schaden­sein­tritts zu laufen begann, als über die B. AG der Konkurs eröffnet wurde und deshalb die Sozialver­sicherungs­beiträge nicht mehr im ordentlichen Ver­fahren nach Art. 14 ff. AHVG erhoben wer­den kon­nten (E. 2 und 3). Das Bun­de­samt für Sozialver­sicherun­gen (BSV) machte jedoch gel­tend, die Aus­gle­ich­skasse habe mehrere ver­jährung­sun­ter­brechende Hand­lun­gen vorgenom­men (E. 3).

Das Bun­des­gericht verneinte eine Unter­brechung der Ver­jährungs­frist, da sich die gel­tend gemacht­en Hand­lun­gen der Aus­gle­ich­skasse alle­samt auf die Beitrags­forderung gegen die B. AG nach Art. 14 Abs. 1 AHVG und nicht auf die Schaden­er­satz­forderung gegen A. gestützt auf Art. 52 Abs. 2 AHVG bezo­gen (E. 4.1). Die Schaden­er­satz­forderung sei mit der Beitrags­forderung nicht iden­tisch und stelle eine eigen­ständi­ge Forderung dar, die auch in Bezug auf die Ver­jährung ein eigenes Schick­sal habe (E. 4.1 und 4.2). Die Aus­gle­ich­skasse dürfe deshalb während eines Konkursver­fahrens nicht ein­fach zuwarten, son­dern müsse zusät­zlich zur Konkur­seingabe betr­e­f­fend die Beitrags­forderung rechtzeit­ig auch noch eine Schaden­er­satzver­fü­gung gegen das haftpflichtige Organ der insol­ven­ten Arbeit­ge­berge­sellschaft unter Abtre­tung ein­er allfäl­li­gen Konkurs­div­i­dende erlassen (E. 4.2).