Ein Bankangestellter im Rang eines “Managing Directors” erzielte seit April 2006 ein fixes Grundeinkommen von CHF 300’000 pro Jahr. Zusätzlich erhielt er jeweils von der Bank einen Cash-Bonus und einen Aktienbonus. Die Gesamtvergütung betrug im Jahr 2007 CHF 1.85 Mio. und im Jahr 2008 CHF 2.05 Mio.
Im Dezember 2008 kündigte die Bank für den Cashbonus 2009 einen neuen Bonusplan an (“Cash Retention Award”). Der Bonusplan sah eine Rückzahlungsverpflichtung pro rata temporis vor, falls innerhalb von zwei Jahren ab dem 21. Januar 2009 bestimmte Ereignisse eintreten würden (“Clawback”). Am 21. Januar 2009 akzeptierte der Manager den neuen Plan, worauf der Bonus am 25. Februar 2009 ausbezahlt wurde.
Am 4. März 2009 kündigte der Manager das Arbeitsverhältnis per Ende Juni 2009, worauf er wenige Tage später freigestellt wurde. Die Bank machte gestützt auf den neuen Bonusplan geltend, die Kündigung stelle ein “Clawback Event” dar. Da der Arbeitnehmer den Aufforderungen zur Rückzahlung des Bonus nicht nachkam, zog die Bank den Betrag vom Mitarbeiterkonto ab. Der Manager leitete darauf hin Klage ein.
Die beiden kantonalen Instanzen (Cour civile du Tribunal cantonal vaudois; Cour d’appel civile du Tribunal cantonal vaudois) verurteilten jeweils die Bank zu Zahlungen. Das Bundesgericht hiess dagegen die Beschwerde der Bank gut und wies die Klage des ehemaligen Arbeitnehmers ab (Urteil 4A_653/2014 vom 11. August 2015).
Das Bundesgericht fasste seine bisherige Rechtsprechung zusammen (E. 4), wonach der Bonus bei sehr hohen Einkommen als Gratifikation und nicht als variabler Lohnbestandteil zu qualifizieren ist, sofern sich der Arbeitgeber ein Ermessen vorbehalten hat (E. 4.2.1 und 4.3.2). Wann ein sehr hohes Einkommen vorliegt, war vom Bundesgericht bislang nicht näher bestimmt worden (E. 5.2.1).
In einer ausführlichen Erwägung gelangte das Gericht nun zur Feststellung, dass ein sehr hohes Einkommen vorliegt, wenn die jährliche Gesamtvergütung (“rémunération totale”) das Fünffache des schweizerischen Medianlohns (Privatsektor) beträgt oder übersteigt (“équivaut ou dépasse”). In einem solchen Fall stelle der Bonus eine Gratifikation dar, die im Ermessen des Arbeitgebers steht (“une gratification, laquelle demeure au bon vouloir de l’employeur”; E. 5.4).
Das Bundesgericht präzisierte überdies, dass jeweils diejenigen Salärzahlungen für den Vergleich mit dem Medianlohn massgebend sind, die in einem Jahr an den Arbeitnehmer geleistet werden. Das massgebende Jahreseinkommen setzt sich demnach aus dem Grundgehalt und der Bonuszahlung in diesem Jahr zusammen, auch wenn der Bonus regelmässig auf den Geschäftszahlen aus dem Vorjahr beruht (E. 5.3.1).
Im konkreten Fall richtete die Bank im Jahr 2009 für eine sechsmonatige Vertragsdauer eine Gesamtvergütung von rund CHF 360’000 aus. Der fünffache Medianlohn für sechs Monate betrug demgegenüber nur CHF 177’000 (CHF 354’000 für das gesamte Jahr). Der Bonus war daher als Gratifikation zu qualifizieren, obwohl die Bonusleistungen im Vergleich zum Grundgehalt keinen akzessorischen Charakter mehr aufwiesen (E. 6).