1C_506/2014: Beim Ausführungsprojekt “N01/36 Anschluss Schlieren — Europabrücke / Umgestaltung und Lärmschutz Grünau” handelt es sich um eine wesentlich geänderte Anlage i.S.v. Art. 8 Abs. 2 LSV (amtl. Publ.)

Im Urteil vom 14. Okto­ber 2015 äusserte sich das BGer zu umwel­trechtlichen Fra­gen im Zusam­men­hang mit einem 1,5 km lan­gen Abschnitt der Nation­al­strasse N1. Im Jahr 2010 ersuchte das Bun­de­samt für Strassen (ASTRA) beim Eid­genös­sis­chen Departe­ment für Umwelt, Verkehr, Energie und Kom­mu­nika­tion (UVEK) um Erteilung der Plan­genehmi­gung für das Aus­führung­spro­jekt “N01/36 Anschluss Schlieren — Europabrücke / Umgestal­tung und Lärm­schutz Grü­nau” (Aus­führung­spro­jekt). Drei Jahre später erteilte das UVEK dem ASTRA die Plan­genehmi­gung. In der Folge führte die Stadt Zürich gegen die Erteilung der Plan­genehmi­gung erfol­gre­ich Beschw­erde beim Bun­desver­wal­tungs­gericht (BVGer). Die vom UVEK gegen diesen Entscheid erhobene Beschw­erde weist das BGer ab.

Stre­it­ig ist die lärm­rechtliche Beurteilung des Aus­führung­spro­jek­ts. Während sich ASTRA und UVEK auf den Stand­punkt stellen, dass von ein­er reinen Lärm­sanierung auszuge­hen sei, da die Lär­mim­mis­sio­nen nicht wahrnehm­bar zunäh­men, qual­i­fiziert das BVGer das Aus­führung­spro­jekt auf­grund der starken Verän­derung der beste­hen­den Bausub­stanz und der erhe­blichen Kosten als wesentliche Änderung, welche eine ver­schärfte Sanierungspflicht nach sich ziehe.

Zunächst äussert sich das BGer in einem the­o­retis­chen Teil über den Unter­schied zwis­chen unwesentlichen und wesentlichen Änderungen:

Unwesentliche Änderun­gen oder Erweiterun­gen lösen keine Sanierungspflicht für die beste­hen­den Anlageteile aus. Gemäss Art. 8 Abs. 1 LSV [Lärm­schutz-Verord­nung, SR 814.41] müssen nur die Lärme­mis­sio­nen der neuen oder geän­derten Anlageteile so weit begren­zt wer­den, als dies tech­nisch und betrieblich möglich sowie wirtschaftlich trag­bar ist. Für die Sanierung der beste­hen­den Anlageteile bleibt es daher bei den Vor­gaben von Art. 16 f. USG [Umweltschutzge­setz, SR 814.01] i.V.m. Art. 14 f. LSV (E. 3.3.1.).

Die Lär­mim­mis­sio­nen wesentlich geän­dert­er oder erweit­ert­er Anla­gen müssen die Immis­sion­s­gren­zw­erte ein­hal­ten und nicht — wie bei Neuan­la­gen gemäss Art. 25 Abs. 1 USG — die Pla­nungswerte. Wer­den jedoch Erle­ichterun­gen erteilt, müssen — wie bei Neubaut­en gemäss Art. 25 Abs. 3 USG — ab Über­schre­itung der Immis­sion­s­gren­zw­erte Schallschutz­mass­nah­men an beste­hen­den Baut­en ange­ord­net und vom Eigen­tümer der lär­mi­gen Anlage finanziert wer­den (Art. 8 Abs. 2 i.V.m. Art. 10 und 11 LSV) (E. 3.3.2.).

In einem weit­eren Schritt nimmt das BGer konkret Stel­lung zum Ausführungsprojekt:

Vor­liegend beschränkt sich das Aus­führung­spro­jekt nicht auf reine Unter­halt­sar­beit­en, son­dern es wird prak­tisch die gesamte oberirdis­che Bausub­stanz erset­zt. Sowohl von den baulichen Mass­nah­men als auch von den Kosten kommt das Pro­jekt einem Neu- bzw. Wieder­auf­bau nahe. Dadurch ver­längert sich die Lebens­dauer der Anlage bis 2063 und darüber hin­aus […] (E. 5.). 

Laut BGer habe das BVGer das Aus­führung­spro­jekt deshalb zu Recht als wesentliche Änderung i.S.v. Art. 8 Abs. 2 LSV qual­i­fiziert. Dies habe zur Folge, dass UVEK bzw. ASTRA die Eigen­tümer von Gebäu­den, an denen die Immis­sion­s­gren­zw­erte voraus­sichtlich nicht einge­hal­ten wer­den kön­nen, zum Ein­bau von Schallfen­stern verpflicht­en und die hier­durch anfal­l­en­den Kosten übernehmen müsse.