5A_619/2015: Anspruch auf Parteientschädigung für das kantonale Rechtsmittelverfahren bei der Anerkennung eines ausländischen Konkursdekrets (amtl. Publ.)

Im vor­liegen­den Fall befasste sich das Bun­des­gericht mit der Frage, wann ein Kan­ton einem Gesuch­steller eine Parteientschädi­gung zu bezahlen habe, wenn sich im Rechtsmit­telver­fahren her­ausstellt, dass der erstin­stan­zliche Entscheid falsch war.

Dem Urteil lag fol­gen­der Sachver­halt zugrunde: Der Beschw­erde­führer war Insol­ven­zver­wal­ter der B. B.V., Rot­ter­dam. Der Beschw­erde­führer hat­te beim Kan­ton­s­gericht Zug ein Begehren um Anerken­nung des aus­ländis­chen Konkurs­dekrets über die B. B.V. und die Eröff­nung des Konkurs­es über das in der Schweiz gele­gene Ver­mö­gen der B. B.V. im Sinne von Art. 170 ff. IPRG gestellt. Das Kan­ton­s­gericht hat­te das Gesuch jedoch abgewiesen, weil die Nieder­lande kein Gegen­recht hal­ten wür­den (Ver­fahren EK 2013 327). Dieser Entscheid wurde vom Oberg­ericht bestätigt (Ver­fahren BZ 2013 89). Das Bun­des­gericht hat­te jedoch eine dage­gen gerichtete Beschw­erde gut­ge­heis­sen und fest­stellt, dass die Nieder­lande Gegen­recht gewähren (Urteil 5A_248/2014), und die Sache zur weit­eren Behand­lung im Sinne dieser Fest­stel­lung an das Oberg­ericht zurück­gewiesen. Das Bun­des­gericht hat­te den Kan­ton Zug verpflichtet, den Beschw­erde­führer mit Fr. 4’000 für das bun­des­gerichtliche Ver­fahren zu entschädi­gen und hat­te die Neubes­tim­mung der kan­tonalen Kosten dem Oberg­ericht übertragen.

Das Oberg­ericht wies die Sache an das Kan­ton­s­gericht zur Neubeurteilung zurück und erhob hier­für keine Kosten. Das Kan­ton­s­gericht anerkan­nte zwar in der Folge das aus­ländis­ches Konkurs­dekret und eröffnete über das in der Schweiz gele­gene Ver­mö­gen der B. B.V. den Konkurs. Das Oberg­ericht sprach dem Beschw­erde­führer jedoch keine Parteientschädi­gung für das oberg­erichtliche Beschw­erde­v­er­fahren (BZ 2013 89) zu. 

Hierge­gen erhob der Beschw­erde­führer erneut Beschw­erde an das Bun­des­gericht und ver­langte die Zus­prechung ein­er angemesse­nen Parteientschädi­gung im Ver­fahren BZ 2013 89.

Das Bun­des­gericht set­zte sich zunächst mit den Regeln zur Verteilung der Prozesskosten gemäss Art. 106 ff. ZPO im All­ge­meinen auseinan­der (E. 3.1) und ver­wies auf seine bish­erige Recht­sprechung zur Auflage von Prozesskosten an Kan­tone, z.B. bei einem unzutr­e­f­fend­en Zuständigkeit­sentscheid, bei Rechtsverzögerungs­beschw­er­den, beim Stre­it um die Gewährung von unent­geltlich­er Recht­spflege usw. Bei let­zteren Ver­fahren werde im Rechtsmit­telver­fahren das Gericht bzw. die Erstin­stanz als Gegen­partei aufge­fasst (E. 3.2).

In der Folge (E. 3.3) erwog das Bun­des­gericht, dass das Ver­fahren auf Anerken­nung des aus­ländis­chen Konkurs­dekrets gemäss Art. 166 ff. IPRG vor dem Kan­ton­s­gericht als nicht­stre­it­iges Ein­parteien­ver­fahren durchge­führt wor­den sei. Vor Oberg­ericht habe dem Beschw­erde­führer keine eigentliche Gegen­partei gegenüber ges­tanden, son­dern bloss das Kan­ton­s­gericht in sein­er Funk­tion als Vorin­stanz. Die Kosten­verteilungsregeln von Art. 106 ff. ZPO seien auf diese Kon­stel­la­tion jedoch nicht zugeschnit­ten, son­dern vielmehr auf das für den Zivil­prozess typ­is­che, stre­it­ige Zweiparteienverfahren.

Deshalb griff das Bun­des­gericht auf Art. 66 BGG zurück, welch­er zwar vor­sieht, dass der öffentlichen Hand unter bes­timmten Voraus­set­zun­gen keine Gericht­skosten aufer­legt wer­den (Abs. 4), jedoch nicht von der Bezahlung ein­er Parteientschädi­gung befre­it (Art. 68 BGG). Die Kosten­regelun­gen von BGG und ZPO seien aber, soweit möglich, ein­heitlich auszule­gen. Daher sei im vor­liegen­den Fall grund­sät­zlich eine Parteientschädi­gung ange­bracht:

„[Zwar] trifft [es] zu, dass das Ver­fahren im Inter­esse und auf Antrag des Gesuch­stellers […] durchge­führt wird. Dies gilt grund­sät­zlich auch im Rechtsmit­tel­sta­di­um. Allerd­ings ist die Notwendigkeit, über­haupt ein Rechtsmit­tel zu ergreifen, auf den Entscheid der ersten Instanz zurück­zuführen. Heisst die Rechtsmit­telin­stanz das dage­gen gerichtete Rechtsmit­tel gut, so zeigt dies zugle­ich, dass die Umtriebe des Rechtsmit­telver­fahrens durch einen von Anfang an kor­rek­ten Entscheid hät­ten ver­mieden wer­den kön­nen. […] Dadurch gerät die Erstin­stanz in eine ähn­liche Stel­lung, wie sie eine Gegen­partei ein­nehmen würde […] Es erscheint deshalb ange­bracht, wenn der Kan­ton, in dessen Ver­ant­wor­tungs­bere­ich das erstin­stan­zliche Urteil fällt, sich an den Kosten des Rechtsmit­telver­fahrens beteiligt. Dies bedeutet vor­liegend, dass der Kan­ton […] dem Beschw­erde­führer für das oberg­erichtliche Ver­fahren BZ 2013 89 eine angemessene Parteientschädi­gung auszuricht­en hat.“ 

Vor­be­hal­ten bleibe jedoch Art. 116 ZPO.