Im zur amtlichen Publikation vorgesehenen Urteil vom 9. Mai 2016 befasste sich das BGer mit Rechtsanwalt C., welcher im vorinstanzlichen Verfahren als vom verstorbenen Rechtsanwalt D. als Willensvollstrecker eingesetzter Anwalt um Entbindung vom Anwaltsgeheimnis zur Durchsetzung einer aus dem anwaltlichen Nachlass stammenden Honorarforderung ersuchte. Die kantonale Aufsichtskommission über die Rechtsanwälte des Kantons Zug hiess das Gesuch von Rechtsanwalt C. gut. Dagegen gelangte Rechtsanwalt A., gegen welchen sich die Honorarforderung richtet, bis vor BGer, das die Beschwerde abweist.
Das BGer befasst sich zunächst mit der Frage, inwiefern die Identität des Schuldners der Honorarforderung und weitere Informationen im Zusammenhang mit dem inzwischen beendeten Mandatsverhältnis (zwischen Rechtsanwalt D. und Rechtsanwalt A.) dem Anwaltsgeheimnis unterstehen:
Setzt ein Anwalt zu Lebzeiten einen Berufskollegen testamentarisch als Willensvollstrecker in seinen Nachlass ein, ist mit der Annahme dieses Amtes implizit die Auflage verbunden, sämtliche in Ausübung dieses Amtes wahrgenommenen Informationen, die im Zusammenhang mit der anwaltlichen Tätigkeit […] des Erblassers stehen, Dritten gegenüber vertraulich zu behandeln, zumal der Erblasser ihm diese zu Lebzeiten vorbehältlich eines Rechtfertigungsgrundes nicht hätte anvertrauen können […]. Die Ausübung des Amtes als Willensvollstrecker im Nachlass eines Anwaltes ist, ausgeübt durch einen Anwalt, demzufolge auch als eine berufsspezifische anwaltliche Tätigkeit zu qualifizieren, weshalb sämtliche in Ausübung des Willensvollstreckeramtes wahrgenommenen Informationen, welche in Zusammenhang mit der anwaltlichen Tätigkeit des Erblassers stehen, vom Berufsgeheimnis des als Willensvollstrecker tätigen Anwalts (Art. 13 BGFA) erfasst werden (E. 3.3.2.).
Sodann prüft das BGer, ob Rechtsanwalt C. durch die Vorinstanz zu Recht vom Anwaltsgeheimnis entbunden worden ist:
Für die Interessenabwägung ist zu beachten, dass eine Anwältin oder ein Anwalt zwar regelmässig über ein schutzwürdiges Interesse an der Entbindung zwecks Eintreibung offener Honorarforderungen verfügt […]. Diesem Interesse steht grundsätzlich das institutionell begründete Interesse an der Wahrung der Vertraulichkeit […] wie auch, je nach Konstellation, das individual-rechtliche Interesse […] des Klienten auf Geheimhaltung der Mandatsbeziehung sowie sämtlicher, damit in Zusammenhang stehender Informationen entgegen, zumal Behörden und Gerichten eine eigentliche Anzeigepflicht obliegen kann (E. 4.3.3.).
Das BGer kommt zum Schluss, dass Rechtsanwalt C. im vorliegenden Fall über ein eigenes Interesse an der Entbindung vom Berufsgeheimnis verfüge, da er als Willensvollstrecker verpflichtet sei, in Ausübung seines Amtes sich im Nachlass befindliche offene Forderungen einzutreiben. Dass es sich nicht um eigene Honorarforderungen handle, sei irrelevant. Auf der anderen Seite habe Rechtsanwalt A. nicht ansatzweise geltend gemacht, dass einer Entbindung vom Berufsgeheimnis irgendwie geartete berechtigte Geheimhaltungsinteressen entgegenstehen würden, weshalb sich die Beschwerde als unbegründet erweise.