1C_844/2013: Tessiner Verfassungsinitiative zur Fusion von Locarno und Bellinzona mit umliegenden Gemeinden für ungültig erklärt (amtl. Publ.; ital.)

Im zur amtlichen Pub­lika­tion vorge­se­henen Urteil vom 3. Juni 2016 beschäftigte sich das BGer mit der Tessin­er Ver­fas­sungsini­tia­tive zur Fusion von Locarno mit 17 umliegen­den Gemein­den und Bellinzona mit 16 umliegen­den Gemein­den. Im Jahr 2012 wurde die von über 11’000 Stimm­bürg­ern unterze­ich­nete Ver­fas­sungsini­tia­tive “Avan­ti con le nuove cit­tà di Locarno e Bellinzona” ein­gere­icht. Nach­dem der Grosse Rat des Kan­tons Tessin die Ini­tia­tive für ungültig erk­lärte, gelangten die Ini­tianten an das BGer, welch­es die Beschw­erde abweist.

Das BGer stützt seinen Entscheid auf Art. 5 der Europäis­chen Char­ta der kom­mu­nalen Selb­stver­wal­tung (SR 0.102), welch­er der direkt betrof­fe­nen Gemein­de­bevölkerung einen Anspruch gibt, vor der Abstim­mung über die Ini­tia­tive ange­hört zu werden:

Bei jed­er Änderung kom­mu­naler Gebi­ets­gren­zen sind die betrof­fe­nen Gebi­et­skör­per­schaften vorher anzuhören, gegebe­nen­falls in Form ein­er Volksab­stim­mung, sofern dies geset­zlich zuläs­sig ist.

Die Tessin­er Ver­fas­sungsini­tia­tive sehe jedoch — so das BGer — eine vorgängige Anhörung der Bevölkerung der von der Fusion direkt betrof­fe­nen Gemein­den nicht vor. Im übri­gen beste­he im Kan­ton Tessin auch keine geset­zliche Grund­lage, auf welche ein entsprechen­des Anhörungsver­fahren gestützt wer­den könne. Dieses Manko könne aus zwei Grün­den auch nicht durch die Stim­mangabe der betrof­fe­nen Gemein­de­be­wohn­er anlässlich der Abstim­mung über die Ini­tia­tive sel­ber behoben wer­den. Erstens wäre die Anhörung in diesem Fall nicht vorgängig der ver­langten Gemein­de­fu­sion erfol­gt. Zweit­ens wäre dabei nicht nur die Mei­n­ung der direkt betrof­fe­nen Gemein­de­bevölkerung zum Aus­druck gekom­men, son­dern diejenige der ganzen Kantonsbevölkerung.

Siehe auch die Medi­en­mit­teilung des BGer vom 3. Juni 2016.