1C_526/2015, 1C_528/2015: Überleitung Lugnez gefährdet Auen von nationaler Bedeutung — BGer weist Sache an Vorinstanz zurück zur Anordnung notwendiger Massnahmen (amtl. Publ.)

Im zur amtlichen Pub­lika­tion vorge­se­henen Urteil vom 12. Okto­ber 2016 nahm das BGer Stel­lung zum Konzes­sion­s­ge­such “Über­leitung Lugnez” der Kraftwerke Zervreila AG (KWZ). Das Konzes­sion­spro­jekt “Über­leitung Lugnez” umfasst fünf neue Wasser­fas­sun­gen im oberen Lugnez und würde zu ein­er zusät­zlichen Strompro­duk­tion von jährlich rund 80 GWh führen. Im Jahr 2013 genehmigte der Regierungsrat des Kan­tons Graubün­den die Wasser­rechtsver­lei­hung an die KWZ. Der WWF und weit­ere Umweltver­bände zogen den Entscheid bis vor BGer, welch­es das Urteil des Vorin­stanz aufhebt und die Sache zur neuen Entschei­dung an den Regierungsrat zurückweist.

Im Zen­trum des Urteils ste­ht die Frage, ob eine Erhöhung der Rest­wasser­men­gen erforder­lich ist, um die Glen­ner­auen und ihre Lebens­ge­mein­schaften zu erhal­ten. Das BGer hält vor­ab fest, dass die Rest­wasser­menge so festzule­gen sei, dass die Glen­ner­auen und deren Lebens­ge­mein­schaften ungeschmälert erhal­ten wür­den. Aus­nah­men seien nur aus über­wiegen­den Inter­essen von nationaler Bedeu­tung und unter Anord­nung von Schutz‑, Wieder­her­stel­lungs- und Ersatz­mass­nah­men zuläs­sig. Sodann nimmt das BGer Bezug auf die vom WWF und den weit­eren Umweltver­bän­den ein­gere­icht­en Pri­vatgutacht­en. Diese seien prozes­su­al als Parteibehaup­tung zu würdi­gen, kön­nten aber Zweifel an Gerichtsgutacht­en oder an der Voll­ständigkeit ein­er Umweltverträglichkeit­sprü­fung ergeben und damit die Notwendigkeit zusät­zlich­er Abklärun­gen begrün­den. Genau dies sei vor­liegend der Fall:

Zusam­men­fassend weck­en die Parteigutacht­en erhe­bliche Zweifel an den Schlussfol­gerun­gen der Vorin­stanzen, wonach im Ist- und im Pro­jek­tzu­s­tand von einem wenig verän­derten Zus­tand auszuge­hen sei, und ins­beson­dere Grösse und Häu­figkeit der Hochwass­er genügten, um die für den Auen­er­halt notwendi­gen bet­tbilden­den Abflüsse und Geschiebe­be­we­gun­gen sicherzustellen. Vielmehr liegen konkrete Anhalt­spunk­te dafür vor, dass die Auen Inslas und Pra­da Gron­da, die nach Ein­schätzung des BAFU von nationaler Bedeu­tung sind, schon heute durch den Kraftwerks­be­trieb der Beschw­erdegeg­ner­in stark beein­trächtigt sind. In dieser Sit­u­a­tion darf der Zus­tand dieser Auen nicht durch weit­ere Wasser­ent­nah­men ver­schlechtert wer­den […]. Es wird Auf­gabe der zuständi­gen kan­tonalen Instanzen sein, die hier­für erforder­lichen Abklärun­gen vorzunehmen und die notwendi­gen Mass­nah­men anzuord­nen (E. 6.7.). 

In Bezug auf die von den Beschw­erde­führerin­nen einge­holten Pri­vatgutacht­en sagt das BGer, dass diese für die Infragestel­lung der vom kan­tonalen Amt für Natur und Umwelt gemacht­en Beurteilun­gen notwendig gewe­sen und die Kosten deshalb der Beschw­erdegeg­ner­in aufzuer­legen seien. Schliesslich hält das BGer fest, dass die den Beschw­erde­führerin­nen von der Vorin­stanz aufer­legten Gericht­skosten von Fr. 26’663.– und die Parteientschädi­gung von Fr. 25’000.– pro­hibitiv wirk­ten und die Ausübung des Ver­bands­beschw­erderechts über­mäs­sig erschw­erten. Die Vorin­stanz hätte basierend auf der Aarhus-Kon­ven­tion (SR 0.814.0) berück­sichti­gen müssen, dass ein öffentlich­es Inter­esse an der Beschw­erde­führung zur Durch­set­zung des Umwel­trechts bestehe.