4A_242/2016: Vorgängige Zuständigkeitsvereinbarungen bzgl. Wahlrecht gemäss Art. 6 Abs. 3 ZPO unzulässig; Rechtsnatur der Stockwerkeigentümergemeinschaft; Parteibezeichnungen (amtl. Publ.)

Die A. AG (Beklagte, Beschw­erde­führerin) verpflichtete sich mit Totalun­ternehmerver­trag gegenüber der R. AG zur Pla­nung, Erstel­lung und Über­gabe von Woh­nun­gen auf drei Grund­stück­en. Im Totalun­ternehmerver­trag war fest­ge­hal­ten, in erster Instanz sei auss­chliesslich das Han­dels­gericht des Kan­tons Zürich zuständig.

Die R. AG begrün­dete an den drei Grund­stück­en Stock­w­erkeigen­tum und verkaufte die Stock­w­erkein­heit­en. In den Kaufverträ­gen trat die R. AG ihre Män­gel­rechte und Garantieansprüche gegen die Beklagte an die Käufer­schaft ab, wobei aber die Garantieansprüche bezüglich der gemein­schaftlichen Teile an die Stock­w­erkeigen­tümerge­mein­schaft erfol­gte (Urteil 4A_242/2016 vom 5. Okto­ber 2016, E. 3.5).

Später wur­den Män­gel an den Fas­saden aller drei Häuser gerügt, die auch durch Nachbesserungsar­beit­en nicht behoben wor­den seien. Beim Bezirks­gericht Zürich wurde Klage ein­gere­icht. In der Klageschrift waren als “Kläger­schaft” die “Stock­w­erkeigen­tümer­schaften U., V.” und anschliessend siebzehn natür­liche Per­so­n­en mit Vor- und Nach­na­men beze­ich­net. Das Bezirks­gericht Zürich trat auf die Klage nicht ein, da das Han­dels­gericht sach­lich zuständig sei. Der Beschluss führte als “Klägerin” die “Stock­w­erkeigen­tümerge­mein­schaft U., V.” auf.

Die kla­gende Partei reichte darauf unter der­sel­ben Parteibeze­ich­nung wie in der ersten Klageschrift eine Klage beim Han­dels­gericht des Kan­tons Zürich ein und erhob ander­er­seits Beru­fung gegen den Beschluss des Bezirks­gerichts Zürich, mit dem auf die erste Klage nicht einge­treten wor­den war.

Das Han­dels­gericht Zürich trat auf die Klage nicht ein, weil es das Bezirks­gericht Zürich als sach­lich zuständig erachtete. Das Oberg­ericht änderte sein Rubrum und nan­nte anstelle der “Stock­w­erkeigen­tümerge­mein­schaft U., V.” die einzel­nen Stock­w­erkeigen­tümer. Es hiess die Beru­fung gut und erkan­nte, dass das Bezirks­gericht Zürich für die Klage sach­lich zuständig sei.

Die Beklagte erhob Beschw­erde ans Bun­des­gericht und beantragte, das Urteil des Oberg­erichts Zürich sei kosten­fäl­lig aufzuheben. Das Bun­des­gericht wies die Beschw­erde ab.

Das Bun­des­gericht hat­te zu entschei­den, ob mit dem oberg­erichtlichen Entscheid gegen Art. 6 Abs. 3 ZPO ver­stossen wor­den war (E. 2.3). Nach dieser Vorschrift ste­ht der kla­gen­den Partei die Wahl zwis­chen dem Han­dels­gericht und dem ordentlichen Gericht zu, wenn nur die Beklagte im Han­del­sreg­is­ter oder in einem ver­gle­ich­baren aus­ländis­chen Reg­is­ter einge­tra­gen ist und die übri­gen Voraus­set­zun­gen für ein Ver­fahren vor Han­dels­gericht erfüllt sind.

Das Bun­des­gericht verneinte eine Ver­let­zung von Art. 6 Abs. 3 ZPO und hielt im Wesentlichen fest, dass das Wahlrecht ein­seit­ig sei. Das Wahlrecht beste­he nur für die kla­gende Partei, die nicht im Han­del­sreg­is­ter einge­tra­gen ist. Eine vorgängige Zuständigkeitsvere­in­barung sei nicht zuläs­sig, da son­st die kla­gende Partei, die nicht im Han­dels­gericht einge­tra­gen ist, ihres Vorteils wieder beraubt wer­den kön­nte, den ihr der Geset­zge­ber ein­räu­men wollte. Dies werde im vor­liegen­den Fall beson­ders deut­lich, da die Zuständigkeitsvere­in­barung nicht ein­mal sel­ber von der kla­gen­den Partei vere­in­bart wor­den sei, son­dern zwis­chen der Beklagten und der R. AG. Im Übri­gen seien ins­beson­dere auch die Gerichtsstände für Kla­gen aus Kon­sumenten­verträ­gen teilzwin­gend (Art. 32 und 35 Abs. 1 lit. a ZPO). Gemäss Bun­des­gericht sei somit eine vorgängige Vere­in­barung über die sach­liche Zuständigkeit auch im Anwen­dungs­bere­ich von Art. 6 Abs. 3 ZPO unzuläs­sig (zum Ganzen E. 2.4).

Weit­er stellte das Bun­des­gericht fest, dass zur Iden­ti­fika­tion ein­er Stock­w­erkeigen­tümerge­mein­schaft regelmäs­sig die Angabe ihres Namens und ihrer Adresse genü­gen, auch wenn vielfach deren Name und die For­mulierung “beste­hend aus […]” ver­wen­det wird, um die Gemein­schaft durch Bekan­nt­gabe ihrer Mit­glieder noch näher zu umschreiben (E. 3.5). Für natür­liche Per­so­n­en genü­gen gemäss Bun­des­gericht regelmäs­sig die Angabe von Namen, Vor­name und Adresse (E. 3.4).

Im vor­liegen­den Fall schadete der kla­gen­den Partei nicht, dass sie sich als “Stock­w­erkeigen­tümer­schaft” und nicht als Stock­w­erkeigen­tümergemeinschaft beze­ich­nete, obwohl im Gesetz nur der zweite Begriff Ver­wen­dung find­et. Da keine Gefahr ein­er Ver­wech­slung bestand, kon­nte die unklare Parteibeze­ich­nung von Amtes wegen berichtigt wer­den (E. 3.5).

Weit­er musste entsch­ieden wer­den, ob die kla­gende Stock­w­erkeigen­tümerge­mein­schaft partei- und prozess­fähig war. Das Bun­des­gericht bejahte die Partei- und Prozess­fähigkeit der Stock­w­erkeigen­tümerge­mein­schaft und ges­tand ihr das Wahlrecht nach Art. 6 Abs. 3 ZPO zu, da sie nicht im Han­del­sreg­is­ter einge­tra­gen war (E. 4 und 5).

Das Bun­des­gericht erkan­nte ins­beson­dere, dass die Stock­w­erkeigen­tümerge­mein­schaft in gewiss­er Hin­sicht verselb­ständigt ist, obwohl ihr keine Rechtsper­sön­lichkeit zukommt. Sie ist namentlich im Rah­men ihrer Ver­wal­tungstätigkeit zivil­rechtlich hand­lungs­fähig und kann prozes­su­al und voll­streck­ungsrechtlich unter ihrem Namen kla­gen und Betrei­bun­gen ein­leit­en sowie beklagt und betrieben wer­den. Ihr Gemein­schaftsver­mö­gen ist als Son­derver­mö­gen im Rechtsverkehr verselb­ständigt, obwohl es im Miteigen­tum der einzel­nen Stock­w­erkeigen­tümer ste­ht. Nicht zum Son­derver­mö­gen gehört allerd­ings die Liegen­schaft, da sie nicht der Ver­wal­tung dient. Will die Stock­w­erkeigen­tümerge­mein­schaft in eigen­em Namen kla­gen, ist neb­st der prozes­su­al erforder­lichen Prozess­fähigkeit in materieller Hin­sicht ihre Sach- bzw. Aktivle­git­i­ma­tion erforder­lich, d.h. ihre Recht­szuständigkeit für den betr­e­f­fend­en Stre­it­ge­gen­stand (vgl. zum Ganzen E. 5).

Da die kan­tonalen Gerichte die Frage, inwieweit der Stock­w­erkeigen­tümerge­mein­schaft vor­liegend die Partei- und Prozess­fähigkeit zukommt, nicht beurteilt hat­ten, war die Sache ans Bezirks­gericht zurück­zuweisen. Somit blieb es beim oberg­erichtlichen Rück­weisungsentscheid, weshalb die Beschw­erde abzuweisen war (zum Ganzen E. 5).