4A_131/2016: Patentverletzung durch Nachahmung; Auslegung des Patents

In der vor­liegen­den paten­trechtlichen Stre­it­igkeit hat­te das BGer die Frage zu beant­worten, ob ein Patent für ein Ven­tol (ein Flu­id­s­teuer­ven­til, das den Flüs­sigkeits­durch­fluss in die eine Rich­tung zulässt und einen Gas­durch­fluss in der ent­ge­genge­set­zten Rich­tung ver­hin­dert) ver­let­zt wor­den war.

Eine Patentver­let­zung beste­ht in der wider­rechtlichen Benützung der paten­tierten Erfind­ung; was aber der aus­drück­lichen Vorschrift von PatG 66 lit. a zufolge auch die Nachah­mung ein­schliesst. Nach bun­des­gerichtlich­er Recht­sprechung liegt eine Nachah­mung vor, wenn der patent­gemässe Erfolg im Wis­sen um die paten­tierte Lehre in abwe­ichen­der oder abge­wan­del­ter Form ver­wirk­licht wird.

Das Bun­despatent­gericht hat dafür im Urteil S2013_001 vom 21. März 2013 Kri­te­rien entwick­elt, die das BGer nun im vor­liegen­den Urteil bestätigt. Eine Nachah­mung liegt demzu­folge vor, wenn kumu­la­tiv Gle­ich­wirkung, Auffind­barkeit und Gle­ich­w­er­tigkeit vorliegen:

  1. Gle­ich­wirkung: die erset­zten Merk­male erfüllen die objek­tiv gle­iche Funktion; 
  2. Auffind­barkeit: die erset­zten Merk­male wer­den dem Fach­mann nahe gelegt; 
  3. Gle­ich­w­er­tigkeit: der Fach­mann hätte bei Ori­en­tierung am Anspruchswort­laut im Lichte der Beschrei­bung die erset­zten Merk­male als gle­ich­w­er­tige Lösung in Betra­cht gezogen.

Das BGer äussert sich fern­er zur Bes­tim­mung des Schutzbere­ichs (Ausle­gung) eines Patents:

4.2.1. Nach Art. 51 Abs. 2 PatG bzw. Art. 69 Abs. 1 Satz 1
EPÜ 2000 bes­tim­men die Paten­tansprüche den sach­lichen Geltungsbereich
des Patents. Dem­nach ist der Anspruchswort­laut Aus­gangspunkt jed­er Ausle­gung. Die Beschrei­bung und die Zeich­nun­gen sind jedoch zur Ausle­gung
der Paten­tansprüche her­anzuziehen (Art. 51 Abs. 3 PatG bzw. Art. 69
Abs. 1 Satz 2 EPÜ 2000). Das all­ge­meine Fach­wis­sen ist als sog. liq­uider Stand der Technik
eben­falls Ausle­gungsmit­tel […]. Die in den Patentansprüchen
umschriebe­nen tech­nis­chen Anleitun­gen sind dabei so auszule­gen, wie der
Fach­mann sie versteht […]. 

Im vor­liegen­den Fall war das Urteil der Vorin­stanz, des Bun­despatent­gerichts, insofern zu kor­rigieren, als sich diese bei der Beurteilung der Gle­ich­w­er­tigkeit nicht am Anspruchswort­laut, son­dern an Beschrei­bung und Zeich­nung ori­en­tiert hat. Let­ztere ver­mit­teln zwar die direk­te tech­nis­che Anleitung zur Aus­führung der Erfind­ung, defineren aber nicht den Schutzbere­ich für abge­wan­delte Ausführungen.