1B_26/2016: Beweisverwertungsverbot im Verfahren gegen Prof. Ritzmann bestätigt; Verletzung von StPO 197 bei der Erhebung von Email- und Telefondaten

Im Zusam­men­hang mit der “Affäre Mörgeli” hat­ten mehrere Zeitun­gen Artikel veröf­fentlicht, die mut­masslich geheime, uni­ver­sitätsin­terne Infor­ma­tio­nen ver­wen­de­ten. Die Uni­ver­sität Zürich (UZH) hat­te daher Strafanzeige wegen Amts­ge­heimnisver­let­zung gegen unbekan­nt gestellt. In der Folge über­prüfte die UZH auf Ersuchen der zuständi­gen Staat­san­waltschaft I des Kan­tons Zürich alle uni­ver­sitären Tele­fo­nan­schlüsse und Email-Adressen von ihren Mitar­beit­ern und Stu­den­ten rück­wirk­end auf Kon­tak­te mit Anschlüsse und Email-Adressen von Jour­nal­is­ten bzw. Zeitun­gen und über­gab der Staat­san­waltschaft die ermit­tel­ten Kon­tak­t­dat­en. Die Staat­san­waltschaft führte darauf eine Stra­fun­ter­suchung gegen Iris Ritz­mann und deren Ehemann.

Das BezGer ZH sprach Prof. Ritz­mann vom Vor­wurf der Ver­let­zung des Amts­ge­heimniss­es frei, weil die wesentlichen Beweis­mit­tel, auf welche sich die Anklage stütze, nicht ver­w­ert­bar seien. Das OGer ZH bestätigte diese Auf­fas­sung, wie jet­zt auch das BGer.

Die Ober­staat­san­waltschaft argu­men­tierte, die Staat­san­waltschaft habe die rel­e­van­ten Dat­en nicht kraft hoheitlich­er Ver­fü­gungs­ge­walt erhal­ten Die Unver­sität habe diese Dat­en zwar auf ihre Anre­gung hin, aber let­ztlich frei­willig herausgegeben.

Das BGer weist dieses Argu­ment zurück:

  • Zwar hätte die Staat­san­waltschaft die UZH nicht hoheitlich zur Her­aus­gabe der Dat­en auf­fordern kön­nen. Auch eine Beschlagnahme wäre nicht in Frage gekom­men. Bei Ver­weigerung der Her­aus­gabe hätte vielmehr die kan­tonale Beschw­erde­in­stanz entschei­den müssen. Die Staat­san­waltschaft habe aber auch nicht darauf hingewiesen, dass die Her­aus­gabe u.U. hätte ver­weigert wer­den können 
  • Die UZH und das Hochschu­lamt haben die Dat­en dem­nach nicht aus eigen­er Ini­tia­tive aus­gew­ertet und über­mit­telt, son­dern auf Auf­forderung der Staat­san­waltschaft und nach deren Vor­gaben. Die betr­e­f­fend­en Dat­en seien daher als von der Staat­san­waltschaft erhobene Beweise zu betra­cht­en.

Sodann seien die Grund­sätze rechtsstaatlichen Han­dels ver­let­zt worden:

  • BV 13 schützt die Ver­traulichkeit auch der Kom­mu­nika­tion per Tele­fon und Email. Vor­liegend griff die Date­nauswer­tung in dieses Recht ein, insb. weil die betrof­fe­nen Per­so­n­en Tele­fon und Email auch pri­vat nutzen und sich auf die Ver­traulichkeit der Kom­mu­nika­tion ver­lassen durften.
  • Die Date­nauswer­tung ist daher eine Zwangs­mass­nahme i.S.v. StPO 196, die nach StPO 197 nur unter bes­timmten Umstän­den zuläs­sig ist, ins­beson­dere nur im öffentlichen Inter­esse, bei hin­re­ichen­dem Tatver­dacht, bei geset­zlich­er Grund­lage und auf ver­hält­nis­mäs­sige Weise. 
  • Ein hin­re­ichen­der Tatver­dacht fehlte aber, weil  die Tathand­lung zum Zeit­punkt der Daten­er­he­bung noch kein­er konkreten Per­son zuge­ord­net wer­den konnte. 
  • Zudem war die Mass­nahme unver­hält­nis­mäs­sig. Es wur­den über Monate alle ange­fal­l­enen Tele­fon- und Email-Kon­tak­t­dat­en von allen Ange­höri­gen der UZH durch­sucht. Daraus resul­tierte eine grosse Anzahl Tre­f­fer. Für diese Per­so­n­en war die Erhe­bung der Fer­n­melde­dat­en mit einem “nicht unbe­deu­ten­den Grun­drecht­se­in­griff” ver­bun­den. Für die Staat­san­waltschaft war sodann vorausse­hbar, dass die meis­ten dieser Per­so­n­en nicht beschuldigte Per­so­n­en sein wer­den, auch weil die Durch­suchung nicht auf Kon­tak­te mit einzel­nen Jour­nal­is­ten beschränkt war, son­dern teil­weise ganze Zeitungsver­lage miteinbezog. 

Im Ergeb­nis bestätigte das BGer daher das Beweisver­w­er­tungsver­bot und wies die Beschw­erde ab.