Im vorliegenden, zur amtlichen Publikation vorgesehenen Urteil befasste sich das Bundesgericht mit der Frage, ob die Verfahrenskosten gestützt auf Art. 418 Abs. 3 StPO ausschliesslich einem Dritten auferlegt werden können.
Bei der Reparatur eines Baukrans durch die X. SA kam es aufgrund einer Probeladung zum Umsturz desselben, welcher für die beiden die sich in der Führerkabine des Krans befindenden Mitarbeiter C. und D. der X. SA tödlich bzw. mit schweren Verletzung endete. Die Staatsanwaltschaft des Kantons Waadt eröffnete ein Verfahren wegen fahrlässiger Tötung bzw. fahrlässiger schwerer Körperverletzung und ordnete eine Untersuchung an. Diese ergab, dass das Gewicht der Probeladung falsch in das Berechnungssystem des Krans eingegeben wurde, was den Umsturz des Baukrans verursacht hatte. Es liess sich indessen nicht eruieren, ob die falsche Eingabe in das System durch C. oder D. erfolgt war. Die Untersuchung ergab aber, dass C. und D. zum Zeitpunkt des Unfalls einen Blutalkoholgehalt von 0.15 bzw. 1.69 Promille aufgewiesen und unter Cannabiseinfluss gestanden hatten.
Da sich nicht mit Sicherheit feststellen liess, ob C. oder D. den Unfall verursacht hatte, stellte die Staatsanwaltschaft das Verfahren gemäss Art. 319 Abs. 1 StPO ein und auferlegte die Verfahrenskosten der X. SA. Letzteres mit der Argumentation, dass der Unfall entweder durch C. oder D. verursacht worden war und in beiden Fällen die X. SA als deren Arbeitgeber die Verfahrenskosten gemäss Art. 418 Abs. 3 StPO in Verbindung mit Art. 55 Abs. 1 OR zu tragen habe. Nachdem das Kantonsgericht Waadt die Verfügung der Staatsanwaltschaft gestützt hatte, erhob die X. SA Beschwerde an das Bundesgericht.
Das Bundesgericht kam zum Schluss, dass Art. 418 Abs. 3 StPO es nicht zulasse, die Verfahrenskosten ausschliesslich einem Dritten aufzuerlegen, da die Bestimmung ausdrücklich von der solidarischen Kostentragung zusammen mit der beschuldigten Person spricht. Weder eine systematische, teleologische noch eine historische Auslegung liessen eine gegenteilige Auffassung zu. Zusammenfassend erwog das Bundesgericht Folgendes:
- Vom klaren Wortlaut einer Bestimmung dürfe nur dann abgewichen werden, wenn triftige Gründe dafür vorliegen, dass der Wortlaut nicht den wahren Sinn der Bestimmung wiedergibt. Solche Gründe könnten sich aus der Entstehungsgeschichte der Bestimmung, aus ihrem Sinn und Zweck oder aus dem Zusammenhang mit anderen Vorschriften ergeben (siehe BGE 142 II 80, E. 4.1).
- Die Materialien zu Art. 418 Abs. 3 StPO liessen keinen Schluss zu, dass der Gesetzgeber gewollt hatte, dass die Verfahrenskosten ausschliesslich einem Dritten auferlegt werden können. Nur in jenen Fällen, in welchen die Verfahrenskosten gemäss Art. 426 StPO der beschuldigten Person auferlegt werden, könnten Dritte nach Massgabe der Haftungsgrundsätze des Zivilrechts verpflichtet werden, die Kosten solidarisch mit der beschuldigten Person zu tragen.
- Auch die überwiegende Mehrheit der vor Einführung der eidgenössischen StPO geltenden kantonalen Prozessordnungen hätten nicht die ausschliessliche Kostentragung durch einen Dritten, sondern lediglich die solidarische Kostentragung zusammen mit der beschuldigten Person vorgesehen.
- Schliesslich spreche sich auch die Lehre nicht dafür aus, dass Art. 418 Abs. 3 StPO die ausschliessliche Kostentragung durch einen Dritten zulasse.
Das Bundesgericht hiess die Beschwerde der X. SA folglich gut und ordnete an, dass die Verfahrenskosten gemäss Art. 423 Abs. 1 StPO durch den Kanton Waadt getragen werden müssen.