Der Bundesrat hat den Gesetzesentwurf zur Steuervorlage 17 (SV 17) samt Botschaft am 21. März 2018 verabschiedet. Diese enthält diverse Anpassungen an der Vorgängervorlage (Unternehmenssteuerreform III; USR III), welche am 12. Februar 2017 vom Stimmvolk deutlich abgelehnt worden war. Nach dem Willen des Bundesrats (BR) soll die überarbeitete Vorlage noch vor Jahresfrist vom Parlament verabschiedet und auf anfangs 2020 in Kraft gesetzt werden.
Trotz angepasster Massnahmen basiert die SV 17 auf derselben Motivation und verfolgt dieselben Hauptziele wie die USR III (Wiederherstellung von internationaler Akzeptanz, Rechtssicherheit und Wettbewerbsfähigkeit im Unternehmenssteuerbereich mittels Abschaffung international verpönter a.) kantonaler Steuerregimes und b.) Praxisregelungen für juristische Personen; Minimierung der damit verbundenen Abwanderung von Steuersubstrat und Arbeitsplätzen durch ein umfassendes Massnahmenpaket). Notwendigkeit und Dringlichkeit der SV 17 sind gemäss Vernehmlassungsergebnis unbestritten. Einzelne Punkte werden jedoch nach wie vor kontrovers diskutiert. Nachfolgend eine Zusammenfassung der Massnahmen der SV 17:
1.) Steuerpolitische Massnahmen
StHG (SR 642.14)
Zwingende Aufhebung der kantonalen Privilegien gem. Art. 28 Abs. 2–5 StHG (Holding-; Domizil-; Gemischte Gesellschaften). Diese erfolgt ohne Übergangsregelung auf ein vom Gesetzgeber noch festzulegendes Stichdatum (Zieldatum BR: 1.1.2020); Gesonderte Besteuerung aufgedeckter stiller Reserven aus der Zeit des Statusprivilegs während einer Dauer von 5 Jahren ab Inkrafttreten zu einem von jedem Kanton individuell zu bestimmenden Satz (StHG 78g; entspricht USR III); Zwingende Einführung der Patentbox (ggü. USR III neu mit präzisierten Einschränkungen bzgl. Patent-Begriff und modifiziertem Nexus Approach); fakultativer zusätzlicher Abzug für Forschungs- und Entwicklungsaufwendungen (ggü. USR III neu mit abschliessenden Konkretisierungen auf Gesetzesstufe); fakultative Ermässigung der Kapitalsteuer auf Eigenkapital, soweit dieses auf Patente, vergleichbare Rechte oder Beteiligungen entfällt (entspricht USR III).
Entlastungsbegrenzung: Die steuerliche Entlastung darf neu nicht höher sein als 70% des steuerbaren Gewinns vor Ermässigung aus Patentbox und F&E‑Abzug (StHG 25b; USR III: 80%).
DBG (SR 642.11) und StHG, jeweils analog:
Einführung einheitlicher Regelungen für die steuerfreie Aufdeckung stiller Reserven bei Zuzug und Besteuerung stiller Reserven bei Wegzug; Vereinheitlichung bei der privilegierten Dividendenbesteuerung. Für Bund und sämtliche Kantone gilt inskünftig durchwegs das Teilbesteuerungsverfahren. Für die Bundessteuer sind neu 70% der massgebenden Dividendeneinkünfte zu versteuern (bisher/USR III: 60%). Für die Kantone gelten diese 70% als Mindestgrenze (USR III: nur 60%).
In Transponierungsfällen soll neu die Mindestschwelle von 5% (DBG 20a I b; StHG 7a I b) gänzlich wegfallen (in USR III nicht vorgesehen).
Die Modalitäten zur Abschaffung der speziellen internationalen Gewinnausscheidungspraxis bei Prinzipalgesellschaften und zur Finance Branch sollen noch festgelegt werden (Ziff 1.2.2.1 Botschaft; entspricht USR III).
Die zu erwartenden kantonalen Gewinnsteuersatzsenkungen sind formell kein expliziter Teil des Reformpakets, da die Kantone ihre Gewinnsteuersätze ohnehin in alleiniger Kompetenz festlegen (BV 3; 129 II; SR 101; s. aber Auflistung der aktuell geplanten zukünftigen Gewinnsteuersätze in den einzelnen Kantonen: Tabelle 21 / Botschaft, S. 110).
Familienzulagengesetz (SR 836.12):
Neu sollen die Kinderzulagen mindestens CHF 230/Monat und die Ausbildungszulage mind. CHF 280/Monat betragen (Zweck: polit. Akzeptanz; in USR III nicht vorgesehen).
BG über die Durchführung von zwischenstaatlichen Abkommen des Bundes zur Vermeidung der Doppelbesteuerung (SR 672.2):
Wie bereits unter der USR III sollen CH Betriebsstätten ausländischer Unternehmen inskünftig Anspruch auf pauschale Steueranrechnung haben (Delegationsnorm für die Anpassungen der Verordnung über die pauschale Steueranrechnung: SR 672.201; s. swissblawg vom 22.4.2015).
2.) Finanzpolitische Massnahmen
Der Finanzausgleich unter den Kantonen trägt der neuen Situation Rechnung, wobei die Anpassungsmechanismen gegenüber der USR III nur leicht präzisiert wurden. Diese und der Ergänzungsbeitrag des Bundes von 180 Mio. p.a. an finanzschwache Kantone werden im Bundesgesetz über den Finanz- und Lastenausgleich (FiLaG; SR 613.2) geregelt.
Der Kantonsanteil an den Bundessteuern soll von heute 17% auf 21,2% (wie USR III) erhöht werden (DBG 196 I). Neu sollen darüber hinaus die Kantone die Auswirkungen der SV 17 auf die Finanzen der Städte und Gemeinden angemessen berücksichtigen (DBG 196 Ibis; Bestimmung ohne rechtsverbindliche Wirkung).
3.) ‘Geprüft und verworfen’ (Ziff. 1.3.2 Botschaft)
Aufgrund der Kritik im Rahmen der gescheiterten USR III verzichtet der BR darauf, die sog. zinsbereinigte Gewinnsteuer (’Notional Interest‘) in die SV 17 aufzunehmen. Er schlägt vor, dieses Instrument im Rahmen der Reform zum Verrechnungssteuergesetz (VStG; SR 642.21) neu zu prüfen. Wie bereits im Rahmen der USR III lehnt der Bundesrat auch eine (von gewissen Parteien im Nachgang zur USR II geforderte) Einschränkung des Kapitaleinlageprinzips mangels überzeugender steuer- oder finanzpolitischer Gründe klar ab. Nicht mehr erwähnt werden in der Botschaft gewisse unter der USR III noch diskutierte Massnahmen wie z.B.: Tonnage Tax; Einschränkungen beim steuerfreien Kapitalgewinn und Abschaffung der Emissionsabgabe auf Eigenkapital (Letztere waren in den USR III-Beratungen sistiert worden.)
4.) Kosten und Fahrplan
Die Kosten für die Reform beziffert der BR für den Bund je nach Methode auf rund CHF 0.7–0.9 Mrd. pro Jahr, zuzügl. 180 Mio. pro Jahr ab 2024 (Ergänzungsbeitrag). Dank strukturellen Überschüssen für die Jahre 2020 und 2021 rechnet er mit einer vollständigen Gegenfinanzierung in den kommenden Jahren (Finanzpolitische Standortbestimmung zum Voranschlag 2019 mit integriertem Aufgaben- und Finanzplan 2020–2022 vom 14. Februar 2018 (Ziff. 3.1.3 Botschaft). Dynamische Entwicklungen im In- und Ausland können diese Planung überlagern. Für die Kantone ergeben die Szenarien des BR eine grössere Bandbreite, wobei die unvermeidbare Abschaffung der Statusprivilegien ohne die Kompensationsmassnahmen der SV 17 massive Mehrbelastungen für die Kantone zur Folge hätte.
Der BR drängt auf eine Erstberatung der SV 17 in der Sommersession 2018, auf eine Verabschiedung der Reform durch die Bundesversammlung noch in diesem Jahr und auf eine Inkraftsetzung der Kernelemente auf den 1. Januar 2020.