1C_221/2017, 1C_223/2017 (amtl. Publ.): Kantonale Volksinitiative “Keine Steuergelder für die Berner Reithalle” / Verletzung der Gemeindeautonomie

Im zur amtlichen Pub­lika­tion vorge­se­henen Urteil vom 18. April 2018 befasste sich das BGer mit der kan­tonalen Volksini­tia­tive “Keine Steuergelder für die Bern­er Rei­thalle”, welche im März 2016 bei der Staatskan­zlei des Kan­tons Bern ein­gere­icht wurde. Mit der Volksini­tia­tive soll das Gesetz über den Finanz- und Las­te­naus­gle­ich (FILAG; BSG 631.1) dahinge­hend geän­dert wer­den, dass bes­timmte Leis­tun­gen aus dem kan­tonalen Finan­zaus­gle­ich für die Stadt Bern gekürzt wer­den, solange auf dem Grund­stück KTN 1226 (“Reitschule”) Anla­gen oder Ein­rich­tun­gen beste­hen, die wie bish­er oder ver­gle­ich­bar benutzt wer­den (Kul­turzen­trum mit einem bre­it gefächerten Kul­tur­ange­bot inklu­sive Restau­ra­tion). Gestützt auf ein Rechtsgutacht­en von Prof. Biag­gi­ni erk­lärte der Grosse Rat des Kan­tons Bern die Ini­tia­tive für ungültig. Gegen diesen Beschluss gelangten die Junge SVP des Kan­tons Bern und einige Pri­vat­per­so­n­en an das BGer, welch­es die Beschw­erde abweist.

Das BGer hat­te zu beurteilen, ob die Volksini­tia­tive mit über­ge­ord­netem Recht, ins­beson­dere der Gemein­deau­tonomie (Art. 50 BV; Art. 109 KV/BE), vere­in­bar ist. Zunächst hält das BGer fest, dass das kan­tonale Recht den Gemein­den im Bere­ich der Förderung der Kul­tur auf lokaler Ebene eine erhe­bliche Entschei­dungs­frei­heit ein­räume. Zur Ein­schränkung dieser Entschei­dungs­frei­heit durch die Volksini­tia­tive sagt das BGer folgendes:

Die mit der Volksini­tia­tive vorgeschla­gene Regelun­gen schränken die Entschei­dungs­frei­heit der Stadt Bern im Bere­ich der Kul­tur­förderung wie erwäh­nt nicht förm­lich bzw. rechtlich ein, zumal sie nicht direkt die Schlies­sung der Reitschule oder die Ein­stel­lung der Förderung des Kul­turbe­triebs ver­langt. Die vorgeschla­gene Regelung zielt indessen darauf ab, die Stadt Bern unter finanziellen Druck zu set­zen, um auf diese Weise auf ihr Ver­hal­ten im Bere­ich der Kul­tur­förderung Ein­fluss zu nehmen. Gemäss den nicht bestrit­te­nen Berech­nun­gen der Finanzdi­rek­tion hät­ten die neuen Bes­tim­mungen eine Schlechter­stel­lung der Stadt Bern in der Höhe von mehr als 54 Mio Franken pro Jahr zur Folge. […]. Die Weit­er­führung des Kul­turbe­triebs in der Reitschule wäre für die Stadt Bern mit der­art grossen Nachteilen ver­bun­den, dass sie unter einen per­ma­nen­ten erhe­blichen Druck, wenn nicht gar einen fak­tis­chen Zwang geri­ete, die in ihrem Autonomiebere­ich liegende, nach wie vor in ihrem Belieben ste­hende Nutzung aufzugeben und auf dem Are­al auch keine ver­gle­ich­bare Nutzung mehr zu ges­tat­ten. Dies kommt einem ungerecht­fer­tigten Ein­griff in die ihr in diesem Bere­ich zuk­om­mende Autonomie gle­ich. [E. 7.4.5.]

Neben der Gemein­deau­tonomie ver­let­ze die Volksini­tia­tive — so das BGer — auch das Gebot der Rechts­gle­ich­heit (Art. 8 BV; Art. 10 KV/BE), denn die neuen Bes­tim­mungen der Volksini­tia­tive näh­men nur auf die Kul­tur­förderung der Stadt Bern Ein­fluss. Andere Gemein­den im Kan­ton Bern wären von den Bes­tim­mungen selb­st dann nicht betrof­fen, wenn auf ihrem Gebi­et Anla­gen oder Ein­rich­tun­gen bestün­den, von denen Gefahr für die öffentliche Sicher­heit aus­gin­ge. Diese Ungle­ich­be­hand­lung lasse sich sach­lich nicht rechtfertigen.