2C_94/2018: Haftung für Schäden am Fahrzeug während Prüfungsfahrten (amtl. Publ.)

Während der Prü­fungs­fahrt zum Erwerb des Führerscheins der Kat­e­gorie B (Motor­wa­gen und dreirä­drige Motor­fahrzeuge), kol­li­dierte der Kan­di­dat in Lenzburg mit ein­er Signaltafel. Die Kol­li­sion kon­nte nicht ver­hin­dert wer­den, obwohl der Prü­fung­sex­perte über die Dop­pelpedale eine Voll­brem­sung ein­leit­ete. Der Sach­schaden am Fahrzeug der A. GmbH belief sich gemäss Kosten­vo­ran­schlag auf CHF 1’839. Für die Reparatur und Mon­tage der Signaltafel stellte die Stadt Lenzburg der A. GmbH als Hal­terin des unfal­lverur­sachen­den Fahrzeugs den Betrag von CHF 107.75 in Rechnung.

Die A. GmbH klagte gegen den Kan­ton Aar­gau. Sie machte gel­tend, das Ver­hal­ten des Prü­fung­sex­perten sei für den einge­trete­nen Schaden kausal gewe­sen, wofür der Kan­ton auf­grund ein­er Staat­shaf­tung einzuste­hen habe. Das Ver­wal­tungs­gericht wies die Klage indessen ab. Das Bun­des­gericht wies die gegen diesen Entscheid erhobene Beschw­erde ab (Urteil 2C_94/2018 vom 15. Juni 2018).

Das Bun­des­gericht hat­te die Haf­tung für Schä­den während Prü­fungs­fahrten zu klären. Notorisch war, dass für die prak­tis­che Führerprü­fung regelmäs­sig pri­vate Fahrzeuge der Fahrschulen ver­wen­det wer­den. Kommt keine Staat­shaf­tung zum Tra­gen, müssen deshalb Schä­den grund­sät­zlich von den Fahrschulen bzw. deren Ver­sicherun­gen über­nom­men wer­den (E. 1.2).

Anzuwen­den war kan­tonales Staat­shaf­tungsrecht, weshalb das Bun­des­gericht nur Willkür prüfte (E. 3.3 und 3.5). Die Vorin­stanz hat­te erwogen, der Experte hätte bei geboten­er Sorgfalt den Schaden nicht ver­mei­den kön­nen. Der Prü­fungskan­di­dat sei zunächst nach links aus­geschwenkt, um die Signaltafel zu umfahren, habe dann aber unver­mit­telt das Fahrzeug wieder auf die rechte Fahrbahn­hälfte gelenkt, da ein anderes Fahrzeug ent­ge­gengekom­men sei. Nicht nachgewiesen sei überdies, dass der Experte das Manöver bere­its vor dem Auss­chwenken hätte abbrechen müssen. Unter den gegebe­nen Umstän­den könne dem Experten keine Pflichtwidrigkeit ange­lastet wer­den (zum Ganzen E. 3.1). Das Bun­des­gericht fand in der Beweiswürdi­gung der Vorin­stanz keine Willkür (E. 3.6.2).

Die A. GmbH machte weit­er gel­tend, die amtliche Tätigkeit eines Prü­fung­sex­perten lasse sich regelmäs­sig gar nicht über­prüfen, da an den Fahrten keine neu­trale Drittper­son teil­nehme. Eine Staat­shaf­tung könne deshalb nicht greifen und Schä­den müssten stets von den Fahrschulen bzw. deren Ver­sicherun­gen getra­gen wer­den. Aus diesem Grund müsse der Hal­ter­be­griff von Art. 58 SVG ana­log zu Art. 71 SVG auf den Staat aus­gedehnt wer­den. Nur so würde der Kan­ton nicht von jeglich­er Haf­tung befre­it (E. 4). Das Argu­ment drang nicht durch (E. 4.5.3).

Das Bun­des­gericht erwog im Wesentlichen, dass die Kan­tone zwar grund­sät­zlich den Haftpflichtbes­tim­mungen des SVG unter­ste­hen wür­den, sofern sie als Hal­ter von Motor­fahrzeu­gen auftreten (E. 4.1). Die Haf­tung im Ver­hält­nis zwis­chen Hal­ter und Eigen­tümer eines Fahrzeugs (vor­liegend die A. GmbH) bes­timme sich jedoch für Schä­den an diesem Fahrzeug nach Oblig­a­tio­nen­recht und nicht nach Strassen­verkehrs­ge­setz (Art. 59 ABs. 4 lit. a SVG; E. 4.2).

Darüber hin­aus könne der Kan­ton während der Prü­fungs­fahrt nicht als Hal­ter des Fahrzeugs gel­ten (E. 4.3.3). Dem Kan­ton werde das Fahrzeug nicht während ein­er län­geren Zeit zur freien Ver­fü­gung gestellt, da der Experte lediglich während min­destens 60 Minuten als Begleit­per­son die prak­tis­che Prü­fung abnehme. Eine Vorschrift, wonach der Kan­ton für die Durch­führung der Prü­fung eigene Fahrzeuge zur Ver­fü­gung stellen müsse, existiere nicht. Auch die Fahrschule sei geset­zlich nicht verpflichtet, ein Fahrzeug zu stellen. Über­lasse sie dem Kan­di­dat­en den­noch ein Fahrzeug, han­dle sie aus kom­merziellem Inter­esse her­aus im Rah­men ihrer ver­traglichen Beziehung zu diesem Kan­di­dat­en (zum Ganzen E. 4.3.2).