1C_216/2017: Begrenzung des Baus neuer Zweitwohnungen und Entschädigungspflicht wegen materieller Enteignung (amtl. Publ.; frz.)

Im zur amtlichen Pub­lika­tion vorge­se­henen Urteil vom 6. August 2018 set­zte sich das BGer mit der Frage auseinan­der, ob die in die Ver­fas­sung aufgenommene Begren­zung des Baus von neuen Zweit­woh­nun­gen einen schw­eren Ein­griff in die Eigen­tums­frei­heit der Grun­deigen­tümer bewirkt. Die Immo­bilien­fir­ma A. SA ist Eigen­tümerin des Grund­stücks KTN 13360 in der Wal­lis­er Gemeinde Leytron. Am 19. Dezem­ber 2012 erhielt die A. SA die Baube­wil­li­gung für die Erstel­lung eines Chalets mit vier Woh­nun­gen. Diese Baube­wil­li­gung wurde vom BGer wieder aufge­hoben, weil sie nach dem 11. März 2012, mithin nach Inkraft­treten von Art. 75b BV, erteilt wurde. Im Jahr 2015 gelangte die A. SA mit ein­er Entschädi­gungs­forderung wegen materieller Enteig­nung in Höhe von CHF 512’439.00 an die Wal­lis­er Schätzungskom­mis­sion für Enteig­nun­gen. Sowohl die Schätzungskom­mis­sion als auch das in der Folge angerufene BGer weisen die Forderung ab.

Das BGer reka­pit­uliert in einem ersten Schritt seine auf BGE 139 II 243 zurück­ge­hende Recht­sprechung, wonach Art. 75b BV und seine Über­gangs­bes­tim­mung (Art. 197 Ziff. 9 Abs. 2 BV) mit Inkraft­treten am 11. März 2012 direkt anwend­bar sind und für alle Zweit­woh­nun­gen gel­ten, die von ersten Instanzen nach diesem Datum bewil­ligt wurden.

In einem weit­eren Schritt äussert sich das BGer zum Inhalt der Eigen­tums­garantie. Das Eigen­tum sei nicht in unbeschränk­tem Umfang garantiert, son­dern nur inner­halb der von der Recht­sor­d­nung im öffentlichen Inter­esse gezo­ge­nen Gren­zen. Die Regelung zur Begren­zung des Baus von neuen Zweit­woh­nun­gen bilde eine pla­nungspoli­tis­che Mass­nahme auf Ver­fas­sungsstufe, die direkt anwend­bar sei und die Möglichkeit zum Erstellen von Zweit­woh­nun­gen schweizweit auf Gemein­deebene neu regle. Wenn der Umfang des Eigen­tums neu umschrieben werde, so dass bish­er beste­hende Möglichkeit­en der Eigen­tümer ent­fall­en, kön­nten Betrof­fene in aller Regel keine Entschädi­gung ver­lan­gen. Etwas anderes gelte nur, wenn der Über­gang zum neuen Recht zu krassen Ungle­ich­heit­en führe, die der Geset­zge­ber nicht in Betra­cht gezo­gen hat und allzu harte Auswirkun­gen auf einzelne Eigen­tümer entfalte.

Im vor­liegen­den Fall sei dies nicht der Fall, denn die A. SA habe bere­its vor der Abstim­mung über die Zweit­woh­nungsini­tia­tive erken­nen kön­nen, dass ein nach ein­er allfäl­li­gen Annahme der Ini­tia­tive ein­gere­icht­es Pro­jekt für Zweit­woh­nun­gen nicht bewil­ligt wer­den könne. Inwiefern sich die Sit­u­a­tion der A. SA von der Sit­u­a­tion zahlre­ich­er ander­er betrof­fen­er Grun­deigen­tümer unter­schei­de, sei sodann nicht erkennbar. Schliesslich verbleibe der A. SA die Möglichkeit, die Parzelle mit Erst­woh­nun­gen oder mit Wohn­raum zur touris­tis­chen Nutzung zu überbauen.

Vgl. auch die Medi­en­mit­teilung des BGer vom 28. August 2018.