2C_979/2018: reformatorischer Entscheid durch die kantonale Beschwerdeinstanz im öffentlichen Beschaffungsrecht (amtl. Publ.)

Das Bun­des­gericht hat­te in diesem Ver­fahren die bis­lang unbeant­wortete Frage zu klären, ob die Beschw­erde­in­stanz im Rah­men eines refor­ma­torischen Urteils das Ange­bot der zweit­platzierten Anbi­eterin unberück­sichtigt lassen dürfe, weil diese kein Rechtsmit­tel ergrif­f­en habe, und den Zuschlag direkt der drittplatzierten, beschw­erde­führen­den Partei erteilen könne. Bis­lang hat­te das Bun­des­gericht einzig gek­lärt, dass die Wirkung ein­er Gutheis­sung der Beschw­erde nicht auf die Zuschlagsempfän­gerin und die beschw­erde­führen­den Anbi­eter beschränkt sei. Vielmehr komme der Aufhe­bung des Zuschlags ungeteilte Wirkung zu und wirke damit gegenüber sämtlichen am Ver­gabev­er­fahren beteiligten Anbi­etern (BGE 141 II 14).

Hin­ter­grund dieses Ver­fahrens war die Auss­chrei­bung eines Dien­stleis­tungsauf­trags im offe­nen Ver­fahren, in welchem die drittplatzierte Anbi­eterin (B. AG) eine Beschw­erde gegen den Zuschlagsentscheid erhoben hat­te. Das Kan­ton­s­gericht Basel-Land­schaft hob die Zuschlagsver­fü­gung auf und erteilte den Zuschlag direkt an die B. AG. Dage­gen wehrte sich die ursprüngliche Zuschlagsempfän­gerin (A. AG). Das Bun­des­gericht bestätigte das Urteil des Kan­ton­s­gerichts, soweit die Zuschlagsver­fü­gung aufge­hoben wurde. Mit Bezug auf die Erteilung des Zuschlags direkt an die B. AG hob das Bun­des­gericht indessen das vorin­stan­zliche Urteil auf und wies die Angele­gen­heit zur Neubeurteilung im Sinne der Erwä­gun­gen an die Ver­gabebe­hörde zurück.

Mit Bezug auf ihre Rüge, das Kan­ton­s­gericht habe seine Kog­ni­tions­befug­nisse willkür­lich aus­geübt weil es in den Ermessensspiel­raum der Ver­gabebe­hörde einge­grif­f­en und einen vertret­baren Ver­gabeentscheid über eine blosse Recht­skon­trolle hin­aus kor­rigiert hätte, drang die A. AG nicht durch. Das Kan­ton­s­gericht hätte, so das Bun­des­gericht, ins­beson­dere zu Recht erwogen, dass das Preiskri­teri­um auf­grund ein­er zu flachen Preiskurve zu ger­ing gewichtet wor­den sei, und aus­führlich dargelegt, weshalb die Ver­gabebe­hörde ihr Ermessen miss­braucht hätte (E. 5, ins­beson­dere E. 5.3.1).

Hin­sichtlich der vor­ge­nan­nten Rechts­frage von grund­sät­zlich­er Bedeu­tung erwog das Bun­des­gericht zunächst, dass ent­ge­gen der Auf­fas­sung der A. AG die Kom­pe­tenz der kan­tonalen Beschw­erde­in­stanz, ein refor­ma­torisches Urteil zu erlassen, unab­hängig davon beste­he, ob ein entsprechen­der Antrag der Ver­gabebe­hörde vor­liege. Vielmehr dürfe lediglich der beschaf­fungsrechtliche Ver­trag mit der Zuschlagsempfän­gerin des erstin­stan­zlichen Ver­gabev­er­fahrens noch nicht abgeschlossen sein. Dabei habe die kan­tonale Beschw­erde­in­stanz jedoch weit­er­hin den Ermessensspiel­raum der Ver­gabebe­hörde zu beacht­en, denn eine Über­prü­fung der Angemessen­heit ein­er Zuschlagsver­fü­gung sei nicht vorge­se­hen. Im Lichte von Art. 16 Abs. 1 lit. a und Abs. 2 IVöB habe die Beschw­erde­in­stanz ihre Kom­pe­tenz, im Sinne von Art. 18 Abs. 1 IVöB refor­ma­torisch zu urteilen, nur mit Zurück­hal­tung wahrzunehmen und die Angele­gen­heit im Grund­satz an die Ver­gabebe­hörde zurück­zuweisen. Durch einen eige­nen Zuschlag würde sie andern­falls zu stark in das Ermessen der Ver­gabebe­hörde ein­greifen. Die Kom­pe­tenz der Beschw­erde­in­stanz, ein refor­ma­torisches Urteil zu fällen, habe sie auss­chliesslich in Kon­stel­la­tio­nen anzuwen­den, die hin­re­ichend gek­lärt seien. Eine solche Kon­stel­la­tion liege namentlich vor, wenn am Ver­gabev­er­fahren lediglich zwei Anbi­eterin­nen teil­nehmen oder der Zuschlag ohne Weit­eres an die näch­st­bess­er platzierte Anbi­eterin erteilt wer­den könne, da keine weit­eren Anbi­eterin­nen für den Zuschlag in Frage kom­men. Hinge­gen man­gle es beispiel­sweise an der erforder­lichen Klarheit, wenn zweifel­haft sei, ob die Beschw­erde­führerin des vorin­stan­zlichen Beschw­erde­v­er­fahrens das wirtschaftlich gün­stig­ste Ange­bot ein­gere­icht habe (E. 6.2.1).

Die A. AG rügte sodann, dass der vom Kan­ton­s­gericht vorgenommene direk­te Zuschlag unhalt­bar sei, da die B. AG nicht das wirtschaftlich gün­stig­ste Ange­bot offeriert habe. Vielmehr hätte das Kan­ton­s­gericht sämtliche Anbi­eterin­nen berück­sichti­gen müssen. Nur so hätte sie sich­er­stellen kön­nen, dass sämtliche Anbi­eterin­nen gle­ich behan­delt wür­den und das wirtschaftlich gün­stig­ste Ange­bot den Zuschlag erhalte. Das Bun­des­gericht fol­gte dieser Rüge und erwog, dass es dem Kan­ton­s­gericht zwar unbenom­men sei, ein refor­ma­torisches Urteil zu fällen, es indessen dem öffentlichen Inter­esse an einem möglichst guten Ange­bot und dem haushäl­ter­ischen Umgang mit den öffentlichen Mit­teln mass­ge­blich Beach­tung schenken müsse. Dies bein­halte ins­beson­dere, dass die Anbi­eterin mit dem poten­ziell best­platzierten Ange­bot effek­tiv zum Zug komme. Dem Wirtschaftlichkeits­grund­satz nach Art. 1 Abs. 3 lit. d IVöB und Art. 13 Abs. 1 lit. f IVöB komme im Beschaf­fungsrecht als Opti­mierung­sprinzip eine zen­trale und eigen­ständi­ge Bedeu­tung zu (E. 6.3.2). Kor­rigiere die Vorin­stanz, wie vor­liegend das Kan­ton­s­gericht, somit eine fehler­hafte Anwen­dung der Zuschlagskri­te­rien durch die Ver­gabebe­hörde und gelange zur Erken­nt­nis, dass eine entsprechende Neube­w­er­tung der Ange­bote vorzunehmen sei, dürfe die Neube­w­er­tung anhand des kor­rigierten Prü­fungs­massstabs nicht nur auf die Ange­bote der vor­ma­li­gen Zuschlagsempfän­gerin und der anfech­t­en­den Anbieterin(nen) beschränkt wer­den. Eine solche Ein­schränkung  inter partes würde dem Prinzip der ungeteil­ten Wirkung zuwider­laufen, den Wirtschaftlichkeits­grund­satz ver­let­zen und auch das Gebot der Gle­ich­be­hand­lung auss­er Acht lassen, wonach sämtliche Anbi­eterin­nen in gle­ich­er Weise in den Genuss ein­er Bew­er­tung ihres Ange­bots anhand des kor­rigierten Prü­fungs­massstabs gelan­gen sollen (E. 6.3.3). Vor­liegend, so das Bun­des­gericht weit­er, habe das Kan­ton­s­gericht zu Recht diverse Kor­rek­turen bei der Anwen­dung der Zuschlagskri­te­rien Preis und Qual­ität sowie deren Teilkri­te­rien vorgenom­men. Damit liege grund­sät­zlich eine Kon­stel­la­tion vor, in der nicht hin­re­ichend erstellt sei, welche Anbi­eterin das wirtschaftlich gün­stig­ste Ange­bot offeriert habe. Man­gels der erforder­lichen Klarheit bedürfe es deshalb der Aufhe­bung des Zuschlags und der Rück­weisung der Angele­gen­heit an die Ver­gabebe­hörde. Die Ver­gabebe­hörde habe eine Neube­w­er­tung mit vollem Ermessen anhand des neuen, vorin­stan­zlich kor­rigierten Prü­fungs­massstabs vorzunehmen. Dabei habe sie die anderen Anbi­eterin­nen wieder ins Ver­gabev­er­fahren einzubeziehen, soweit dem keine ver­fahren­srechtliche Hin­dernisse (z.B. recht­skräftiger Ver­fahren­sauss­chluss man­gels Erfül­lung der Eig­nungskri­te­rien) ent­ge­gen­ste­hen wür­den (E. 6.3.4).