9C_409/2019: Teilliquidation der beruflichen Vorsorgeeinrichtung; Mitwirkungsrechte der Arbeitnehmenden (amtl. Publ.)

Die proparis Vor­sorge-Stiftung Gewerbe Schweiz (nach­fol­gend kurz: Stiftung) bezweckt die Durch­führung der beru­flichen Vor­sorge für Arbeit­nehmer und Selb­ständi­ger­wer­bende, die im Gewerbe tätig sind. Die Stiftung hat die Struk­tur ein­er Sam­mel­s­tiftung, wobei jedoch die angeschlosse­nen Arbeit­ge­ber hin­sichtlich Buch­hal­tung und Regle­mente nicht voll­ständig getren­nt geführt wer­den (BGer 9C_409/2019 vom 5. Mai 2020, E. 3.1.1). Die Stiftung ein­er­seits und die drei Grün­derver­bände des Vor­sorgew­erkes PANVICA ander­er­seits sind Ver­tragsparteien der Anschlussvere­in­barung. Die Beitrittsvere­in­barun­gen wer­den zwis­chen der Pen­sion­skasse als Teil der Stiftung und dem einzel­nen Arbeit­ge­ber geschlossen (E. 3.1.2).

Die Bernische BVG- und Stiftungsauf­sicht entsch­ied über ein Gesuch mehrerer Ver­bände und Betriebe betr­e­f­fend die Durch­führung ein­er Teilliq­ui­da­tion der Stiftung. Die Pen­sion­skasse PANVICA als Teil der Stiftung sollte gesamthaft in die PAN­V­I­CAplus Vor­sorges­tiftung (heute: pan­vi­ca Pen­sion­skasse) über­führt wer­den (E. 3.1.2). Die BVG- und Stiftungsauf­sicht stellte dazu fest, dass zufolge Kündi­gung der Anschlussvere­in­barun­gen  ein Teilliq­ui­da­tion­statbe­stand vor­liege und wies die Stiftung an, die Teilliq­ui­da­tion umzuset­zen. Die Stiftung erhob gegen diesen Entscheid erfol­g­los Beschw­erde beim Bun­desver­wal­tungs­gericht. Das Bun­des­gericht hiess dage­gen die Beschw­erde der Stiftung gut und hob den Entscheid des Bun­desver­wal­tungs­gerichts und die Ver­fü­gung der BVG- und Stiftungsauf­sicht auf.

Das Bun­des­gericht stellte fest, dass die Voraus­set­zun­gen für eine Teilliq­ui­da­tion der Stiftung nicht erfüllt waren. Die Kündi­gung der Anschlussvere­in­barung erfol­gte zwar frist- und for­mgerecht (E. 3.1.2). Die anschlussver­tragliche Kündi­gung war jedoch unwirk­sam, da die berufsvor­sorg­erechtlichen Mitwirkungsrechte des Per­son­als ver­let­zt wur­den (E. 2 sowie E. 4.3.2.2 und 4.3.3.2). Die Voraus­set­zun­gen für eine Teilliq­ui­da­tion ste­hen gemäss Bun­des­gericht unter dem Vor­be­halt, dass die betrof­fe­nen Arbeit­nehmer rechts­genüglich in den Kündi­gung­sprozess mitein­be­zo­gen wur­den (E. 3.3).

Gemäss Art. 11 Abs. 3bis Satz 1 BVG erfol­gt die Auflö­sung eines Anschlusses an eine Vor­sorgeein­rich­tung und der Wieder­an­schluss an eine neue Vor­sorgeein­rich­tung durch den Arbeit­ge­ber im Ein­ver­ständ­nis mit dem Per­son­al oder ein­er allfäl­li­gen Arbeit­nehmervertre­tung (E. 4.1.1). Diese Bes­tim­mung erfordert eine Ein­willi­gungserk­lärung, die im Voraus abgegeben wird (E. 4.3.1). Für das Per­son­al muss dabei trans­par­ent sein, zu welchen Kon­di­tio­nen der geplante Wieder­an­schluss an welche neue Vor­sorgeein­rich­tung erfol­gen soll (E. 4.3.2.1).

Eine blosse Infor­ma­tion oder Anhörung genügt nicht. Das Per­son­al als Kollek­tiv muss gemäss Bun­des­gericht dem Anschluss­wech­sel zus­tim­men (E. 4.3.2.2). Kommt keine Eini­gung zus­tande, entschei­det ein neu­traler Schied­srichter, der bei Uneinigkeit von der Auf­sichts­be­hörde beze­ich­net wird (Art. 11 Abs. 3ter BVG; E. 4.3.3.1). Ohne Zus­tim­mung des Per­son­als ist die Kündi­gung des Anschlussver­trages unwirk­sam (E. 4.3.3.2). Dem Arbeit­ge­ber sind ohne Ein­willi­gung des Per­son­als die Hände gebun­den (E. 4.4).

Die Stiftung als Trägerin der einzel­nen Vor­sorgew­erke hat­te zu prüfen, ob die erforder­liche Eini­gung zwis­chen Arbeit­ge­ber und Per­son­al zus­tande gekom­men war (E. 3.2.3.1). Im vor­liegen­den Fall war die Stiftung darüber ori­en­tiert wor­den, dass der Kündi­gung des Anschlussver­trages keine Kon­sul­ta­tion des Per­son­als der angeschlosse­nen Betriebe voraus­ge­gan­gen war (E. 3.2.1.3.1 i.f.). Die Kündi­gung des Anschlussver­trages war deshalb ungültig (E. 4.4).