5A_434/2020: Prüfungsbefugnis der Beschwerdeinstanz hinsichtlich Rechtsöffnungstitel (amtl. Publ.)

Im vor­liegen­den Urteil ging es um die prozes­suale Frage, ob und inwiefern die kan­tonale Beschw­erde­in­stanz das Vor­liegen eines pro­vi­sorischen Recht­söff­nungsti­tels prüfen darf (E. 4.2.).

Dem Urteil lag zusam­menge­fasst fol­gen­der Sachver­halt zugrunde: Die A. AG will mit­tels Betrei­bung auf Grundp­fand­ver­w­er­tung eine Forderung von rund CHF 729’000 voll­streck­en. Schuld­ner­in ist C., Eigen­tümerin des Grund­stücks die B. AG. Die erste Instanz erteilte der A. AG Recht­söff­nung gegen die B. AG im Betrag von rund CHF 729’000 (enthal­tend auch einen Betrag von CHF 250’000 für eine Strafzahlung). Auf Beschw­erde der B. AG reduzierte das Oberg­ericht den Betrag, für welchen die erste Instanz den Rechtsvorschlag beseit­igt hat­te, um CHF 250’000 (Sachver­halt, Bst. A‑B). Hierge­gen erhob die A. AG Beschw­erde ans Bun­des­gericht (Bst. C). Umstrit­ten war, ob (auch) für eine vom Schuld­ner ver­sproch­ene Strafzahlung von CHF 250’000 ein Recht­söff­nungsti­tel vor­liege (E. 3.). Die erste Instanz hat­te einen solchen erblickt in ein­er «Schul­dan­erken­nung vom 4. August 2016 sowie eine[r] E‑Mail vom 24. Feb­ru­ar 2014 in Verbindung mit dem Dar­lehensver­trag und [einem] Schreiben vom 26. August 2013»; das Oberg­ericht hat­te jedoch wider­sprochen und erkan­nt, dass «im Umfang der Strafzahlung kein Recht­söff­nungsti­tel für die Schuld­bri­ef­forderung» beste­he (E. 3.1.). Die Beschw­erde­führerin rügte vor Bun­des­gericht u.a., dass das Oberg­ericht ohne entsprechende Rüge der Beschw­erdegeg­ner­in von sich aus geprüft habe, ob die Strafzahlung eben­falls durch den Schuld­brief gesichert sei (E. 3.2. und E. 4.2.).

Das Bun­des­gericht erin­nerte zunächst an die Grund­sätze (E. 4.2.1.):

«Beze­ich­net der sicherung­shal­ber übereignete, als Recht­söff­nungsti­tel vorgelegte Schuld­brief […] keinen Schuld­ner, so gilt er im Sinn ein­er zusam­menge­set­zten Urkunde gemein­sam mit ein­er zusät­zlichen Schul­dan­erken­nung, zum Beispiel der gegengeze­ich­neten Sicherungsvere­in­barung, als Recht­söff­nungsti­tel, sofern die per­sön­liche Schuldpflicht aus dem sicherungsübereigneten Schuld­brief in der zusät­zlichen Schul­dan­erken­nung anerkan­nt wird […] ob […] der Schuld­ner eine per­sön­liche Schuldpflicht für die Schuld­bri­ef­forderung anerkan­nt hat, beschlägt […] das Vor­liegen eines (zusam­menge­set­zten) Recht­söff­nungsti­tels […] Ob ein gültiger Recht­söff­nungsti­tel vor­liegt, prüft das Gericht von Amtes wegen […]».

Dies gelte grund­sät­zlich auch für das Beschw­erde­v­er­fahren, da die Prü­fung, ob ein Recht­söff­nungsti­tel vor­liegt, nicht der Sachver­halts­fest­stel­lung, son­dern der Recht­san­wen­dung zuzuord­nen sei. Daraus folge allerd­ings nicht, «dass die Beschw­erde­in­stanz das Vor­liegen eines pro­vi­sorischen Recht­söff­nungsti­tels los­gelöst von entsprechen­den Vor­brin­gen des Schuld­ners von Amtes wegen aber­mals umfassend prüfen und […] verneinen» dürfe: Wer einen erstin­stan­zlichen Entscheid anfechte, habe anhand der erstin­stan­zlich fest­gestell­ten Tat­sachen oder der daraus gezo­ge­nen rechtlichen Schlüsse aufzuzeigen, inwiefern die Über­legun­gen der ersten Instanz falsch seien. Die Rechtsmit­telin­stanz sei nicht gehal­ten, den erstin­stan­zlichen Entscheid los­gelöst von der Rechtsmit­tel­be­grün­dung von sich aus in jede Rich­tung auf mögliche Män­gel zu unter­suchen. Abge­se­hen von offen­sichtlichen Män­geln beschränke sie sich vielmehr darauf, die Bean­stan­dun­gen der Parteien zu beurteilen. Inhaltlich sei die Rechtsmit­telin­stanz wed­er an die Argu­mente der Parteien noch an die Erwä­gun­gen der ersten Instanz gebun­den; sie wende das Recht von Amtes wegen an (Art. 57 ZPO). Die vorge­bracht­en Bean­stan­dun­gen geben zwar das Prüf­pro­gramm vor, binden die Rechtsmit­telin­stanz aber nicht an die Argu­mente, mit denen diese begrün­det wer­den. Die Prü­fungs­befug­nis der Rechtsmit­telin­stanz sei mit Bezug auf den Beschw­erde­grund der unrichti­gen Recht­san­wen­dung im Beschw­erde- und im Beru­fungsver­fahren dieselbe (E. 4.2.1.).

Für den konkreten Fall hielt das Bun­des­gericht fest, die Beschw­erdegeg­ner­in habe zwar im vorin­stan­zlichen Ver­fahren gewisse Ein­wände gegen den Recht­söff­nungsti­tel vorge­bracht und ins­beson­dere die Art und Weise bemän­gelt, wie die erste Instanz aus ver­schiede­nen Schrift­stück­en einen Recht­söff­nungsti­tel zusam­menge­set­zt hat­te, doch habe die Beschw­erdegeg­ner­in bei der Vorin­stanz nicht gel­tend gemacht, «die besagten Urkun­den wür­den auch von ihrem Inhalt her […] nicht als Recht­söff­nungsti­tel für die Strafzahlung tau­gen». Das Oberg­ericht habe den erstin­stan­zlichen Entscheid daher (man­gels Bean­stan­dung) zu Unrecht auch in dieser Hin­sicht über­prüft (E. 4.2.2.). Obwohl das Vor­liegen eines gülti­gen pro­vi­sorischen Recht­söff­nungsti­tels an sich eine Rechts­frage sei, wende die kan­tonale Rechtsmit­telin­stanz das Recht nur von Amtes wegen an inner­halb des Rah­mens, der durch die mit dem Rechtsmit­tel erhobe­nen Bean­stan­dun­gen vorgegeben sei. Der fragliche Man­gel des Recht­söff­nungsti­tels sei schliesslich auch nicht ger­adezu offen­sichtlich (E. 4.2.2. in fine).

Die Beschw­erde wurde daher teil­weise gut­ge­heis­sen und die Sache zur weit­eren Behand­lung an die Vorin­stanz zurückgewiesen.