Bundesrat eröffnet Vernehmlassung zur Teilrevision des Kartellgesetzes

Der Bun­desrat schlägt in sein­er am 24. Novem­ber 2021 eröffneten und bis 11. März 2022 dauern­den Vernehm­las­sung zur Teil­re­vi­sion Änderun­gen vor, welche die Wirk­samkeit und Umset­zung des Kartellge­set­zes (KG) verbessern sollen.

Die vorgeschla­gene Teil­re­vi­sion enthält fol­gende Aspekte:

  • Mod­ernisierung der Zusam­men­schlusskon­trolle: Der Bun­desrat schlägt vor, den im KG vorge­se­henen qual­i­fizierten Mark­t­be­herrschung­stest durch den unter anderem in der EU ver­wen­de­ten SIEC-Test (Sig­nif­i­cant Imped­i­ment to Effec­tive Com­pe­ti­tion) zu erset­zen. Der SIEC-Test konzen­tri­ert sich nicht mehr auss­chliesslich auf Fälle von Mark­t­be­herrschung, son­dern bet­rifft alle Zusam­men­schlüsse, die den Wet­tbe­werb erhe­blich beein­trächti­gen. Dies erlaube es, auch uni­lat­erale Effek­te unter­halb der Mark­t­be­herrschungss­chwelle in die Prü­fung einzubeziehen. Der Bun­desrat begrün­det die vorgeschla­gene Änderung damit, dass das aktuelle Kon­troll­sys­tem den neg­a­tiv­en und pos­i­tiv­en Auswirkun­gen von Zusam­men­schlüssen zu wenig Rech­nung trage und die Dig­i­tal­isierung der Märk­te fortschre­ite. Durch die Ver­wen­dung des SIEC-Tests kön­nten Zusam­men­schlüsse, die den Wet­tbe­werb behin­dern und deren neg­a­tive Effek­te nicht durch Effizien­zvorteile aus­geglichen wer­den, leichter unter­bun­den wer­den als unter dem beste­hen­den Regime. Zudem schlägt der Bun­desrat eine Vere­in­fachung der Meldepflicht von gren­züber­schre­i­t­en­den Unternehmen­szusam­men­schlüssen für Märk­te vor, die die Schweiz und zumin­d­est den EWR umfassen. Dadurch liesse sich ver­mei­den, dass Zusam­men­schlüsse par­al­lel von Wet­tbe­werb­s­be­hör­den der EU und der Schweiz beurteilt wer­den. Weit­er sollen die Fristver­längerun­gen an diejeni­gen der EU angepasst wer­den. Keine Verän­derun­gen soll es indessen bei den Auf­greifkri­te­rien geben. Ins­beson­dere soll auch nach wie vor der Transak­tion­swert kein Schwellen­wert sein. Dabei ver­weist der Bun­desrat auf ähn­liche Über­legun­gen und Diskus­sio­nen in der EU.
  • Stärkung des Kartel­lzivil­rechts: Hier schlägt der Bun­desrat vor, die Aktivle­git­i­ma­tion auf alle von unzuläs­si­gen Wet­tbe­werb­s­beschränkun­gen Betrof­fe­nen – ger­ade auch auf die Kon­sumentin­nen und Kon­sumenten sowie die öffentliche Hand (z. B. öffentliche Auf­tragge­ber) – auszudehnen. Weit­er soll eine Ver­jährung­shem­mung von zivil­rechtlichen Ansprüchen aus unzuläs­siger Wet­tbe­werb­s­beschränkung einge­führt wer­den, und zwar vom Zeit­punkt der Unter­suchungseröff­nung der Weko bis zu einem recht­skräfti­gen Entscheid, damit Betrof­fene  Zivi­lansprüche länger gel­tend machen kön­nen. Sodann soll neu ein Anspruch auf Fest­stel­lung der Wider­rechtlichkeit ein­er Wet­tbe­werb­s­beschränkung beste­hen. Schliesslich sollen auch nach dem Entscheid der Weko geleis­tete Schaden­er­satz­zahlun­gen bei ein­er allfäl­li­gen Ver­wal­tungssank­tion belas­tungs­min­dernd berück­sichtigt wer­den kön­nen, um die Moti­va­tion zur frei­willi­gen Wiedergut­machung gegenüber den durch eine unzuläs­sige Wet­tbe­werb­s­beschränkung Geschädigten weit­er zu stärken.
  • Verbesserung des Wider­spruchsver­fahrens, um es “prax­is­tauglich­er” und damit attrak­tiv­er zu machen: Da die aktuell geset­zlich vorge­se­hene Frist von fünf Monat­en als zu lang emp­fun­den wird, schlägt der Bun­desrat vor, diese auf zwei Monate zu kürzen. Die Wet­tbe­werb­s­be­hör­den müssten somit inner­halb von zwei Monat­en entschei­den, ob eine Vor­abklärung respek­tive direkt eine Unter­suchung eröffnet wer­den soll. Falls dies nicht geschieht, ent­fällt das Sank­tion­srisiko für das gemeldete Ver­hal­ten defin­i­tiv. Zudem soll das direk­te Sank­tion­srisiko für Unternehmen nicht wie bish­er bere­its ab dem Zeit­punkt der Eröff­nung ein­er Vor­abklärung nach Artikel 26 KG, son­dern erst ab Eröff­nung ein­er formellen Unter­suchung nach Artikel 27 KG wieder­au­fleben. Ein­er­seits kön­nten so die Unternehmen das gemeldete Ver­hal­ten während der Vor­abklärung ohne Sank­tion­srisiko weit­er­hin aus­führen. Ander­er­seits könne das Sekre­tari­at der WEKO die konkreten Mark­tauswirkun­gen der umge­set­zten Wet­tbe­werb­s­beschränkung analysieren und auf dieser Grund­lage entschei­den, ob eine Unter­suchungseröff­nung notwendig sei.
  • Ein­führung von Ord­nungs­fris­ten bei Ver­wal­tungsver­fahren: Diese sollen zu ein­er wirk­samen Beschle­u­ni­gung der Ver­fahren führen. Der Bun­desrat schlägt vor, die Höch­st­dauer des Ver­wal­tungsver­fahrens grund­sät­zlich auf fünf Jahre – gerech­net von der Eröff­nung ein­er formellen Unter­suchung (ohne Berück­sich­ti­gung der Vor­abklärung) bis zu ein­er recht­skräfti­gen Ver­fü­gung über alle Instanzen – zu beschränken. Die Vor­lage sieht dabei die Ein­führung von Ord­nungs­fris­ten auf Grund­lage des «com­ply or explain»-Prinzips (Vorschriften ein­hal­ten oder Abwe­ichun­gen davon erk­lären) vor. Von der Gesamt­frist von 60 Monat­en ent­fall­en 30 Monate auf die Weko, da die Abklärung des Sachver­halts (z.B. Mark­tab­gren­zung, Markt- und Wet­tbe­werb­s­analyse) einen grösseren Arbeit­saufwand mit sich bringe, 18 Monate auf das Bun­desver­wal­tungs­gericht und 12 Monate auf das Bundesgericht.
  • Ein­führung von Parteientschädi­gun­gen für die Kosten der Ver­wal­tungsver­fahren: Mit der neuen Regelung sollen betrof­fene Unternehmen eine Parteienentschädi­gung erhal­ten kön­nen, sofern das Unter­suchungsver­fahren gemäss Artikel 27 KG durch die Wet­tbe­werb­s­be­hör­den ohne Fol­gen ganz oder teil­weise eingestellt wurde. Dies soll Abhil­fe dafür schaf­fen, dass kartell­rechtliche Unter­suchun­gen auf­grund der ver­fahren­srechtlichen Zwänge eine genaue Analyse erfordern und daher mehrere Jahre dauern können.
  • Anpas­sung von Art. 5 KG auf­grund des Gaba-Urteils: Der Bun­desrat schlägt auf­grund des aus­drück­lichen Wun­sches des Par­la­ments vor, Art. 5 Abs. 1 KG zu rev­i­dieren, indem auch bei harten hor­i­zon­tal­en und harten ver­tikalen Wet­tbe­werb­sabre­den quan­ti­ta­tive Kri­te­rien zu berück­sichti­gen seien. Ins­beson­dere auf­grund der Vielfalt und Kom­plex­ität des Wirtschaft­slebens sowie des mit dem Instru­ment der Mark­tab­gren­zung ein­herge­hen­den grossen Inter­pre­ta­tion­sspiel­raums seien fixe Schwellen­werte abzulehnen, son­dern es sei ein­er flex­i­blen Lösung im Sinne der Fes­tle­gung des erforder­lichen Mass­es des quan­ti­ta­tiv­en Ele­ments der Erhe­blichkeit im Einzelfall der Vorzug zu geben, indem einzelfall­weise ökonomis­che Aspek­te geprüft wür­den, und zwar sowohl bei der Erhe­blichkeit als auch wie bish­er bei der Effizien­zrecht­fer­ti­gung. Der Bun­desrat räumt indessen ein, dass diese Änderung ein gesteigertes Mass an Recht­sun­sicher­heit sowie ein­er Mehrbe­las­tung für die Wet­tbe­werb­s­be­hör­den und Gerichte mit sich bringe, und gle­ichzeit­ig den Bemühun­gen hin­sichtlich der Verkürzung der ver­wal­tungsrechtlichen Kartel­lver­fahren sowie betr­e­f­fend das Kartel­lzivil­recht ent­ge­gen­ste­hen würde. Schliesslich ste­he diese Änderung im Wider­spruch zum indi­rek­ten Gegen­vorschlag zur Fair-Preis-Ini­tia­tive, durch welchen die kartell­rechtliche Inter­ven­tion­ss­chwelle deut­lich gesenkt wor­den sei.

Der Bun­desrat äussert sich in seinem Bericht zudem zur Behand­lung von Arbeits­ge­mein­schaften (ARGE) unter dem KG und stellt klar, dass eine ARGE regelmäs­sig keine Wet­tbe­werb­sabrede darstelle, da sie keine Wet­tbe­werb­s­beschränkung bezwecke oder bewirke, son­dern die Koop­er­a­tion im Gegen­teil den Wet­tbe­werb fördere, indem sie Unternehmen (insb. KMU) über­haupt erst ermögliche, für ein bes­timmtes Pro­jekt zu offerieren und dieses durchzuführen. Kartell­rechtlich unzuläs­sig seien demge­genüber Sub­mis­sion­s­ab­sprachen, welche den Wet­tbe­werb immer erhe­blich beein­trächti­gen wür­den, da sie stets mit einem hohen Mark­tan­teil der Beteiligten am jew­eili­gen rel­e­van­ten Markt ein­herge­hen wür­den (und anson­sten als ARGE getarnte Kartelle für die Beteiligten auch wenig sin­nvoll seien). Der Gaba-Entscheid des Bun­des­gerichts habe daran nichts geändert.

Hier find­en Sie die Vernehm­las­sungsvor­lage, den erläutern­den Bericht sowie die Medi­en­mit­teilung des Bundesrats.