5A_907/2021: Verarrestierbarkeit von Austrittsleistungen und Altersleistungen aus einem Freizügigkeitskonto (FR; amtl. Publ.)

In diesem zur Publikation vorgesehenen Entscheid vom 20. April 2022 setzte sich das Bundesgericht mit der Frage der Verarrestierbarkeit einer Austrittsleistung und mit der Frage der Fälligkeit der Altersleistung nach Art. 92 Abs. 1 Ziff. 10 SchKG auseinander. Das Bundesgericht bestätigte im konkreten Fall, dass die Austrittsleistung des Schuldners bei der ehemaligen Vorsorgeeinrichtung nicht pfändbar ist, dies obschon der Schuldner (der damals über 60 war) dieser nicht mehr angeschlossen war und die Überweisung der Austrittsleistung  auf ein Freizügigkeitskonto bei einer Freizügigkeitseinrichtung vor dem Arrest beantragt hatte. Sodann kam das Bundesgericht zum Schluss, dass Altersleistungen aus einem Freizügigkeitskonto bei einer Freizügigkeitseinrichtung vor Erreichung des Endalters erst fällig werden und daher beschränkt pfändbar (Art. 93 SchKG) sind, wenn der Versicherte die Auszahlung verlangt und diese auch erhält.


Dem Entscheid lag fol­gen­der Sachver­halt zugrunde:

Der Schuld­ner B, geboren 1956, ist ist als selb­st­ständi­ger Recht­san­walt tätig. Bis am 31. Dezem­ber 2020 war B bei der Vor­sorgeein­rich­tung C frei­willig ver­sichert. Am 31. März 2020 teilte er der Vor­sorgeein­rich­tung mit, den Anschluss an die Vor­sorgeein­rich­tung zu kündi­gen, was C mit Wirkung per 31. Dezem­ber 2020 zur Ken­nt­nis nahm. Mit Schreiben vom 12. Jan­u­ar 2021 forderte B die Vor­sorgeein­rich­tung C auf, seine Aus­trittsleis­tung auf ein Freizügigkeit­skon­to bei der Freizügigkeit­sein­rich­tung D zu überweisen.

Mit Urteil vom 26. Mai 2020, das am 22. Dezem­ber 2020 vom Bun­des­gericht bestätigt wurde (Urteile 6B_815/2020, 6B_823/2020, 6B_826/2020 und 6B_831/2020), sprach die Cham­bre pénale d’ap­pel et de révi­sion de la Cour de jus­tice de Genève B u.a. der Bei­hil­fe zur unge­treuen Geschäfts­führung für schuldig und verpflichtete ihn u.a. zusam­men mit einem anderen Angeklagten, den Geschädigten A einen Betrag von CHF 20’460’487, zzgl. Zin­sen als Entschädi­gung für den materiellen Schaden zu bezahlen; sodann sprach sie eine Ersatz­forderung in gle­ich­er Höhe zzgl. Zin­sen zugun­sten des Staates Genf an A zu und ord­nete u.a. die Aufhe­bung gewiss­er Arreste an, ins­beson­dere der Arreste betr­e­f­fend die Aus­trittsleis­tung von B bei der C. Das Gen­fer Gericht hielt fest, dass die in Frage ste­hen­den Ver­mö­genswerte gemäss Art. 92 Abs. 1 Ziff. 10 SchKG unpfänd­bar seien und daher nicht Gegen­stand eines strafrechtlichen Arrests zur Sicherung ein­er Ersatz­forderung sein können.

Daraufhin liessen A diverse Ver­mö­genswerte von A ver­ar­restieren, darunter das Vor­sorgeguthaben bei der C oder D. Das Gen­fer Arrest­gericht erliess den entsprechen­den Arrest­be­fehl am 22. Jan­u­ar 2022. Der Arrest wurde gle­ichen­tags vom Gen­fer Betrei­bungsamt durch eine entsprechende Mit­teilung u.a. an die C und D vol­l­zo­gen. Zum Zeit­punkt des Arrestvol­lzugs war die Aus­trittsleis­tung, die B zuste­hen sollte, noch nicht an die D über­wiesen wor­den und wurde daher bei der Vor­sorgeein­rich­tung C verarrestiert.

Gegen die Arresturkunde erhob B SchKG-Beschw­erde und beantragte u.a. die Aufhe­bung des Arrests i.Z.m. der Aus­trittsleis­tung bei der C.

Mit Entscheid vom 21. Okto­ber 2021 hiess die Gen­fer Auf­sichts­be­hörde die Beschw­erde teil­weise gut und hob den Arrest bezüglich der Aus­trittsleis­tung bei der C auf.

Gegen diesen Entscheid erhoben A Beschw­erde beim Bun­des­gericht, welch­es die Beschw­erde abwies.


Pfänd­barkeit von Ansprüchen aus beru­flich­er Vorsorge

Vor Bun­des­gericht macht­en A u.a. eine Ver­let­zung von Art. 92 Abs. 1 Ziff. 10 SchKG gel­tend. Da der Schuld­ner über 60 Jahre alt war, den Anschluss an die Vor­sorgeein­rich­tung C gekündigt hat­te und die Über­weisung des Vor­sorgeguthabens an die Freizügigkeit­sein­rich­tung D beantragt hat­te, sei das Vor­sorgeguthaben pfänd­bar und damit ver­ar­restier­bar gewe­sen. Die Pfänd­barkeit dieser Guthaben hänge nur davon ab, ob der Schuld­ner das Vor­sorgeguthaben als Alter­sleis­tung beanspruchen könne, da der Vor­sorge­fall bere­its einge­treten sei. Der Schuld­ner wäre auf­grund von Art. 16 Abs. 1 FZV berechtigt, eine Auszahlung zu beanspruchen; die Fäl­ligkeit hänge jedoch nicht vom konkreten Antrag des Schuld­ners ab. Vor­liegend han­dle es sich bei dem Vor­sorgeguthaben um eine Alter­sleis­tung und nicht um eine Auszahlung ein­er Aus­trittsleis­tung nach Art. 5 FZG  und es beste­he keinen Grund, von einem anderen Begriff der Fäl­ligkeit auszuge­hen; der Anspruch sei fäl­lig, sobald der Ver­sicherte die untere Alters­gren­ze von Art. 16 Abs. 1 FZV erre­iche (E. 5.1).

Das Bun­des­gericht set­zte sich zunächst mit der Frage auseinan­der, ob die Aus­trittsleis­tung des Schuld­ners, die sich noch bei der ehe­ma­li­gen Vor­sorgeein­rich­tung befind­et, an welche er nicht mehr angeschlossen ist und welche er angewiesen hat, diese an eine Freizügigkeit­sein­rich­tung zu über­weisen, ver­ar­restier­bar ist (E. 6).

Gemäss Art. 275 SchKG gel­ten die Art. 91–109 SchKG sin­ngemäss für den Arrestvol­lzug. Der mass­gebende Zeit­punkt, um festzule­gen, ob ein Ver­mö­genswert pfänd­bar ist, ist der Arrestvol­lzug. Ein im Zeit­punkt des Arrestvol­lzugs unpfänd­bar­er Ver­mö­genswert kann mit dem nachträglichen Ein­treten von Ereignis­sen, die diesen pfänd­bar machen, mit Arrest belegt wer­den, allerd­ings unter der Bedin­gung, dass das Betrei­bungsamt aufge­fordert wird, eine neue Prü­fung des Ver­mö­gens des Schuld­ners vorzunehmen (E. 6.1).

Aus­gangslage: Art. 92 Abs. 1 Ziff. 10 SchKG

Gemäss Art. 92 Abs. 1 Ziff. 10 SchKG sind Ansprüche auf Vor­sorge- und Freizügigkeit­sleis­tun­gen gegen ei­ne Ein­rich­tung der beru­flichen Vor­sorge vor Ein­tritt der Fällig­keit unpfänd­bar. Diese Bes­tim­mung trägt dem Grund­satz des BVG Rech­nung, wonach der von den Vor­sorgeein­rich­tun­gen gebotene Schutz bis zum Tod oder zur Inva­lid­ität aufrechter­hal­ten wer­den muss. Die Unpfänd­barkeit gilt nicht nur für die oblig­a­torische beru­fliche Vor­sorge, son­dern auch für die Vor­sorge, die unter­halb oder ober­halb des Vor­sor­geoblig­a­to­ri­ums liegt. Nicht unter diesen Son­der­sta­tus fall­en hinge­gen das tra­di­tionelle Sparkon­to sowie die “freie” Vor­sorge­po­lice (bzw. Säule 3B), über die der Ver­sicherungsnehmer nach Belieben ver­fü­gen kann (E. 6.2).

Die beru­fliche Vor­sorge im Freizügigkeits­fall insbesondere

Das FZG regelt die Frage der Erhal­tung der beru­flichen Vor­sorge im Freizügigkeits­fall umfassend. Sein Hauptziel ist es, dem Ver­sicherten zu ermöglichen, seine Vor­sorge auf der Grund­lage der­jeni­gen, die er bere­its bei sein­er früheren Vor­sorgeein­rich­tung erwor­ben hat, zu erhal­ten bzw. weit­er aufzubauen (E. 6.2.1.1).

Ver­sicherte, welche die Vor­sorgeein­rich­tung ver­lassen, bevor ein Vor­sorge­fall ein­tritt (Freizügigkeits­fall), haben Anspruch auf eine Aus­trittsleis­tung. (Art. 2 Abs. 1 FZG). Die Aus­trittsleis­tung wird fäl­lig mit dem Aus­tritt aus der Vor­sorgeein­rich­tung (Art. 2 Abs. 3 Satz 1 FZG). Tritt die ver­sicherte Per­son nicht in eine andere Vor­sorgeein­rich­tung ein (vgl. Art. 3 FZG), muss sie ihrer Vor­sorgeein­rich­tung mit­teilen, in welch­er zuläs­si­gen Form sie den Vor­sorgeschutz erhal­ten will (Art. 4 Abs. 1 FZG). Im Gegen­satz zu den Grund­sätzen, die auf den Anspruch auf Leis­tun­gen aus ein­er Pen­sion­skasse Anwen­dung find­en, ist die Beendi­gung der Erwerb­stätigkeit grund­sät­zlich nicht entschei­dend. Das Ziel der Erhal­tungs­for­men des Vor­sorgeschutzes beste­ht ins­beson­dere darin, Ver­sicherte, die ihre Erwerb­stätigkeit vor Ein­tritt eines Vor­sorge­falls aufgeben (Art. 1 Abs. 2 FZG) und beim Aus­tritt aus der Vor­sorgeein­rich­tung die Voraus­set­zun­gen für eine Barauszahlung nicht erfüllen oder diese nicht ver­lan­gen (Art. 5 FZG), bis zur Begrün­dung des Anspruchs auf Alter­sleis­tun­gen zu schützen. Diese Guthaben bleiben in der 2. Säule, d.h. sie gel­ten als auss­chliesslich und unwider­ru­flich der Vor­sorge dienend und kön­nen gemäss Art. 13 Abs. 2 FZV nur beim Vor­liegen eines im Gesetz vorge­se­henen Fall­es aus­bezahlt wer­den. Zuge­lassene For­men der Erhal­tung des Vor­sorgeschutzes sind gemäss Art. 10 FZV das Freizügigkeit­skon­to und die Freizügigkeit­spo­lice, die von Freizügigkeit­sein­rich­tun­gen ver­wal­tet wer­den. Freizügigkeit­sein­rich­tun­gen gehören zwar zur beru­flichen Vor­sorge im weit­eren Sinne (Art. 1 Abs. 1 BVG), sie qual­i­fizieren jedoch nicht als Vor­sorgeein­rich­tun­gen i.S.v. Art. 48 BVG. Die Erhal­tung des Vor­sorgeschutzes find­et in diesem Fall ausser­halb der Weit­er­führung der Ver­sicherung bei ein­er Vor­sorgeein­rich­tung statt und die Vor­sorgeguthaben wer­den während der Dauer, in welch­er die Per­son an eine Vor­sorgeein­rich­tung nicht angeschlossen ist, aufrechter­hal­ten (E. 6.2.1.2.1).

Entste­hung des Anspruchs auf Altersleistung 

Bei der Erhal­tung des Vor­sorgeschutzes sind die Form und der Umfang der Leis­tun­gen im Alters‑, Todes oder Inva­lid­itäts­fall im Ver­trag bzw.  im Regle­ment der Freizügigkeit­sein­rich­tung geregelt, wobei Freizügigkeit­sein­rich­tun­gen Art. 13 bis Art. 18 FZG zu beacht­en haben. Im Gegen­satz zu den Vor­sorgeein­rich­tun­gen, welche einen Anspruch auf Alter­sleis­tun­gen im Fall ein­er Früh­pen­sion­ierung unter bes­timmten Voraus­set­zun­gen vorse­hen kön­nen, sieht Art. 16 Abs. 1 FZV vor, dass Alter­sleis­tun­gen früh­estens fünf Jahre vor und spätestens fünf Jahre nach dem ordentlichen Pen­sion­ierungsalter gemäss Art. 13 Abs. 1 BVG aus­bezahlt wer­den kön­nen. Während der 10-jähri­gen Peri­ode (d.h. zwis­chen dem Alter 59/60 und 69/70 ) ist eine Auszahlung mit der Auf­gabe der Erwerb­stätigkeit nicht ver­bun­den; vielmehr wird die Alter­sleis­tung auf Ver­lan­gen des Anspruchs­berechtigten aus­bezahlt, es sei denn die Auszahlung ein­er Police während dieser Peri­ode ver­traglich vorge­se­hen wurde. Gemäss bun­des­gerichtlich­er Recht­sprechung set­zt die Entste­hung des Anspruchs auf Alter­sleis­tung im Fall ein­er Früh­pen­sion­ierung  im oblig­a­torischen Bere­ich der beru­flichen Vor­sorge neb­st der Erfül­lung der im Gesetz vorge­se­henen Voraus­set­zun­gen eine Wil­len­säusserung des Ver­sicherten voraus. Dies gilt auch für Art. 16 Abs. 1 FZV (E. 6.2.1.2.2).

Eine Barauszahlung der Aus­trittsleis­tung kann nur unter den Voraus­set­zun­gen gemäss Art. 5 FZG erfol­gen. Diese ist von der Kap­i­ta­l­abfind­ung gemäss Art. 37 BVG zu unter­schei­den: Die Barauszahlung kann grund­sät­zlich nur erfol­gen, wenn noch kein Vor­sorge­fall einge­treten ist; die Kap­i­ta­l­abfind­ung set­zt hinge­gen einen Vor­sorge­fall voraus (E. 6.2.1.3).

Beschränk­te Pfänd­barkeit fäl­liger Ansprüche aus beru­flich­er Vor­sorge (2. Säule und Säule 3A)

Sobald die Ansprüche aus beru­flich­er Vor­sorge (2. Säule und Säule 3A) fäl­lig wer­den, sind diese gemäss Art. 93 Abs. 1 SchKG beschränkt pfänd­bar, was ins­beson­dere für aus­bezahlte Alter­sleis­tun­gen nach Art. 16 Abs. 1 FZV gilt (E. 6.2.2).

Unbeschränk­te Pfänd­barkeit der Barauszahlung nach Art. 5 FZG

Dage­gen ist die Barauszahlung nach Art. 5 FZG uneingeschränkt pfänd­bar und ver­ar­restier­bar, da diese die Erhal­tung des Leben­sun­ter­halts des Schuld­ners nicht bezweckt. Dies stellt einen wesentlichen Unter­schied zur Kap­i­ta­l­abfind­ung gemäss Art. 39 BVG dar (Art. 6.2.2).

Das Bun­des­gericht erwog im konkreten Fall, dass die Aus­trittsleis­tung des Schuld­ners nicht pfänd­bar ist, da keine Barauszahlung nach Art. 5 FZG erfol­gte und die Über­weisung der Aus­trittsleis­tung an die Freizügigkeit­sein­rich­tung die Erhal­tung des Vor­sorgeschutzes bezweck­te (E. 6.3).


Fäl­ligkeit (Art. 92 Abs. 1 Ziff. 10 SchKG) der Altersleistung

Das Bun­des­gericht kam damit zum Schluss, dass sich vor­liegend einzig die Frage stellt, unter welchen Voraus­set­zun­gen Alter­sleis­tun­gen aus einem Freizügigkeit­skon­to ein­er Freizügigkeit­sein­rich­tung i.S.v. Art. 92 Abs. 1 Ziff. 10 SchKG fäl­lig wer­den (E. 6.3).

Begriff der “Fäl­ligkeit” gemäss Art. 92 Abs. 1 Ziff. 10 SchKG und Art. 39 BVG

Angesichts des engen Bezugs von Art. 92 Abs. 1 Ziff. 10 SchKG zu Art. 39 BVG, die das gle­iche Ziel ver­fol­gen, näm­lich den Schutz der Rechte der Ver­sicherten gegenüber den Vor­sorgeein­rich­tun­gen, sind Art. 39 Abs. 1 Satz 1 BVG und Art. 92 Abs. 1 Ziff. 10  SchKG gle­ich auszule­gen, wobei sich der Begriff der Fäl­ligkeit in bei­den Bes­tim­mungen vom zivil­rechtlichen Fäl­ligkeits­be­griff  (Art. 75 OR) unter­schei­det (E. 6.3.1).

In der beru­flichen Vor­sorge wird eine Leis­tung der beru­flichen Vor­sorge mit der Entste­hung des Anspruchs auf diese Leis­tung gemäss den gel­tenden geset­zlichen und regle­men­tarischen Bes­tim­mungen fäl­lig. Die Erfül­lung kann ver­langt wer­den, sobald die Forderung auf kün­ftige Leis­tun­gen nicht mehr nur eine Anwartschaft ist, son­dern tat­säch­lich erfüllt wer­den kann. Obwohl von “Fäl­ligkeit” die Rede ist, um den Zeit­punkt zu bes­tim­men, zu welchem Leis­tun­gen gemäss Art. 39 BVG abge­treten, verpfän­det oder ver­rech­net wer­den kön­nen, han­delt es sich in Wirk­lichkeit um den Zeit­punkt, zu dem sie erfüllt wer­den müssen, um u.a. zu ver­hin­dern, dass sich diese Hand­lun­gen auf zukün­ftige Forderun­gen beziehen bzw. auswirken (E. 6.3.2).

Bun­des­gerichtliche Recht­sprechung zur Fäl­ligkeit von Austrittsleistungen

I.Z.m. Art. 92 Ziff. 10 SchKG hat das Bun­des­gericht in Bezug auf die Barauszahlung der Aus­trittsleis­tung im Freizügigkeits­fall (Art. 5 FZG) entsch­ieden, dass die blosse Möglichkeit, die Auszahlung zu ver­lan­gen, die Fäl­ligkeit der Leis­tung nicht her­beiführt. Der Antrag auf Barauszahlung der Aus­trittsleis­tung im Freizügigkeits­fall ist eine auf­schiebende und potes­ta­tive Bedin­gung, von der die Fäl­ligkeit des Zahlungsanspruchs abhängt. Solange ein solch­er Antrag nicht gestellt wird, ist die Freizügigkeit­sleis­tung der Erhal­tung des Vor­sorgeschutzes zuzuord­nen. Fern­er hat das Bun­des­gericht fest­ge­hal­ten, dass es für die Fäl­ligkeit von Leis­tun­gen aus der 2. Säule und der Säule 3A nicht genügt, dass das ver­sicherte Ereig­nis einge­treten ist: Die Fäl­ligkeit hängt nicht nur vom Ein­tritt des ver­sicherten Ereigniss­es, son­dern auch von der Auszahlung der Leis­tun­gen ab. Dabei hat das Bun­des­gericht betont, dass die  Fäl­ligkeit ein­er Freizügigkeit­spo­lice nicht mit der Fäl­ligkeit der Alter­sleis­tung aus Sicht des SchKG zu ver­wech­seln ist, d.h. dem Zeit­punkt, zu dem die Leis­tung aus­bezahlt wer­den muss oder hätte aus­bezahlt wer­den müssen. Schliesslich hat das Bun­des­gericht auch fest­ge­hal­ten, dass es nicht miss­bräuch­lich ist, sich auf Bes­tim­mungen zu berufen, die es erlauben, die Aus­trittsleis­tung für den Vor­sorgeschutz zu erhal­ten, auch wenn die Bedin­gun­gen für eine Auszahlung erfüllt sind (E. 6.3.3).

Fäl­ligkeit der Aus­tritts- bzw. Alter­sleis­tung nach Art. 16 Abs. 1 FZV und Art. 92 Abs. 1 Ziff. 10 SchKG

Selb­st wenn sich Art. 16 Abs. 1 FZV im Gegen­satz zu Art. 5 FZG nicht aus­drück­lich auf den Auszahlungsantrag des Anspruchs­berechtigten bezieht, wird die Alter­sleis­tung im Bere­ich der Erhal­tung des Vor­sorgeschutzes von Geset­zes wegen erst mit Erre­ichung des Endal­ters 69/70 fäl­lig (E. 6.3.4).

Vor Erre­ichung des Endal­ters ist der Anspruchs­berechtigte unab­hängig von der Ausübung ein­er Erwerb­stätigkeit — anders als bei Alter­sleis­tun­gen aus ein­er Pen­sion­skasse (Art. 13 BVG) — befugt, die Fäl­ligkeit der Vor­sorgeleis­tung zu bes­tim­men, was eine Beson­der­heit der Regelung für Freizügigkeit­skon­ten und ‑poli­cen darstellt (E. 6.3.4). Daraus ergibt sich dass die Fäl­ligkeit der auf ein Freizügigkeit­skon­to bzw. eine Freizügigkeit­spo­lice über­wiese­nen Aus­trittsleis­tung i.S.v. Art. 92 Abs. 1 Ziff. 10 SchKG beim Ein­tritt des Vor­sorge­falls einen Antrag des Anspruchs­berechtigten voraus­set­zt. Wie bei der Barauszahlung der Aus­trittsleis­tung (Art. 5 FZG) stellt dieser Antrag eine auf­schiebende und potes­ta­tive Bedin­gung dar, von der die Fäl­ligkeit des Auszahlungsanspruchs abhängt und die als Ausübung eines Gestal­tungsrechts zu ver­ste­hen ist. Fol­glich ist die Aus­trittsleis­tung fäl­lig (Art. 92 Abs. 1 Ziff. 10 SchKG) und damit beschränkt pfänd­bar (Art. 93 SchKG), wenn der Anspruchs­berechtigte deren Auszahlung ver­langt und diese auch tat­säch­liche erhält. Vor dem Antrag han­delt es sich lediglich um eine Anwartschaft gegenüber der Freizügigkeit­sein­rich­tung (E. 6.3.5).

Im konkreten Fall bestätigte das Bun­des­gericht den Entscheid der Vorin­stanz im Ergeb­nis: Man­gels Auszahlungsantrags des Schuld­ners ist die Alter­sleis­tung gemäss Art. 92 Abs. 1 Ziff. 10 SchKG nicht fäl­lig (E. 6.4).