4A_298/2021 — Unterbrechung der Verjährung durch ein Schlichtungsgesuch, dessen Anträge auf Schweizer Franken anstatt in Euro lauten (amtl. Publ.)

In diesem Urteil klärte das Bun­des­gericht, dass ein Schlich­tungs­ge­such für Forderun­gen, die anstatt in Euro auf Schweiz­er Franken laut­en, die Ver­jährung gültig unterbrechen.

Gegen­stand des Ver­fahrens war eine von ein­er Pati­entin gegen ein Pri­vat­spi­tal und die behan­del­nden Ärzte mit­tels Schlich­tungs­ge­such ein­gere­ichte, auf Schweiz­er Franken lau­t­ende Ver­ant­wortlichkeit­sklage. Dieses Gesuch erfol­gte inner­halb der Frist von 10 Jahren ab dem chirur­gis­chen Ein­griff. Die kan­tonalen Gerichte wiesen die auf Schweiz­er Franken lau­t­en­den Rechts­begehren der Pati­entin ab, mit der Begrün­dung, dass sie auf Euro hät­ten laut­en müssen, da der Schaden in Frankre­ich, dem Wohnort der Pati­entin, ent­standen sei. Daraufhin reichte die Pati­entin ein zweites Schlich­tungs­ge­such ein, dieses mal mit Rechts­begehren, die auf Euro lauteten. Dieses Gesuch erfol­gte nach Ablauf der Frist von 10 Jahren ab dem chirur­gis­chen Ein­griff. Die kan­tonalen Gerichte wiesen diese zweite Klage ab, mit der Begrün­dung, dass die in Euro gestell­ten Rechts­begehren ver­jährt seien, da das erste Schlich­tungs­ge­such die Ver­jährung nicht unter­brochen hätte. Das Bun­des­gericht hob auf Beschw­erde hin dieses Urteil auf und wies die Ver­jährung­seinrede ab sowie die Sache zur Fort­set­zung des Ver­fahrens an das kan­tonale Gericht zurück.

Das Bun­des­gericht rief zunächst seine Recht­sprechung zur Währung, in welch­er ein Gläu­biger seine Anträge stellen müsse, und die Kon­se­quenz von Anträ­gen in ein­er falschen Währung in Erin­nerung (E. 5). So müsse ein Gläu­biger Geld­schulden unab­hängig von ihrem Grund in der Währung des Staates fordern, in dem die Ver­mö­gens­min­derung ein­trete, also in der Währung seines Wohn­sitzes oder seines Sitzes (E. 5.1). Eine fälschlicher­weise in Schweiz­er Franken ein­geleit­ete Klage müsse abgewiesen wer­den. Dem Gläu­biger verbleibe indessen die Möglichkeit, eine neue Klage in aus­ländis­ch­er Wàhrung einzure­ichen. Im Hin­blick auf die Einrede der materiellen Recht­skraft (Art. 59 Abs. 2 Bst. e ZPO) sei der Gegen­stand der neuen Klage in aus­ländis­ch­er Währung nicht iden­tisch mit dem Gegen­stand des ersten Urteils in Schweiz­er Franken (E. 5.2).

Hin­sichtlich der Frage, ob die erste Klage, deren Rechts­begehren auf Schweiz­er Franken gelautet hat­ten und die inner­halb der zehn­jähri­gen Ver­jährungs­frist (Art. 127 OR) ein­gere­icht wor­den war, die Ver­jährungs­frist für die Schaden­er­satz­forderung der Klägerin unter­brochen hätte, erin­nerte das Bun­des­gericht zunächst an das öffentliche Inter­esse des Insti­tuts der Ver­jährung (E. 6.1) sowie an die Möglichkeit­en, die Ver­jährung zu unter­brechen, und den Anforderun­gen an eine solche Unter­brechung (E. 6.2). Dabei wies das Bun­des­gericht darauf hin, dass die unrichtige Beze­ich­nung ein­er Partei ohne Fol­gen hin­sichtlich der Ver­jährung­sun­ter­brechung bleibe, wenn die Iden­tität der richti­gen Partei klar erkennbar sei (E. 6.2.1.2).

Im Ein­klang mit dieser Recht­sprechung und dem Ver­trauensgrund­satz, auf dem die Gültigkeit der Ver­jährung­sun­ter­brechung trotz der unrichti­gen Beze­ich­nung ein­er Partei beruhe, sei, so das Bun­des­gericht, anzunehmen, dass ein Gläu­biger, der rechtzeit­ig eine erste Klage in Schweiz­er Franken für eine in aus­ländis­ch­er Währung geschuldete Forderung an eine Schlich­tungs­be­hörde ein­gere­icht habe, die Ver­jährungs­frist wirk­sam unter­breche. Der Gläu­biger habe damit ein­er amtlichen Stelle seine Absicht, die Zahlung sein­er Forderung zu erwirken, ord­nungs­gemäss mit­geteilt und sein Schuld­ner hätte diese Absicht ver­standen oder nach dem Ver­trauen­sprinzip ver­ste­hen müssen. Die Forderung sei durch ihre Grund­lage hin­re­ichend indi­vid­u­al­isiert, und die Beträge in Schweiz­er Franken und Euro seien nur zwei Seit­en der­sel­ben Medaille. Diese Lösung dränge sich gemäss Bun­des­gericht aus zwei weit­eren Grün­den auf: Erstens unter­breche ein (zwin­gend) in Schweiz­er Franken aus­gestelltes Betrei­bungs­begehren die Ver­jährung der in aus­ländis­ch­er Währung geschulde­ten Forderung wirk­sam; zweit­ens erlasse das Gericht, wenn es mit Anträ­gen auf Zahlung und Recht­söff­nung befasst sei, für ein und dieselbe Forderung gle­ichzeit­ig eine Verurteilung in aus­ländis­ch­er Währung und die Recht­söff­nung des Rechtsvorschlags gegen den Zahlungs­be­fehl in Schweiz­er Franken. Es wäre damit nicht einzuse­hen, weshalb die Ver­jährung ein­er Forderung in aus­ländis­ch­er Währung durch ein Betrei­bungs­begehren in Schweiz­er Franken unter­brochen wer­den kön­nte, nicht aber durch ein Schlich­tungs­begehren in Schweiz­er Franken (E. 6.2.2).

Mit der Ein­re­ichung des ersten Schlich­tungs­ge­suchs inner­halb der zehn­jähri­gen Ver­jährugs­frist habe die Pati­entin mit­geteilt, dass sie gestützt auf einen ange­blichen, auf­grund eines chirur­gis­chen Ein­griffs erlit­te­nen Schaden eine Schaden­er­satz­forderung durch­set­zen wolle. Damit habe sie mit ihren, auf Schweiz­er Franken lau­t­en­den Rechts­begerhen, die Ver­jährung wirk­sam unter­brochen, und zwar zwar ungeachtet des weit­eren Ver­fahrensver­laufs (E. 6.3).