4A_398/2022: Umrechnungszeitpunkt bei Verrechnung mit Fremdwährungsforderungen (amtl. Publ.)

Das Bun­des­gericht entsch­ied in diesem Urteil die bis­lang offene Frage, wonach gemäss dis­pos­i­tivem Geset­zes­recht (Art. 124 Abs. 2 OR) bei der Ver­rech­nung mit Fremd­währungs­forderun­gen die Fäl­ligkeit der Ver­rech­nungs­forderung der rel­e­vante Zeip­tunkt für die Umrech­nung ist.

Hin­ter­grund war eine Forderung ein­er der bei­den Klägerin­nen, die unter anderem gel­tend machte, die Beklagten hät­ten bei Ver­rech­nun­gen falsche Umrech­nungskurse zu ihrem Nachteil angewen­det. Sie kri­tisierte, dass die Beklagten auf den Wech­selkurs im Zeit­punkt der Fäl­ligkeit der Ver­rech­nungs­forderun­gen abgestellt hat­ten. Stattdessen hät­ten sie die Umrech­nung im Zeit­punkt der Ver­rech­nungserk­lärung anwen­den müssen. Vor den kan­tonalen Instanzen drang die Klägerin mit dieser Forderung jedoch nicht durch.

Das Bun­des­gericht bestätigte die kan­tonalen Entschei­de. Dabei hielt es vor­ab fest, dass hin­sichtlich der Frage, auf welchen Umrech­nungszeit­punkt bei ein­er Ver­rech­nungs­forderung abzustellen sei, aus Art. 84 Abs. 2 OR nichts abgeleit­et wer­den könne. Ins­beson­dere ergebe sich aus dieser Bes­tim­mung nicht e con­trario, dass der Gläu­biger als Ver­rech­nen­der keine Umrech­nungs­befug­nis habe. Vielmehr habe diese Bes­tim­mung auss­chliesslich den Unter­gang der Oblig­a­tion durch Erfül­lung, d.h. durch Zahlung im Auge, und beziehe sich nicht auch auf die übri­gen Arten des Erlöschens, bei denen, wie ger­ade bei der Ver­rech­nung, der Schuld­ner von ein­er Erfül­lung befre­it sei (E. 7.5).

Daraufhin bestätigte das Bun­des­gericht die Anwen­dung von Art. 124 Abs. 2 OR durch die Vorin­stanz. Aus dieser Bes­tim­mung sei, so das Bun­des­gericht, abzuleit­en, dass die Rück­wirkung der Tilgung auf den Zeit­punkt der Fäl­ligkeit der Ver­rech­nungs­forderung auch mass­gebend sei für den Umrech­nungskurs. Diese Rück­wirkung sei gerecht­fer­tigt, weil der zur Ver­rech­nung Befugte, solange kein Stre­it zwis­chen ihm und dem Ver­rech­nungs­geg­n­er beste­he, keine drin­gende Ver­an­las­sung habe, von seinem Ver­rech­nungsrecht Gebrauch zu machen. Dieses vom Gesetz als entschuld­bar betra­chtete Zuwarten mit der Ver­rech­nungserk­lärung solle ihm nicht schaden; er solle daher, wenn er ver­rechne, in die Lage kom­men, wie wenn er bei erster Möglichkeit ver­rech­net hätte. Mit dieser Über­legung stimme übere­in, dass die Rück­wirkung auch für die Umrech­nung von Fremd­währungs­forderun­gen gelte. Auch dies­bezüglich solle dem Ver­rech­nen­den das Zuwarten nicht schaden (E. 7.7). Das von den Klägerin­nen dage­gen vorge­brachte Argu­ment, der Ver­rech­nende könne bei dieser Ausle­gung risikolose Währungs­gewinne erzie­len, liess das Bun­des­gericht nicht gel­ten. Der Ver­rech­nende kenne, so das Bun­des­gericht, sowohl den Umrech­nungskurs im Zeit­punkt der Fäl­ligkeit als auch jenen im Zeit­punkt der Ver­rech­nung. Sei der Fäl­ligkeit­skurs bess­er, würde er sich für die Ver­rech­nung entschei­den, sei der Kurs im Zeit­punkt der ins Auge gefassten Ver­rech­nung bess­er, würde er auf die Ver­rech­nung verzicht­en und stattdessen die Bezahlung der Forderung (auf dem Betrei­bungsweg) gel­tend machen. Dem Ver­rech­nungs­geg­n­er ste­he es frei, seine Schuld so rasch als möglich zu begle­ichen. Mit dem Zuwarten nehme er selb­st an der Währungsspeku­la­tion teil. Wenn diese sich zu seinen Ungun­sten auswirke, könne er sich nicht auf den Grund­satz berufen, dass dem Ver­rech­nungs­geg­n­er aus der Ver­rech­nung kein Nachteil erwach­sen solle. Dies gelte umso mehr im vor­liegen­den Fall, in dem die Parteien die Ver­rechen­barkeit von gegen­seit­i­gen Forderun­gen ver­traglich vere­in­bart hat­ten, und also auch die Klägerin­nen ihrer­seits hät­ten ver­rech­nen kön­nen (E. 7.9). Zudem sei zu beacht­en, dass Art. 124 Abs. 2 OR dis­pos­i­tives Recht darstelle. Für ver­tragliche Forderun­gen kön­nten die Parteien abwe­ichende Regelun­gen vorse­hen, wenn sie dies zur Ver­mei­dung der Gefahr, dass der Ver­rech­nende als ungerecht­fer­tigt emp­fun­dene Währungs­gewinne erzie­len kön­nte, für angezeigt hiel­ten. Auch aus diesem Grund beste­he kein Anlass, die im Gesetz vorge­se­hene Rück­wirkung der Ver­rech­nung nicht auch auf den Umrech­nungszeit­punkt anzuwen­den. Vor­liegend hat­ten die Parteien aus­drück­lich die Ver­rechen­barkeit bes­timmter Forderun­gen vere­in­bart. Die Klägerin­nen hät­ten dem­nach gewusst, dass die Ver­rech­nung von gegen­seit­i­gen Forderun­gen in unter­schiedlich­er Währung zuläs­sig gewe­sen wäre und hät­ten von Beginn weg damit rech­nen müssen, dass die Beklagten ihre Fremd­währungs­forderun­gen zur Ver­rech­nung brin­gen wür­den. Den­noch sei in den Vere­in­barun­gen darauf verzichtet wor­den, den Umrech­nungszeit­punkt zu regeln. Unter diesem Gesicht­spunkt sei es fol­gerichtig, dass die in der dis­pos­i­tiv­en Vorschrift von Art. 124 Abs. 2 OR vorge­se­hene Rück­wirkung auch auf den Umrech­nungszeit­punkt zum Tra­gen komme. Man­gels spezieller Regelung hät­ten die Parteien jeden­falls mit der Anwen­dung dieser Bes­tim­mung rech­nen müssen (E. 7.10).

Grund­sät­zlich zu Recht rügten die Klägerin­nen nach Auf­fas­sung des Bun­des­gerichts, dass das kan­tonale Gericht im Rah­men der objek­tivierten Ver­tragsausle­gung zu Unrecht das nachträglichen Parteiver­hal­ten berück­sichtigt hat­te. Allerd­ings fehlte es dies­bezüglich an Entschei­drel­e­vanz (E. 5.5).