4A_41/2023: Aufgrund des gewählten Verfahrensrechts nicht oder nur sehr beschränkt überprüfbare Schiedsentscheide (amtl. Publ.)

Mit Entscheid 4A_41/2023 vom 12. Mai 2023 befasste sich das Bun­des­gericht mit ein­er Beschw­erde gegen einen Entscheid eines Rab­binis­chen Schieds­gerichts mit Sitz in Zürich.

Die Parteien unterze­ich­neten im Sep­tem­ber 2022 eine Vere­in­barung, wonach ihr Stre­it über eine Geld­forderung von einem Rab­binis­chen Schieds­gericht entsch­ieden wer­den soll. Im Jan­u­ar 2023 fällte das Rab­binis­che Schieds­gericht “nach Anhörung und Prü­fung aller Argu­mente bei­der Parteien” ein Urteil. Das Urteil enthielt keine Begrün­dung, wed­er Aus­führun­gen zum Sachver­halt noch rechtliche Erwä­gun­gen. Der Beklagte erhob gegen dieses Urteil Beschwerde. 

Nach ein­er Prü­fung fol­gerte das Bun­des­gericht, dass beim ange­focht­en Urteil sämtliche Merk­male eines Schied­sentschei­ds im Sinne von Art. 189 IPRG vor­liegen würden.

Das Bun­des­gericht erk­lärte in diesem Zusam­men­hang, dass das Ver­bot geistlich­er Gerichts­barkeit hier nicht greifen würde. Die von der Bun­desver­fas­sung unter­sagte geistliche Gerichts­barkeit erfasse ein frei­willig vere­in­bartes kirch­lich­es Schieds­gericht nicht, sofern es in einem schieds­fähi­gen, d.h. in einem der freien Partei­dis­po­si­tion unter­ste­hen­den Bere­ich entschei­de. Rab­binis­che Schieds­gerichte seien mithin zuläs­sig, soweit es um schieds­fähige Angele­gen­heit­en gehen würde. Gemäss Bun­des­gericht war die vor­liegende Stre­it­sache unbe­strit­ten­er­massen schieds­fähig, gehe es doch um ver­mö­gen­srechtliche Ansprüche. Das Rab­binis­che Schieds­gericht sei mithin ein zuläs­siges Schieds­gericht im Sinne von Art. 189 IPRG.
Das Bun­des­gericht erk­lärte indes, dass der Entscheid des Rab­binis­chen Schieds­gerichts zwar der Beschw­erde an das Bun­des­gericht unter­liegen würde, eine Über­prü­fung jedoch nicht stat­tfind­en könne.
Sowohl das Ver­fahren als auch die Regelung von Form und Inhalt des Schied­sentschei­ds unter­stün­den in erster Lin­ie der Parteiau­tonomie (Art. 189 Abs. 1 IPRG). Je nach gewählten Prozessvorschriften könne dies zu Prob­le­men bei der Anfech­tung und Voll­streck­ung des Schied­sentschei­ds führen. Namentlich wenn das Urteil etwa bloss mündlich eröffnet wer­den oder nicht begrün­det sein muss, reduziere sich die Möglichkeit ein­er effek­tiv­en (und erfol­gre­ichen) Beschw­erde­führung erhe­blich, weil das Bun­des­gericht kaum beurteilen könne, ob ein angerufen­er Beschw­erde­grund nach Art. 190 Abs. 2 IPRG vor­liegen würde.
Damit das Bun­des­gericht den ange­focht­e­nen Schiedsspruch effek­tiv über­prüfen könne, bedürfe es zudem tat­säch­lich­er Fest­stel­lun­gen zum Ver­fahrens­ablauf und zur Stre­it­sache. Denn das Bun­des­gericht könne die Sachver­halts­fest­stel­lung des Schieds­gerichts wed­er berichti­gen noch ergänzen. Auch die sehr eingeschränk­te Über­prü­fungsmöglichkeit von Sachver­halts­fest­stel­lun­gen (wenn diesen gegenüber zuläs­sige Rügen im Sinne von Art. 190 Abs. 2 IPRG vorge­bracht oder aus­nahm­sweise Noven berück­sichtigt wür­den), könne von vorn­here­in nicht greifen, wenn keine Sachver­halts­fest­stel­lun­gen im ange­focht­e­nen Schiedsspruch enthal­ten seien.
Das Bun­des­gericht führte aus, dass die Parteien solche Prob­leme der Anfech­tung und allen­falls der Voll­streck­ung in Kauf nehmen wür­den, wenn sie sich auf entsprechende Ver­fahrens­bes­tim­mungen eini­gen. Da sie dies in einem Bere­ich tun wür­den, der in ihrer freien Ver­füg­barkeit liege, beste­he kein Anlass, durch zwin­gende Min­destvorschriften kor­rigierend einzu­greifen. Je nach dem von den Parteien gewählten Ver­fahren­srecht könne sich dem­nach die Sit­u­a­tion ein­stellen, dass ein Schied­sentscheid zwar grund­sät­zlich mit Beschw­erde an das Bun­des­gericht anfecht­bar sei, jedoch de fac­to nicht oder nur sehr beschränkt über­prüf­bar sei. So ver­halte es sich gemäss Bun­des­gericht im zu beurteilen­den Fall:
Das Bun­des­gericht ver­wies auf die fol­gende Klausel der Schiedsvere­in­barung: “All dies geschieht aus freiem Willen ( und unter den hiefür nach jüdis­chem Gesetz geregel­ten Proze­duren), und unter Berück­sich­ti­gung der jüdis­chen und weltlichen Geset­ze.” Das Bun­des­gericht bemerk­te, dass der Ver­weis auf die nach jüdis­chem Gesetz geregel­ten Proze­duren klar sei und bedeute, dass das Rab­binis­che Schieds­gericht nach jüdis­chem Ver­fahren­srecht ver­fahren würde, das vom Grund­satz der Mündlichkeit geprägt sei.
Entsprechend liege dem Bun­des­gericht einzig das nicht begrün­dete Entschei­d­dis­pos­i­tiv vom Jan­u­ar 2023 vor. Dieses enthalte wed­er Fest­stel­lun­gen zum Prozess­sachver­halt noch solche zur Sache und eben­so wenig rechtliche Erwä­gun­gen. Dies erschwere die Anfech­tung ganz erhe­blich, was die Parteien aber mit der frei­willi­gen und zuläs­si­gen Vere­in­barung der Anwen­dung jüdis­chen Ver­fahren­srechts in Kauf genom­men hätten.
Dementsprechend befand das Bun­des­gericht unter anderem, dass die Rüge der Ver­let­zung des Gle­ich­be­hand­lungs­grund­satzes und des Gehör­sanspruchs nicht geprüft wer­den könne, da Fest­stel­lun­gen zum Prozessver­lauf fehlen wür­den. Die Vor­brin­gen in der Beschw­erde fän­den keine Stütze im ange­focht­e­nen Schiedsspruch vom Jan­u­ar 2023. Es sei nicht Sache des Bun­des­gerichts, diese anhand der ein­gere­icht­en Schied­sak­ten zu ver­i­fizieren und den Prozessver­lauf nachzukonstruieren.
Das Bun­des­gericht kam dem­nach zum Schluss, dass die erhobe­nen Rügen de fac­to alle­samt ein­er bun­des­gerichtlichen Prü­fung nicht zugänglich seien. Das Bun­des­gericht wies die Beschw­erde fol­glich ab.