4A_145/2023: Vorkaufsrecht (amtl. Publ.)

Das Bun­des­gericht hat­te sich in diesem Urteil mit ver­schiede­nen Fra­gen im Zusam­men­hang mit einem unter altem Recht begrün­de­ten Vorkauf­s­recht auseinanderzusetzen.

Hin­ter­grund war — vere­in­facht — die Vere­in­barung eines gegen­seit­i­gen Vorkaufrechts für zwei Grund­stücke für eine Dauer von 30 Jahren, welch­es für eine Dauer von 10 Jahren im Grund­buch vorge­merkt wurde. Das eine Grund­stück ging später auf­grund Erb­gang auf die bei­den Erbin­nen und das andere Grund­stück auf­grund eines Abtre­tungsver­trags auf Rech­nung kün­ftiger Erb­schaft auf die bei­den Erben der bei­den ursprünglichen Frauen, welche miteinan­der die gegen­seit­i­gen Vorkaufrechte vere­in­bart hat­ten, über. Die bei­den Erbin­nen übertru­gen ein paar Jahre später das Grund­stück an eine GmbH und informierten ein paar Tage nach der Ein­tra­gung der Gesellschaft im Grund­buch die bei­den Erben über den Verkauf. Let­ztere übten daraufhin das Vorkauf­s­recht aus. Die bei­den Erben reicht­en in der Folge Klage beim Region­al­gericht Bern-Mit­tel­land wegen Ver­let­zung des Vorkauf­s­rechts ein. Unter anderem ver­langten die bei­den Erben, die Erbin­nen seien zu verpflicht­en, einen noch zu bez­if­fer­n­den, CHF 30’000 über­steigen­den Betrag als Schaden­er­satz neb­st Zins zu bezahlen. Im Zuge des Beweisver­fahrens holte das Region­al­gericht sodann ein Gutacht­en zwecks Bes­tim­mung des Verkehr­swerts des Grund­stücks ein, welch­es in der Folge zwei Mal ergänzt wurde. Das Region­al­gericht bejahte schlussendlich eine Ver­tragsver­let­zung auf­grund der Mis­sach­tung des Vorkauf­s­rechts und hiess die Klage betragsmäs­sig teil­weise gut. Der Ver­rech­nung­seinrede der bei­den Erbin­nen gab das Region­al­gericht nicht statt. Die Erbin­nen, respek­tive die über­lebende Alleinerbin, wehrte sich prak­tisch erfol­g­los bis Bun­des­gericht gegen dieses Urteil.

Vor Bun­des­gericht rügte die Beschw­erde­führerin, auf die Klage hätte man­gels rechts­genüglich­er Bez­if­fer­ung nicht einge­treten wer­den dür­fen (dazu E. 4). Weit­er monierte, das Oberg­ericht habe zu Unrecht die Abtret­barkeit des Vorkauf­s­rechts bejaht (dazu E. 5). Fern­er behauptet sie, die Vorin­stanzen hät­ten im Rah­men der Schaden­er­satzbe­mes­sung auf ein untauglich­es Gutacht­en abgestellt (dazu E. 6). Sodann beklagt sie, dass ihrer Ver­rech­nung­seinrede nicht stattgegeben wor­den sei (dazu E. 7). Sie rügt überdies eine Ver­let­zung des Rechtsmiss­brauchsver­bots (dazu E. 8). und machte zahlre­iche Gehörsver­let­zun­gen gel­tend (dazu E. 9).

Keine rechts­genügliche Bez­if­fer­ung: Das Bun­des­gericht erin­nerte hier an seine Recht­sprechung, dass gemäss Art. 85 Abs. 2 Satz 1 ZPO die Forderung “sobald möglich” zu bez­if­fern sei. Es reiche jeden­falls aus, wenn der Kläger sein Begehren im ersten Schlussvor­trag bez­if­fere; er müsse dies nicht unmit­tel­bar, etwa innert ein­er Frist von 30 Tagen, nach Abschluss oder gar während der Beweis­ab­nahme tun (E. 4.3). Vor­liegend wies das Bun­des­gericht darauf hin, dass das Gutacht­en bis zum Schluss von den Parteien bestrit­ten und bemän­gelt wor­den sei, die Parteien wieder­holt zahlre­iche Ergänzungs­fra­gen und Edi­tion­santräge gestellt hät­ten, das Region­al­gericht die Gutachter befragt und von diesen zwei ergänzende Berichte einge­holt hätte. Noch mit der Fris­tanset­zung zum Ein­re­ichen der schriftlichen Schlussvorträge habe es über die Zuläs­sigkeit zahlre­ich­er Beweis­mit­teleingaben entschei­den müssen. Entsprechend habe das Oberg­ericht zu Recht fest­gestellt, dass erst der Abschluss des Beweisver­fahrens die Bez­if­fer­ung der klägerischen Forderung erlaubt hätte. Vor diesem Hin­ter­grund sei der Vor­gabe von Art. 85 Abs. 2 Satz 1 ZPO (Bez­if­fer­ung, “sobald nach Abschluss des Beweisver­fahrens […] dazu in der Lage”) Genüge getan (E. 4.4).

Fehlende Abtret­barkeit des Vorkauf­s­rechts: In diesem Zusam­men­hang war umstrit­ten, ob die Mut­ter ihren Söh­nen (den Beschw­erdegeg­n­ern) das Vorkauf­s­recht abtreten kon­nte, obwohl die Parteien die Abtret­barkeit des Vorkauf­s­rechts bei dessen Begrün­dung “nicht aus­drück­lich vere­in­bart” haben. Das Bun­des­gericht ver­wies dabei auf die Regelung in Art. 216b Abs. 1 OR, wonach solche Vorkauf­s­rechte nicht abtret­bar sind, sofern nichts anderes vere­in­bart ist. Im Zeit­punkt der Vere­in­barung des stre­it­ge­gen­ständlichen Vorkauf­s­recht sei diese Bes­tim­mung allerd­ings noch nicht in Kraft gewe­sen. Das damals gel­tende und anwend­bare Geset­zes­recht (aArt. 681 ZGB) habe sich einzig mit den im Grund­buch vorge­merk­ten Vorkauf­s­recht­en befasst. Die Abtret­barkeit von ver­traglichen Vorkauf­s­recht­en sei geset­zlich nicht geregelt gewe­sen. Das Bun­des­gericht bestätigte dabei die Erwä­gun­gen des Oberg­erichts (E. 5.3). Gemäss Recht­sprechung und Lehre zur dama­li­gen Recht­slage sei das (altrechtlich begrün­dete) Vorkauf­s­recht im All­ge­meinen ver­mu­tungsweise nicht abtret­bar, eine Abtret­barkeit könne sich indes aus dem (mut­masslichen) Willen der Parteien oder aus den beson­deren Umstän­den des Einzelfalls ergeben. Solche Umstände lägen in casu vor. Es sei, so das Oberg­ericht, klar gewe­sen, dass das Vorkauf­s­recht nicht nur für die umit­tel­bar am Ver­trag Beteiligten gegolten habe. So sei die eine Partei beim Ver­tragsab­schluss 81 Jahre alt gewe­sen, sodass von Anfang an evi­dent gewe­sen sei, dass auf ihrer Seite während der Dauer des Vorkauf­s­rechts der Erb­fall ein­treten werde. Weit­er habe beim Abschluss des Ver­trags nie­mand an die Even­tu­al­ität gedacht, dass eines der Grund­stücke dere­inst statt im Todes­fall vererbt, zu Lebzeit­en auf Anrech­nung kün­ftiger Erb­schaft an die mut­masslichen Erben über­tra­gen wer­den kön­nte. Es han­dle sich der Sache nach damit weniger um eine “Abtre­tung im eigentlichen Sinne” als vielmehr um eine vorge­zo­gene Erb­schaft. Ver­tragliche Vorkauf­s­rechte seien nach dama­liger Recht­slage aber ohne Weit­eres vererblich gewe­sen. Auf­grund dieser beson­deren Umstände des Einzelfalls sei von der Abtret­barkeit des Vorkauf­s­rechts auszuge­hen (E. 5.2).

Untauglich­es Gutacht­en: Hin­sichtlich der von der Beschw­erde­führerin in diesem Zusam­men­hang vorge­bracht­en Rügen wies das Bun­des­gericht ein­lei­t­end darauf hin, dass bei­de Vorin­stanzen sich gründlich mit den gel­tend gemacht­en Män­geln auseinan­derge­set­zt, zu jed­er behaupteten Unrichtigkeit Stel­lung genom­men und die Ein­wände alle­samt ver­wor­fen hät­ten. Vor Bun­des­gericht lege die Beschw­erde­führerin wed­er eine Bun­desrechtsver­let­zung noch Willkür in der Beweiswürdi­gung dar (E. 6.3). Im Einzel­nen erin­nerte das Bun­des­gericht sodann ins­beson­dere daran, dass die nach ein­er zuläs­si­gen und nachvol­lziehbaren Bew­er­tungsmeth­ode erfol­gte Fest­set­zung des Werts ein­er Liegen­schaft eine vom kan­tonalen Gericht grund­sät­zlich abschliessend zu beurteilende Tat­frage darstelle, die das Bun­des­gericht nur unter dem beschränk­ten Gesicht­spunkt der Willkür prüfe (E. 6.4.1).

Ver­rech­nung­seinrede: Die Beschw­erde­führerin (respek­tive vor Region­al­gericht die bei­den Erbin­nen) hat­ten gel­tend gemacht, dass die Ver­tragspartei ihrer Mut­ter das Grund­stück in Mis­sach­tung des Vorkauf­s­rechts mit “Abtre­tungsver­trag auf Rech­nung kün­ftiger Erb­schaft” an ihre bei­den Söhne (die Beschw­erdegeg­n­er) über­tra­gen habe. Dadurch sei ihr ein Schaden ent­standen, den sie zur Ver­rech­nung stelle. Auch diese Rüge fand vor Bun­des­gericht kein Gehör. Es bestätigte die Erwä­gun­gen des Oberg­erichts, wonach eine Über­tra­gung des Grund­stücks auf Rech­nung kün­ftiger Erb­schaft keinen Vorkaufs­fall aus­löse. Gemäss bun­des­gerichtlich­er Recht­sprechung sowohl zum neuen als auch zum alten Recht liege, so das Bun­des­gericht, all­ge­mein kein Vorkaufs­fall vor, wenn ein Geschäft unter der speziellen Berück­sich­ti­gung der per­sön­lichen Beziehun­gen abgeschlossen werde, wie namentlich beim Erb­vor­bezug respek­tive wenn ein Grund­stück an einen geset­zlichen Erben mit Rück­sicht auf dessen kün­ftiges Erbrecht über­tra­gen werde, sodass sich die Veräusserung als eine vor­weggenommene Regelung der Erb­folge darstelle. An diese Recht­sprechung habe sich das Bun­des­gericht gehal­ten und die Beschw­erde­führerin zeige keine Bun­desrechtsver­let­zung auf (E. 7).

Rechtsmiss­brauchsver­bot und Gehörsver­let­zung: Auch mit diesen Rügen drang die Beschw­erde­führerin nicht durch. So verf­ing das Argu­ment, die Beschw­erdegeg­n­er hät­ten sich wider­sprüch­lich ver­hal­ten, nicht. Rechtsmiss­brauch sei restrik­tiv anzunehmen und die Beschw­erde­führerin lege nicht dar, inwiefern es einen offen­baren Rechtsmiss­brauch begrün­den soll, wenn die Beschw­erdegeg­n­er im Zivil­prozess ein­er­seits und in einem davon unab­hängi­gen Baube­wil­li­gungsver­fahren ander­er­seits sich (ange­blich) “wider­sprechende” Ein­wände vor­tra­gen wür­den (E. 8). Eben­so sei die Vorin­stanz den sich aus dem Anspruch auf rechtlich­es Gehör ergeben­den Vor­gaben nachgekom­men. Es gehe der Beschw­erde­führerin denn auch genau bese­hen nicht um ihre Gehörsrechte, son­dern darum, dass das Oberg­ericht in abwe­ichen­der Gewich­tung und Würdi­gung der im Recht liegen­den Akten zu Sachver­halts­fest­stel­lun­gen gelangt wäre, die nicht mit ihren Ein­schätzun­gen übere­in­stim­men. Die Beschw­erde­führerin tadle unter dem Vor­wand der Gehörsver­let­zung die Beweiswürdi­gung der Vorin­stanz, was unzuläs­sig sei (E. 9).