Im zur Publikation vorgesehenen Entscheid 5A_122/2024 vom 2. April 2024 setzte sich das Bundegericht mit der Frage auseinander, ob ein Gläubiger Beschwerde gegen den Entscheid betreffend Konkurseröffnung nach Art. 191 SchKG erheben kann. Das Bundesgericht bejahte dies und erwog, dass die Beschwerdelegitimation der Gläubiger gegen den Konkurseröffnungsentscheid sowohl die Frage der Zuständigkeit des Konkursgerichts als auch die Frage der Rechtsmissbräuchlichkeit des Konkursantrags umfasst.
Dem Entscheid lag folgender Sachverhalt zugrunde:
Mit Entscheid vom 2. Mai 2023 eröffnete der Präsident des Bezirksgerichts Lausanne (nachdem ein erster Entscheid aufgehoben wurde und zur Neuentscheidung zurückgewiesen wurde) den Konkurs über A auf dessen eigenen Antrag. Dagegen erhob die Gläubigerin B SA Beschwerde beim Obergericht des Kantons Waadt, das die Beschwerde mit Entscheid vom 7. Februar 2024 guthiess und den Entscheid der Vorinstanz aufhob. Das Obergericht erwog, dass der Konkursantrag von A missbräuchlich ist und bestätigte seine Praxis, dass BGE 149 III 186 einer Gläubigerin nicht verbietet, Beschwerde gegen einen Konkurseröffnungsentscheid zu erheben, wenn sich die Gläubigerin auf die Rechtsmissbräuchlichkeit des Konkursantrags beruft.
Dagegen erhob A mit Eingabe vom 19. Februar 2024 Beschwerde beim Bundesgericht. Mit Verfügung vom 14. März 2024 wies das Bundesgericht den Antrag auf Erteilung der aufschiebenden Wirkung ab. Mit Entscheid vom 2. April 2024 wies das Bundesgericht die Beschwerde von A ab, soweit es darauf eintrat.
Keine Beschränkung der Beschwerdegründe auf die Zuständigkeit des Konkursgerichts
Zunächst bestätigte das Bundesgericht die Meinung der Vorinstanz, wonach das Bundesgericht in BGE 149 III 186 die Frage der Beschwerdelegitimation eines Gläubigers gegen einen Entscheid nach Art. 191 SchKG offengelassen hat. In BGE 149 III 186 hat das Bundesgericht nicht die Beschwerdegründe auf die Frage der Zuständigkeit beschränken wollen (E. 3).
Auslegung von Art. 191 SchKG
Sodann legte das Bundesgericht Art. 191 SchKG im Lichte der Revision des Sanierungsrechts aus, die am 1. Januar 2014 in Kraft getreten ist. Mit Art. 295c Abs. 1 SchKG und Art. 334 Abs. 4 SchKG wurden die Rechte der Gläubiger verstärkt, indem der Gesetzgeber die (unbeschränkte) Beschwerdelegitimation eines Gläubigers gegen den Entscheid des Nachlassgerichts ausdrücklich vorgesehen hat (E. 4.1 und E. 4.2).
Gemäss Art. 191 Abs. 2 SchKG eröffnet das Konkursgericht den Konkurs über den Schuldner, wenn keine Aussicht auf eine Schuldenbereinigung nach den Artikeln 333 ff. besteht. Damit unterliegt der Konkursantrag nach Art. 191 SchKG dem Rechtsmissbrauchsverbot (E. 4.3):
„Le juge peut ainsi refuser l’ouverture de la faillite s’il existe une perspective d’assainissement et que, de manière abusive, le débiteur ne forme aucune requête en règlement amiable des dettes (…). De manière générale, la déclaration d’insolvabilité est soumise à la réserve de l’abus de droit (…); l’art. 191 al. 2 LP n’en fait que concrétiser le principe (…).“
Mit dem neuen Sanierungsrecht und der Änderung der Beschwerdelegitimation der Gläubiger i.Z.m. Art. 333 ff. SchKG ist die Einschränkung der Beschwerdelegitimation der Gläubiger gegen einen Konkurseröffnungsentscheid nach Art. 191 SchKG nicht mehr gerechtfertigt. Damit können sich die Gläubiger sowohl gegen die Zuständigkeit des Konkursgerichts als auch gegen die Rechtsmissbräuchlichkeit der Konkurseröffnung mittels Beschwerde wehren, da sie in diesen Konstellationen über ein schützwürdiges Interesse verfügen (E. 4.3).