Im Urteil 5A_94/2024 vom 12. August 2024, das in französischer Sprache verfasst wurde, befasste sich das Bundesgericht mit der Frage, unter welchen Voraussetzungen ein italienisches “decreto ingiuntivo telematico provvisoriamente esecutivo” (kurz: “decreto ingiuntivo” – auf Deutsch “vorläufig vollstreckbarer Mahnbescheid”) in der Schweiz als Entscheid vollstreckt werden kann.
Sachverhalt
Ein Gericht in Bologna, Italien, verurteilte A. im Jahr 2019 zur Zahlung von über 16 Millionen Euro an C. (später D.). A. legte Einspruch ein, der jedoch 2021 abgelehnt wurde, woraufhin A. in Berufung ging. Währenddessen trat D. die Forderung an B. ab, der daraufhin in der Schweiz den Arrest von A.s Vermögenswerten erwirkte und den italienischen Mahnbescheid für vollstreckbar erklären liess. A. wehrte sich gegen diese Vollstreckungshandlung, scheiterte jedoch im Dezember 2023 vor dem Genfer Cour de justice und schliesslich als Beschwerdeführer vor Bundesgericht.
Wesentliche Erwägungen
Erwägung 5.2 in fine:
La requête de reconnaissance et d’exequatur a, quant à elle, été déposée en Suisse le 21 juillet 2023, soit à un moment où la décision confirmant le “decreto ingiuntivo” litigieux avait déjà été rendue et notifiée au terme d’une procédure contradictoire lors de laquelle le recourant a pu exercer pleinement son droit d’être entendu. Dans ces conditions, il y a lieu de considérer que le “decreto ingiuntivo” en cause est une décision au sens de l’art. 32 CL, susceptible d’être reconnue et déclarée exécutoire en Suisse. Le raisonnement de la Cour de justice ne prête donc pas le flanc à la critique et doit être intégralement confirmé.
Auf Deutsch: Das Anerkennungs- und Vollstreckungsgesuch wurde in der Schweiz am 21. Juli 2023 eingereicht, also zu einem Zeitpunkt, als die Entscheidung, die den streitigen “decreto ingiuntivo” bestätigte, bereits ergangen und dem Beschwerdeführer nach Abschluss eines kontradiktorischen Verfahrens, in dem er sein rechtliches Gehör vollständig ausüben konnte, zugestellt worden war. Unter diesen Umständen ist der “decreto ingiuntivo” als eine Entscheidung im Sinne von Art. 32 LugÜ anzusehen, die in der Schweiz anerkannt und für vollstreckbar erklärt werden kann. Der Schlussfolgerung des Genfer Cour de justice ist daher nichts entgegenzusetzen, und sie muss vollständig bestätigt werden.
Weiterführende Links
- BGE 139 III 232 E 2.3 (ital.): Ablehnung der Vollstreckbarkeit eines “decreto ingiuntivo” aufgrund des fehlenden vorherigen kontradiktorischen Verfahrens
- Der “Ur-Entscheid” des EuGH: EuGH, 21. 5. 1980, C‑125/79, Denilauler vs. Couchet, Rn. 9