4A_136/2024: Bestätigung der Dopingsperre einer fünfzehnjährigen Eiskunstläuferin (amtl. Publ.)

Im Entscheid 4A_136/2024 vom 5. Sep­tem­ber 2024 (zur Pub­lika­tion vorge­se­hen) bestätigte das Bun­des­gericht die vier­jährige Sperre ein­er fün­fzehn­jähri­gen Eiskun­stläuferin wegen eines Ver­stoss­es gegen die Anti-Dop­ing-Bes­tim­mungen. Das Bun­des­gericht wies die Rügen zur fehlen­den Zus­tim­mung zur Schied­sklausel sowie zur Schied­sun­fähigkeit zurück und stellte fest, dass keine Ver­let­zung des materiellen ordre pub­lic vor­lag, weil das junge Alter der Ath­letin keine mildere Strafe recht­fer­tigte. 

Die Beru­fungskam­mer des TAS befand eine rus­sis­che Eiskun­stläuferin des Ver­stoss­es gegen die Anti-Dop­ing-Bes­tim­mungen für schuldig. Die Beru­fungskam­mer sper­rte die Ath­letin für vier Jahre ab der Ent­nahme der Probe und ord­nete die Dis­qual­i­fika­tion aller Ergeb­nisse an, die sie seit der Probeent­nahme erzielt hat­te. Gegen diesen Entscheid erhob die Ath­letin Beschw­erde in Zivilsachen.

Die Ath­letin rügte zunächst die Zuständigkeit des TAS (Art. 190 Abs. 2 lit. b IPRG). Sie argu­men­tierte, dass sie der Schied­sklausel in Art. 15.2 des rus­sis­chen Anti­dop­ing-Regle­ments („All Russ­ian Anti-Dop­ing Rules“; „RAR“) nie schriftlich zuges­timmt habe. Auch hätte sie nie ein Doku­ment unterze­ich­net, das auf Art. 15.2 RAR Bezug nehme. Zudem könne ihre Teil­nahme an den Wet­tkämpfen nicht als Zus­tim­mung zur Schied­sklausel gew­ertet wer­den. 

Das Bun­des­gericht schnitt zunächst die Prob­lematik der Gültigkeit eines erzwun­genen bzw. geset­zlich vorgeschriebe­nen Schiedsver­fahrens an. Es the­ma­tisierte die am 1. Jan­u­ar 2021 in Kraft getretene Regelung betr­e­f­fend die in einem ein­seit­i­gen Rechts­geschäft oder in Statuten vorge­se­hene Schied­sklausel (Art. 178 Abs. 4 IPRG), ging jedoch schliesslich nicht näher auf diese Prob­lematik ein. 

Denn nach der Recht­sprechung könne ein Ath­let durch sein Ver­hal­ten trotz Nichtein­hal­ten der For­mvorschrift unter Umstän­den seine Zus­tim­mung zur Zuständigkeit des TAS geben. Ob dies der Fall sei, sei eine Frage von Art. 178 Abs. 2 IPRG. Vor­liegend habe die Ath­letin der Schied­sklausel zuges­timmt: Art. 15.2 RAR besage, dass die Entschei­de des Russ­ian Dis­ci­pli­nary Anti-Dop­ing Com­mit­tee betr­e­f­fend allfäl­lige Ver­stosse gegen die Anti­dop­ing-Regelung der auss­chliesslichen Zuständigkeit des TAS unter­ste­hen wür­den. Die Ath­letin habe im Rah­men des Ver­fahrens betr­e­f­fend ihre pro­vi­sorische Sus­pendierung vor der ad hoc Schied­skam­mer des TAS aus­drück­lich auf diese Norm Bezug genom­men und habe argu­men­tiert, dass die Beru­fungskam­mer des TAS (statt der ad hoc Schied­skam­mer des TAS) zuständig sei. Damit habe sie zu ver­ste­hen gegeben, dass sie sich durch die Schied­sklausel gebun­den füh­le. Ihr Ver­hal­ten sei wider­sprüch­lich und ver­stosse gegen Treu und Glauben.  

Die Ath­letin führte fern­er aus, dass die Stre­it­igkeit nicht schieds­fähig sei (Art. 190 Abs. 2 lit. b IPRG). Die ihr aufer­legten Sank­tio­nen wür­den auf rus­sis­chem öffentlichen Recht beruhen und hät­ten daher strafrechtlichen Charak­ter bzw. Charak­ter von ver­wal­tungsrechtlichen Sank­tio­nen. 

Das Bun­des­gericht führte aus, dass die Einrede der Schied­sun­fähigkeit frühzeit­ig erhoben wer­den müsse. Vor­liegend sei diese erst vor Bun­des­gericht erhoben wor­den. Ohne­hin sei die Schieds­fähigkeit vor­liegend gegeben: Rus­s­land hätte sich, wie andere Län­der, dazu entsch­ieden, die Prinzip­i­en des Code Mon­di­al Anti­dopage als Gesetz zu regeln. Dadurch werde eine Angele­gen­heit jedoch nicht schied­sun­fähig, anson­sten dies dazu führen würde, dass das rei­bungslose Funk­tion­ieren der Sports­ch­ieds­gerichts­barkeit im Kampf gegen Dop­ingver­stösse gefährdet wäre. Auch wür­den die vor­liegend ver­hängten Mass­nah­men unter das Sport­diszi­pli­nar­recht fall­en. Denn die Mass­nah­men wür­den sich auf den Auss­chluss von sportlichen Aktiv­itäten sowie den Ver­lust finanzieller Vorteile für einen bes­timmten Zeitraum beschränken.

Die Ath­letin rügte schliesslich eine Ver­let­zung des materiellen ordre pub­lic (Art. 190 Abs. 2 lit. e IPRG). Das Schieds­gericht hätte bei der Fest­set­zung der Sank­tion ihr junges Alter (15 Jahre und 8 Monate im Zeit­punkt der Anti-Dop­ing-Kon­trolle) nicht als mildern­den Fak­tor berück­sichtigt. 

Auch diesen Ein­wand wies das Bun­des­gericht ab. Das Schieds­gericht habe fest­gestellt, dass die Ath­letin zwar den Sta­tus ein­er geschützten Per­son habe, was unter beson­deren Umstän­den eine andere Behand­lung als bei anderen Sportlern erfordere. Das Schieds­gericht habe das Vor­liegen solch­er beson­deren Umstände verneint, zumal die rel­e­vante Anti-Dop­ing-Regelung eine Sperre von vier Jahren ohne Unter­schei­dung nach Alter vorse­he und die Ath­letin trotz ihres jun­gen Alters eine erfahrene Sport­lerin sei. Für das Bun­des­gericht sei nicht ersichtlich, weshalb das junge Alter eines Sportlers, dem eine absichtliche Ver­let­zung der Anti-Dop­ing-Regeln vorge­wor­fen werde, notwendi­ger­weise zu ein­er milderen Bestra­fung führen solle. Jün­gere Ath­leten nur auf­grund ihres Alters milder zu bestrafen, kön­nte die abschreck­ende Wirkung der Sank­tio­nen ver­ringern und mehr junge Sportler zu Dop­ing ver­leit­en. Zudem würde es den fairen Wet­tbe­werb unter­graben, wenn geschützte Per­so­n­en bei absichtlichen Dop­ingver­stössen weniger streng bestraft wür­den. Das Bun­des­gericht kam zum Schluss, dass die Ath­letin, die trotz ihres Alters zum Zeit­punkt der ihr vorge­wor­fe­nen Hand­lun­gen auf­grund der Teil­nahme an ver­schiede­nen inter­na­tionalen Wet­tbe­wer­ben bere­its erfahren war, keine objek­tiv­en Gründe vorge­bracht habe, die eine abwe­ichende Behand­lung von der­jeni­gen ander­er Sportler recht­fer­ti­gen würde. 

Das Bun­des­gericht wies somit die Beschw­erde ab.