5A_17/2024: Anfechtung von Beschlüssen der Stockwerkeigentümergemeinschaft (amtl. Publ.)

Im zur Pub­lika­tion vorge­se­henen Urteil 5A_17/2024 vom 3. Feb­ru­ar 2025 behan­delt das Bun­des­gericht die Frage, ob und inwiefern die Stock­w­erkeigen­tümerge­mein­schaft verpflichtet ist, das Stock­w­erkeigen­tümer­re­gle­ment gegenüber Eigen­tümern gerichtlich durchzusetzen.

Die Beschw­erde­führer sind Eigen­tümer ein­er Stock­w­erkein­heit (1. OG). In der darüber­liegen­den Stock­w­erkein­heit haben die jew­eili­gen Eigen­tümer die Boden­beläge erneuert. Dies geschah, nach Auf­fas­sung der Beschw­erde­führer, in Ver­let­zung des Regle­ments der Stock­w­erkeigen­tümerge­mein­schaft. Anlässlich der ordentlichen Stock­w­erkeigen­tümerver­samm­lung beantragten die Beschw­erde­führer, die Ver­wal­tung sei zu beauf­tra­gen, von den Eigen­tümern der Stock­w­erkein­heit im 2. OG den Rück­bau der Boden­beläge innert zwei Monat­en zu ver­lan­gen und erforder­lichen­falls gerichtlich durchzuset­zen. Die Stock­w­erkeigen­tümerge­mein­schaft lehnte den Antrag ab. Gegen diesen Entscheid beschrit­ten die Beschw­erde­führer den Rechtsweg.

Zur prozes­sualen Vorge­hensweise bei Prob­le­men zweier (oder mehrerer) Stock­w­erkeigen­tümer unter einan­der hielt das Bun­des­gericht fest, dass kein Stock­w­erkeigen­tümer gegen einen anderen direkt auf Ein­hal­tung des Regle­ments kla­gen könne (Urteil 5A_640/2012 vom 13. Novem­ber 2012 E. 4.4). Vielmehr müsse er über sein Anliegen zuerst einen Beschluss der Gemein­schaft erwirken, den er sodann unter den all­ge­meinen Voraus­set­zun­gen gerichtlich anfecht­en könne (BGE 145 III 121 E. 4.3.4). Diese «all­ge­meinen Voraus­set­zun­gen» sind in Art. 712m Abs. 2 ZGB i.V.m. Art. 75 ZGB geregelt. Anfecht­bar sind Beschlüsse, die Gesetz oder Statuten – im Stock­w­erkeigen­tum­srecht ins­beson­dere die im Begrün­dungsakt, im Regle­ment und in der Hau­sor­d­nung fest­gelegte Gemein­schaft­sor­d­nung – ver­let­zen (E. 2.3.2). Nicht über­prüft wer­den kön­nen hinge­gen die Angemessen­heit und Zweck­mäs­sigkeit eines Beschlusses (BGE 131 III 459 E. 5.1; Urteil 5A_100/2020 vom 15. August 2023 E. 2, nicht publ. in BGE 149 III 393).

Betr­e­f­fend die Durch­set­zung dieser Anspruchs­grund­la­gen hält das Bun­des­gericht fest, dass die Gemein­schaft über ihren Ver­wal­ter verpflichtet sei, über die Ein­hal­tung des Regle­ments zu wachen (vgl. Art. 712m Abs. 1 Ziff. 2 i.V.m. Art. 712s Abs. 3 ZGB). Daraus folge jedoch keine Pflicht, das Regle­ment ungeachtet der konkreten Umstände auf dem Klageweg durchzuset­zen. Andern­falls würde in diesem Bere­ich jegliche Frei­heit der für den Beschluss zuständi­gen Mehrheit aufge­hoben. Diese könne dur­chaus sach­liche Gründe haben, sich gegen eine Klage zu entschei­den. Zu bedenken sei zudem, dass die Frage, ob tat­säch­lich ein Regle­mentsver­stoss vor­liege, Gegen­stand des allfäl­li­gen Prozess­es der Gemein­schaft gegen den als Ver­let­zer ins Recht gefassten Stock­w­erkeigen­tümer bilde. Ob die Gemein­schaft Klage ein­leit­en wolle, werde die Ver­samm­lung der Stock­w­erkeigen­tümer auch von ihrer Ein­schätzung der Prozes­saus­sicht­en abhängig machen. Dass im Zeit­punkt ihres Beschlusses bere­its gek­lärt sei, ob tat­säch­lich eine Regle­mentsver­let­zung vor­liege, könne nicht ver­langt wer­den (E. 2.3.5).

Vor­liegend wirke sich der bean­standete Ein­bau der Boden­beläge auss­chliesslich im Ver­hält­nis zwis­chen der betr­e­f­fend­en Stock­w­erkein­heit und der Stock­w­erkein­heit der Beschw­erde­führer aus. Die Beschw­erde­führer hät­ten dem­nach die Möglichkeit, gegen störende Immis­sio­nen nach Art. 679 i.V.m. Art. 684 ZGB vorzuge­hen. Den Beschw­erde­führern ste­he damit ein zumut­bar­er Rechtsweg zur Ver­fü­gung, um gegen durch den Ein­bau der neuen Boden­beläge verur­sachte Störun­gen ihres Eigen­tums vorzuge­hen (E. 2.4). Dass keine gemein­schaftlichen Inter­essen betrof­fen seien, sei ein sach­lich­er Grund für den Beschluss der Stock­w­erkeigen­tümerge­mein­schaft, auf die beantragten Vorkehren zu verzicht­en. Unter diesen Umstän­den ver­let­ze der Verzicht auf die beantragten Vorkehren zur Durch­set­zung der fraglichen Regle­ments­bes­tim­mung wed­er das Gesetz noch die Gemein­schaft­sor­d­nung (E. 2.4).

Das Bun­des­gericht wies die Beschw­erde ab.

Urteil 5A_17/2024